Geschichte

Erinnerungskultur gestalten

Podiumsdiskussion über eine Gedenkstätte für Sinti und Roma in Mannheim

Von 
Bernhard Haas
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Als Stadt mit der höchsten Zuwanderung je Einwohner in Europa sei es wichtig, ein lebendiges Denkmal zu schaffen, das an die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sinti und Roma erinnert. Mit diesen Worten stellte Oberbürgermeister Christian Specht klar, dass es für die Mannheimer Stadtgesellschaft bedeutend sei, auch diese Minderheit in eine Erinnerungskultur einzubinden.

Der Gemeinderat hat 2023 einstimmig beschlossen, nicht ein Mahnmal im herkömmlichen Sinne zu schaffen, erinnerte Specht. Stattdessen solle eine Kunstform gefunden werden, die eine Balance zwischen Gedenken und lebendigem Gegenwartsbezug erzeugt. Es solle eine lebendige Verbindung zwischen der europäischen Gesellschaft und der Stadtgesellschaft hergestellt werden, so der OB in seinem Grußwort. Das bisherige Denkmal ist laut Specht aber ein klein wenig versteckt neben dem Friedensengel im Quadrat E 6 zu finden. „Daher ist der Wunsch nach einem lebendigen Denkmal nur zu begrüßen.“

In Berlin erinnert ein zentrales Denkmal an die Opfer

Jana Mechelhoff-Herezi von der Bundesstiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas berichtete, wie das zentrale Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma entstand und welche Bedeutung es hat. Seit 2012 erinnert das südlich des Reichstags gelegene zentrale Mahnmal an die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas und damit an den nationalsozialistischen Völkermord, auch Porajmos genannt. Etwa 500 000 Sinti und Roma wurden zur NS-Zeit verfolgt und getötet. Das von dem israelischen Künstler Dani Karavan errichtete Denkmal besteht aus einem Wasserbecken, in dessen Mitte sich eine steinerne Stele in Form eines Dreiecks befindet. Alle NS-Inhaftierten hatten ein unterschiedlich farbiges Dreieck an ihrer Haftkleidung.

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Auf der Stele befindet sich eine Blume als Symbol des Lebens und zur Erinnerung an die ermordeten Sinti und Roma. Sobald die Blume verwelkt ist, versinkt sie auf der Stele in dem Brunnen. Eine frische Blume erhebt sich aus dem Wasser. Auf dem Brunnenrand ist auf Englisch, Deutsch und Romanes das Gedicht „Auschwitz“ des italienischen Roma Santino Spinelli zu lesen: „Eingefallenes Gesicht/ erloschene Augen/ kalte Lippen/ Stille/ ein zerrissenes Herz/ ohne Atem/ ohne Worte/ keine Tränen“. In der Nähe gibt es eine Dauerausstellung. Jeden Tag würden Menschen vorbeikommen und verweilen, so Mechelhoff-Herezi. Dadurch sei ein Denkmal geschaffen worden, das vor allem erinnert.

Auch eine mobile Variante ist denkbar

Die Kunsthalle wird das Projekt in Mannheim nach dem Wunsch des Gemeinderates künstlerisch begleiten. Programmkuratorin Dörte Ilsabe Dennemann zeigte in ihrem Statement auf, dass es ganz neue Ideen gebe, zu erinnern und gleichzeitig in die Zukunft zu blicken. So könne beispielsweise etwas gestaltet werden, was auf- und abbaubar ist, wie etwa die „Aufenthaltsskulptur Quadrat–Kreis / Atome Seele Sinne“, die der Künstler Viron Erol Vert gemeinsam mit Bürgern der Stadt entworfen hat. Auch ein transportables Denkmal sei möglich. Als Beispiel nannte sie den Grünen Salon der Volksbühne Berlin, der unter der Kuration des RomaTrial steht und mit einem interdisziplinären, politisch-progressiven Programm von Künstlern und Aktivisten aus den Communities Berliner Roma und Sinti bespielt wird.

Moderator Tim Müller wollte von den Podiumsteilnehmern Benjamin Harter und Verena Lehmann wissen, wie sie sich ein Denkmal vorstellen. „Den Menschen heute sei oft gar nicht bekannte, dass es einen Holocaust gegeben habe. Daher sei es sehr wichtig, einen Ort der Erinnerung zu schaffen“, so Harter. Es solle auch ein Ort der Erinnerung geschaffen werden, meinte Lehmann.

Der Landesvorsitzende der Sinti und Roma Baden-Württemberg, Daniel Strauß, sagte, die beiden Minderheiten seien schon immer Teil der Mannheimer Stadtgesellschaft gewesen. Daher müsse sowohl erinnert als auch in die Zukunft geblickt werden. „Ich freue mich jedenfalls auf einen spannenden Prozess der Ideensammlung“, sagte Strauß.

Der Gemeinderat war in seinem Beschluss der Ansicht: Die Gemeinsamkeiten als Bestandteil der Stadtgesellschaft sollen in den Vordergrund gerückt werden. Ein Ortsbezug wurde nicht vorgegeben, um Vorschläge zu ermöglichen. Die Errichtung des Mahnmals kann frühestens 2025 umgesetzt werden.

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