Gustav-Wiederkehr-Schule - KZ-Gedenkstätte öffnet am Sonntag für Besucher ihre Tore / Erstmals auch barrierefreier Zugang

Erinnerung an NS-Opfer in Sandhofen

Von 
Agnes Polewka
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1060 junge Polen waren 1944 bis 1945 in der Sandhofener Gustav-Wiederkehr-Schule - mitten im Wohngebiet - untergebracht. Denn in Sandhofen gab es ein Außenlager des KZs Natzweiler-Struthof.

© Tröster

Auschwitz, Buchenwald und Dachau sind Orte, die eng mit den nationalsozialistischen Massenmorden verwoben sind. Orte, bei denen die meisten Menschen Bilder von Vernichtungs- und Konzentrationslagern im Kopf haben - von ausgemergelten Körpern, gestreiften Häftlingsanzügen und SS-Offizieren. Bei Mannheim denkt man an den Wasserturm. Vielleicht auch an die Amerikaner. Von einem besonderen Bezug zum Nationalsozialismus wissen nur noch wenige. Aber es gab ihn.

"Wie auf dem Sklavenmarkt"

"In Sandhofen wurde von September 1944 bis März 1945 ein Außenlager des elsässischen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof eingerichtet", sagt Hans-Joachim Hirsch vom Stadtarchiv - Institut für Stadtgeschichte. 1060 KZ-Häftlinge aus Dachau waren in dieser Zeit in der heutigen Gustav-Wiederkehr-Schule untergebracht - mitten im Wohngebiet. Eine Ausstellung im Keller der Grundschule erinnert an die Häftlinge. An die, die überlebt haben und die, die von den Nazis ermordet wurden. Info-Tafeln dokumentieren ihr Leid, rekapitulieren ihr Schicksal. Am Sonntag, 12. Mai, ist die Ausstellung von 14 bis 17 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. Um 14.30 Uhr findet eine Führung statt, die die Geschichte der Häftlinge erzählt. "Wir öffnen die Gedenkstätte etwa vier Mal im Jahr. An den übrigen Tagen müssen Termine explizit vereinbart werden", erklärt Hirsch und ergänzt: "Neu ist diesmal allerdings, dass wir nun einen Aufzug eingebaut haben und die Ausstellung komplett barrierefrei ist."

Die Geschichte der jungen Männer, die nach Mannheim geholt wurden, liest sich wie folgt: 1060 Männer, die während des großen Warschauer Aufstands ins KZ Dachau verschleppt worden waren, kamen im September 1944 nach Mannheim. Im Daimler-Benz-Werk brauchte man sie, um den LKW Opel-Blitz zu produzieren. Nach einem Luftschlag der Alliierten auf die Opel-Anlage in Berlin-Charlottenburg waren die Daimler-Funktionäre angehalten, die dringend benötigten Militärlastwagen zu produzieren. "Die Männer wurden in Dachau wie auf dem Sklavenmarkt ausgesucht. Der Jüngste war 13 Jahre alt", sagt Hirsch. In Sandhofen angekommen, hausten jeweils 60 bis 80 Menschen in einem Klassenzimmer in der Gustav-Wiederkehr-Schule - zusammengepfercht in Stockbetten. Das Erdgeschoss war für die KZ-Verwaltung reserviert. Die Waschräume, die von den Häftlingen nicht benutzt werden durften, befanden sich im Keller.

An dieser Stelle ist heute die Ausstellung zu sehen, die 1991 eingerichtet wurde. Vitrinen, Stellwände und Audio-Stationen erzählen von den Menschen, die hier 1944/45 lebten. Ein Gürtel, eng zusammengerollt, deutet an, wie ausgehungert die Häftlinge waren. "Die Menschen erzählten sich, dass die Essenrationen, die für die Arbeiter gedacht waren, von den Aufsehern auf dem Schwarzmarkt vertrieben wurden", berichtet Hirsch.

Eine Schwarz-Weiß-Fotografie zeichnet die markanten Gesichtszüge eines Kommandeurs nach. Sein Name: Heinrich Wicker. "Von den Männern, die überlebt haben, haben einige die Gedenkstätte besucht. Wicker haben sie alle als sehr grausamen Kommandeur beschrieben", weiß Hans-Joachim Hirsch.

Grausamkeit, das war in der Gustav-Wiederkehr-Schule meistens die Prügelstrafe. Ein Strafenregister regelte genau, wie viele Schläge es für welches Vergehen gab. In anderen Fällen "reichten" Prügel aber nicht. "Es gab einen ganz schlimmen Fall, da wurde einer der Häftlinge in aller Öffentlichkeit gehängt. Seine eigenen Kameraden wurden dazu gezwungen", so der Experte.

Wie diese Information, so stammt vieles, das in der Ausstellung aufbereitet worden sind, von den Häftlingen selbst. "Über die Jahre sind Freundschaften zu den Männern entstanden. Einige von ihnen haben uns sogar Dokumente vermacht", betont Hirsch.

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