Mannheim

Die "Wichern" - eine einzigartige schwimmende Kirche

Mit einem Festgottesdienst um 11.30 Uhr in der Hafenkirche im Jungbusch feiert das Evangelische Dekanat Mannheim heute den 60. Geburtstag der „Wichern“, das einzige Kirchenschiff im süddeutschen Raum

Von 
Peter W. Ragge
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Das blaue Kreuz am Bug ist das Erkennungszeichen: Die „Wichern“, das evangelische Kirchenschiff, ist seit 1962 in Mannheim unterwegs. © ekma/Kästel

Mannheim. Ist das schon wieder zehn Jahre her? Der 50. Geburtstag der „Wichern“ fiel traurig aus. Kurz zuvor waren ein 14-jähriger und ein 13 Jahre alter Ruderer im Mühlauhafen, wo sie ganz regulär trainierten, in die Fahrrinne und da zwischen ein Schubschiff und den längsseits gekoppelten Schubleichter geraten. Der 13-Jährige konnte sich an Land retten. Der 14-Jährige starb aber, und der Schock traf viele Wassersportler und Binnenschiffer – was nicht nur den 50. Geburtstag der „Wichern“ überschattete, sondern auch deutlich machte, wie wichtig Seelsorge auf und am Wasser ist.

„Geboren“ ist die „Wichern“ in Neckarsteinach auf der Werft Ebert. Das zwölf Meter lange und zwölf Tonnen schwere Schiff mit dem dunkelblauen Rumpf, den weißen Aufbauten und dem großen blauen Kreuz am Bug hat fast ein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt nur noch zwei weitere Kirchenschiffe in Norddeutschland, in Süddeutschland sonst gar keines mehr. Die Mannheimer Katholiken haben, als der letzte katholische Binnenschifferseelsorger im Hafen Günter Barth 2011 in Ruhestand ging, die Stelle wegrationalisiert und sein Boot St. Nikolaus ausgemustert sowie verkauft.

Auch die Evangelische Kirche hat Geldsorgen. Auch wenn über 20 Ehrenamtliche liebevoll die „Wichern“ betreuen, sie steuern, regelmäßig pflegen, den Schiffrumpf streichen und bei Bedarf das Abkratzen festgesetzter Muscheln in der Werft übernehmen, bittet das Dekanat um Spenden für den Erhalt des Kirchenschiffs.

Benannt ist es nach Johann Hinrich Wichern (1808-1881), dem Urvater der modernen Diakonie, auf den die Schifferseelsorge und die Gefängnisseelsorge ebenso wie der Adventskranz zurückgehen. 1870 forderte er Seelsorge für Flussschiffer, verbunden mit dem bis heute gültigen Motto: „Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen gehen“.

In den Mannheimer Häfen, auf Rhein und Neckar ist Schifferseelsorgerin Anne Ressel mindestens zweimal wöchentlich mit Ehrenamtlichen unterwegs. Als die Pfarrerin 2015 diesen Dienst mit einem halben Deputat antrat, musste sie zuallererst ihren Bootsführerschein und den Funkschein machen. Ab sofort bietet Ressel mit ihrem Team das Kirchenschiff verstärkt für besondere Anlässe an. Künftig kann es samt Besatzung angefragt werden für Taufen, Konfirmationen, für Schul- oder Ausbildungsabschlüsse, für Geburtstage oder andere Lebensfeste, für alle Lebensübergänge, für Gespräch und Segen. In der Kabine ist Platz für zwölf Personen. Auch bei ihren Dienstfahrten können Interessierte mitfahren. Anmeldung unter Telefon 0621/24208 oder per E-Mail unter Rosa.Posternak@ekma.de.

Redaktion Chefreporter

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