Mannheim. Ein Besuch im Gefängnis kann abschrecken, Unsicherheiten hervorrufen. Es herrscht eine bedrückende Stimmung, sobald man sich innerhalb der Mauern einer Justizvollzugsanstalt (JVA) befindet - auch wenn man nur zu Besuch ist. Was für Erwachsene, die ihren in Haft sitzenden Partner sehen wollen, schon oft ein schwerer Gang ist, stellt erst recht für Kinder eine enorme Herausforderung dar. Ein Maskottchen soll das nun ändern und für einen familienfreundlichen Vollzug stehen: Toni, das Erdmännchen.
Am Montag hat die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) das Maskottchen offiziell in der JVA Mannheim vorgestellt. „Die Atmosphäre in einem Gefängnis macht es schwer, dass Kinder sich öffnen können“, sagt Gentges. Zumal die Kinder nichts für die Situation könnten, sie keine Schuld daran treffe. Nun habe das vom Ministerium initiierte Projekt „Familienfreundliche Vollzugsgestaltung“, das die Rechte und das Wohl der Kinder inhaftierter Eltern in den Fokus rückt, durch das Erdmännchen Toni ein Gesicht bekommen. „Es soll die Begegnung mit den Eltern leichter machen“, erklärt die Ministerin.
Den fünf Kindern, die Toni als erstes sehen und anfassen dürfen, gefällt das Erdmännchen. „Schön flauschig“, sagt ein Junge, dessen Vater derzeit in der JVA Mannheim einsitzt. Toni gibt es in der Haftanstalt als Kuscheltier, das die Kinder auch mit nach Hause nehmen dürfen. „Toni ist so ein bisschen ein Bindeglied, dem man auch mal was erzählen kann, mit dem man traurig sein kann und das man auch mal mit ins Bett nehmen kann und dabei vielleicht an das Elternteil denken kann, das gerade nicht da ist“, erläutert Gentges. Neben seinem Dasein als Plüschtier findet sich Toni auch auf Wänden im Besucherraum, in Trinkbechern oder auf Flyern wieder.
Gefangener aus Mannheimer JVA gestaltet Siegerentwurf
Ein Gefangener aus Mannheim hat Toni gestaltet. Sein Entwurf ging in einem landesweiten Malwettbewerb unter den Inhaftierten als Sieger hervor. Eine Zahl, wie viele Vorschläge es gab, konnte Gentges zwar nicht nennen. Es habe aber eine beträchtliche Auswahl zur Verfügung gestanden. „Wir haben dann mit den Leitern der Vollzugsanstalten aus den Top drei das Erdmännchen ausgewählt“, erläutert die Ministerin. Erdmännchen seien bei Kindern beliebt und gesellige Tiere. „Sympathisch, frech, freundlich und neugierig“ soll Toni in Gentges Augen sein.
Doch nicht nur die Gefangenen, auch die Kinder haben sich in den Prozess eingebracht. Von ihnen kamen die Namensvorschläge. Auch die Kinder, die am Montagvormittag in der Mannheimer JVA sind, haben allesamt Ideen eingebracht, erzählen sie. Saschi oder Eddy standen bei ihnen zum Beispiel auf der Liste. „Ganz viele, ganz unterschiedliche“ Vorschläge seien gekommen, sagt Gentges. „Die Kinder haben sich da also auch beteiligt und freuen sich, glaube ich, über diesen kleinen Freund, den es dann im Gefängnis gibt“, hofft die CDU-Politikerin.
Nun soll Toni zumindest in den Besuchsräumen, die in Mannheim für den familienfreundlichen Vollzug zum Teil kindgerecht umgestaltet wurden, für eine freundlichere Atmosphäre und weniger Barrieren und Ängste bei den Kindern sorgen. „Damit sie schneller auf das Elternteil zugehen können, damit man schneller ein Gespräch findet und miteinander spielen kann“, so Gentges. Sowohl bei den Gefangenen als auch bei den Vollzugsanstalten im Land komme das Konzept gut an.
Nicht nur positive Resonanz auf familienfreundlichen Vollzug
Der familienfreundliche Vollzug soll sich aber nicht bloß auf Maskottchen Toni beschränken. Hinzu kommen ergänzende Maßnahmen: Eltern-Kind-Tage etwa. Oder die Möglichkeit, dass Gefangene etwas vorlesen können, das aufgenommen wird, so dass die Kinder jederzeit die Stimme vom Elternteil hören können. Bereits seit der Corona-Pandemie gibt es auch sogenannte Skype-Besuche, also Videotelefonie. „Es ist eine tolle Ergänzung zu den Besuchen in Präsenz. Man kann auch mal daheim das Kinderzimmer zeigen oder zeigen, wie das Kind gerade Fahrradfahren lernt“, nennt Gentges die Vorzüge der Skype-Besuche.
Doch nicht bei allen stößt das Projekt „Familienfreundliche Vollzugsgestaltung“ auf positive Resonanz. Als das Ministerium vor wenigen Wochen mitgeteilt hatte, dass es ein Maskottchen dafür geben soll, sei Kritik aufgekommen. Es sei nachgefragt worden, „ob man was Schönes im Vollzug, ob man familienfreundlichen Vollzug braucht“, erzählt Gentges und gibt die Antwort selbst: Zum einen sei der Aufenthalt im Gefängnis schon eine harte Strafe. Zum anderen macht sie deutlich: „Es geht nicht ausschließlich um die Gefangenen. Es geht um die Kinder von Gefangenen.“ Zugleich betont die Ministerin, wie wichtig es sei, dass die betroffenen Familien in Kontakt bleiben.
„Es geht darum, soziale Bindungen zu stärken, dabei zu helfen, soziale Bindungen zu Kindern neu aufzubauen, damit da was ist, wenn man rauskommt“, schiebt Gentges hinterher. Toni soll dazu seinen Beitrag leisten und eine Verbindung zwischen dem Kind und dem Inhaftierten Elternteil schaffen, die über die Gefängnismauern hinausreichen soll. Vor allem soll das Erdmännchen aber dabei helfen, dass Kinder ihre Hemmschwellen abbauen können. „Wenn uns das mit Toni gelingt“, sagt Gentges, „dann wäre ich sehr glücklich.“
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