Jubiläum - Helga Dissert ist am 1. September seit 50 Jahren beim Amtsgericht / Mit 15 fing sie ihre Ausbildung zur Bandschreiberin an

Erst Schreibmaschine, dann Computer

Von 
Lorena Boss
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Helga Dissert bei ihrer täglichen Arbeit in ihrem Büro in A 2,1. Die 65-Jährige geht im Januar 2019 in Rente. © Boss

Mit 15 Jahren betrat Helga Dissert zum ersten Mal das Amtsgericht Mannheim. „Oh Gott, und das jetzt jeden Tag?“, waren ihre ersten Gedanken. Seit dem 1. September sind mittlerweile 50 Jahre vergangen, und immer noch macht sie denselben Job – und immer noch macht er ihr Spaß.

„Also eigentlich wollte ich ja Kindergärtnerin oder Säuglingsschwester werden“, erzählt Helga Dissert. Als jedoch in der Schule sechs Lehrlinge gesucht wurden, entschied sie sich spontan um und wurde Bandschreiberin. Die Ausbildung dauerte normalerweise etwa drei Jahre. Und obwohl ihre Ausbildungsleiterin immer zu ihr sagte, sie würde die Prüfung nicht schaffen, legte Helga Dissert ihre Ausbildung ein halbes Jahr früher ab – und bestand.

Einmal explodiert

Das Gespräch mit ihr ist fast wie eine kleine Zeitreise, denn von der mechanischen Schreibmaschine, über die elektrische Schreibmaschine, bis zum Computer hat sie alles erlebt. „Die elektrische Schreibmaschine ist mal explodiert. Ich hab mich vorgelehnt, und auf einmal flogen die Funken“, erzählt die 65-Jährige lachend. Mit der Umstellung auf den Computer habe sie sich etwas schwergetan, aber mittlerweile sei der eine große Erleichterung. Früher musste man noch die ganze Seite neu tippen, wenn man einen kleinen Fehler gemacht hatte. „Das hat einen schon Nerven gekostet.“

Die 65-Jährige war immer zufrieden mit dem, was sie hatte. „Ich habe etwas Angst vor Neuem. Deswegen habe ich auch nicht die Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Ich wollte nicht an einen anderen Standort versetzt werden, obwohl mir oft gesagt wurde, ich wäre die ideale Beamtin“, sagt Helga Dissert. Wenn sie auf ihre berufliche Laufbahn zurückblickt, würde sie keinen Schritt anders machen. Helga Dissert fing in der Mahnabteilung des Amtsgerichts an, seit 1987 ist sie beim Familiengericht. „Ich hatte so nette Kollegen und werde das hier echt vermissen“, erzählt sie, als sie an ihren Renteneintritt am 1. Januar 2019 denkt. Eigentlich hätte die 65-Jährige schon vor zwei Jahren in Rente gehen können, aber der Beruf machte ihr noch so Spaß gemacht, dass sie blieb. In ihren 50 Jahren Amtszeit erlebte sie zehn Präsidenten, sie lernte viele Kollegen kennen und verabschiedete sich von vielen.

„Die Frau ist echt ein Urgestein“, erzählt der Pressesprecher des Amtsgericht, Gunter Carra. „Helga Dissert war die gute Seele hier. Sie hat immer die Geburtstage der Kollegen organisiert. Wir werden sie vermissen“, sagt ihre Kollegin Andrea Schuck. „Und sie gibt den Kindern immer Schokolade und Süßigkeiten“, fügt ihre andere Kollegin Vannessa Uhrig hinzu.

Nicht alle Fälle waren einfach. „Gerade, wenn es mit Kindern zu tun hat, nimmt mich das schon sehr mit“, erzählt die 65-Jährige. Am 12. September bekommt sie eine Urkunde von der Präsidentin persönlich überreicht und natürlich noch ein kleines Geschenk. Was das genau sein wird, weiß sie nicht, denn Helga Dissert ist die Erste, die ein 50-jähriges Dienstjubiläum feiert. Zumindest gab es das in den letzten zehn Jahren in ganz Baden im Angestelltenbereich nicht. „Bis Ende des Jahres werde ich die Zeit hier noch genießen. Und danach komme ich euch auf jeden Fall besuchen“, sagt sie etwas wehmütig zu den Kollegen.

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