Ewige Zeiten her, und doch bleiben die schmerzhaften, scherzhaften Erinnerungen an die Neckarschule am Neumarkt in der Neckarstadt für viele Leser ganz frisch: Edgar Marx, Jahrgang 1940 hat uns aus seinem Album zwei Klassenfotos geschickt aus jenen frühen Tatzen-Tagen in den späten 40er Jahren, als es noch für jede falsche Bewegung "was setzte". Bis zu 53 Buben (!) in einer Klasse, da mussten die Lehrer Bierer (mit Hut) und Bertram (mit Brille) hart durchgreifen, damit die Buben nicht außer Rand und Band gerieten. Zum Beispiel beim Turnunterricht: Die Neckarschule hatte keine Halle, also marschierte die ganze kleine Kompagnie im Gänsemarsch zur Humboldtschule. Aufstellung der Größe nach, befahl der Turnlehrer, ein harter Hund, und er verpasste jedem zum Auftakt eine Ohrfeige als pädagogische Präventivmaßnahme.
In lappigen Unterhosen ertüchtigte man dann den kindlichen Leib: "Adidas und Puma, das gab's damals nicht", so der 75-jährige Marx, der an ärmliche aber auch lustige Zeiten zurückdenkt. Und an den Zusammenhalt: Bis heute treffen sich die Klassenkameraden einmal im Jahr in der Sellweide zum "Weißt-Du-noch"-Austausch, und 15 bis 25 UrNeckarstädter sind immer dabei.
Horst Zitzer müsste den Edgar eigentlich auch noch von früher kennen, er ist ebenfalls 75 Jahre alt und wurde nach Kriegsende 1945 eingeschult, ging später dann aber in die Humboldtschule. Die Großeltern Zitzer betrieben in der Neckarstadt im Huthorstweg eine Gärtnerei und genau dort, wo auf dem Bild die rechte Kindergruppe steht, hatte seine Familie ihren Marktstand, verkaufte Gemüse: "Da unser Wohnhaus in der Gärtnerei zerstört war, lebten wir damals in der Pflügersgrundstraße 22." Den Kriegskindern steckten oft noch die verheerenden Bombenangriffe in den Knochen, das Rennen in die Bunker, die Einschläge: "Auf dem hinteren Teil des Marktplatzes befand sich ein Wasserreservoir von beachtlichem Ausmaß." Den Speicher, aus dem das Löschwasser gegen die Brände kam, hat Zitzer noch vor Augen.
Himbeerbonbon auf der Zunge
Auch Christel Rhode erkannte ihre Schule sofort und sie freut sich, dass die Neckarstadt in unserer Serie nicht ganz vergessen wird, auch wenn das Leben in dem Stadtteil für manche alte Neckarstädter heute nicht mehr vorstellbar wäre. Aber "unsere Jugend war voller interessanter Ruinen und Abenteuer," so Rhode, die noch den süßen Geschmack von Himbeerbonbons im Mund hat, die man für 5 Pfennige am Kiosk kaufen konnte.
Manfred Hexamer hat geguckt und geschaut, aber leider keines der Kinder erkannt, die auf dem Foto direkt neben dem Häuschen am "Neumarkt" stehen, damals noch eine Bedürfnisanstalt. Hexamer wuchs selbst in der Innenstadt auf, pflegte aber rund um die Neckarschule beste Kontakte zu Freunden und hat sich dort auch zum ersten Mal über beide Ohren verliebt. In ein Mädchen mit dem Namen Ilona, deren Oma, um die Ecke in der Langstraße wohnte. Also: Ilona bitte melden!
Noch mehr Bilder seliger Erinnerungen laufen ab, zum Beispiel an die Besuche im Kino "Müller'le" in der Mittelstraße: "Es war eine ärmliche, aber schöne Zeit in den 50er Jahren." Hexamer lebt jedoch nicht nur in der Vergangenheit, er freut sich auch, dass die Neckarschule jetzt in Berlin ausgezeichnet wurde: Sie belegte den ersten Platz im Wettbewerb "Demokratische Schulentwicklung - Demokratie erleben."
Auch Neues zum alten Toilettenhäuschen gibt's zu vermelden. Es wurde später zu einem Kiosk umgebaut und hat als Abtritt einen sagenhaften Aufstieg erlebt. Heute drückt sich dort ein höherer Genius loci aus, unter dem Namen "Kultur-Kiosk Zwischenraum am Neumarkt."
Feuer und Flamme für eine Cola
Auch bei Helmut F. Frank, alter Mannheimer, der jetzt in Bielefeld die "MM"-Serie verfolgt, flackern schöne Stunden auf: "Als Kinder waren wir oft dabei, wenn auf dem Neumarkt der Winter verbrannt wurde. Für meine Schwester und mich immer ein Erlebnis. Nach dem Feuer gab es für uns Kinder in der Gaststätte Concordia in der Langstraße immer ein Essen und dazu eisgekühlte Coca-Cola. Ein Höhepunkt!"
Michael Müller entdeckt auf dem Foto aus den 50er Jahren im linken Trakt noch Einschusslöcher aus dem Krieg. Diese Wunden haben die Zeit und der Gipser geschlossen, das Gebäude zeigt sich nun in schöner Erscheinung. Und Müller schaut erkennerisch nach vorne: "Ich hoffe, dass Euch die Bilder so schnell nicht ausgehen und freue mich auf viele weitere Folgen!!"
Gewinner Folge 36
- Der "MM" und das Stadtarchiv - Institut für Stadtgeschichte arbeiten beim Rätsel "Erkennen Sie Mannheim?" Hand in Hand.
- Wir verlosen in jeder Folge drei Bildbände, DVDs oder historische Schriften vom Stadtarchiv, die wir den Gewinnern zusenden. Diesmal haben gewonnen: Helga Reinhold, Edgar Marx und Sabine Nohe
- Morgen erscheint die Folge 37 unseres Rätsels "Erkennen Sie Mannheim?"
- Postkarten-Edition (9,50 Euro) im "MM"-Kundenforum in P3 oder im Engelhorn Trend House "butiq". (red)
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