Die Steuerfahndung Mannheim war in den vergangenen Jahren der Goldesel des baden-württembergischen Finanzministeriums. Die erfolgreiche Arbeit ist zweifelsfrei erstklassigem Teamwork geschuldet, doch eine Truppe ist immer nur so gut wie ihr Chef. Und Dr. Hans Edinger, Deutschlands dienstältester Fahndungsleiter mit Schreibtisch in der Käfertaler Straße, ist gut. Mehr als eine Milliarde Euro dürfte die Mannheimer Steuerfahndung in seiner Dienstzeit dem Land in die Kassen gespült haben - vorsichtig geschätzt, wie ein Kollege augenzwinkernd betont.
Jurist mit Hang zum Strafrecht
Steuerfahnder sind zwar per Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet, doch der eine oder andere große Fall auf Edingers Schreibtisch fand doch den Weg in die Öffentlichkeit: die 2002 insolvent gewordene Wohnungsbaugesellschaft Süba, Boehriger Mannheim (heute Roche Diagnostics), Pfizer, Wild, die deutsche Tochter der größten Schweizer Bank UBS und massenhaft Fälle von Umsatzsteuerbetrug - mit Handys, Pentium Prozessoren, Reimportwagen, Barrengold und Emissionsrechten. Der promovierte Jurist, der sich gerne als "Bulle" bezeichnet, hätte viel zu erzählen - wenn er denn dürfte.
Der gebürtige Heddesheimer hat Berge von Akten verschlungen, war so gut wie immer im Dienst und ließ nie locker, wenn er auch nur den kleinsten Hinweis auf eine Steuerstraftat in der Hand zu haben vermutete. Er legte sich mit Konzernen wie Privatpersonen an - und falls sein Gegenüber nicht verstehen wollte, wer ab sofort Herr des Verfahrens ist, lernte sehr schnell die andere Seite des umgänglichen, unkomplizierten Vollblutjuristen kennen. Privatleben und Gesundheit hatten sich dem "wahnsinnig interessanten Job" zu beugen, und auch wenn der 67-Jährige heute freimütig eingesteht, dass "man dafür bezahlt" - Hans Edinger macht nicht den Eindruck, auch nur eine Sekunde seiner 34 Fahnder-Jahre zu bereuen. Ein Leben als Steuerfahnder verträgt keine Halbheiten und ohne Emotionen und Engagement geht nichts, schreibt Edinger dem Nachwuchs ins Stammbuch.
Schon im Jurastudium an der Universität Heidelberg war klar: Seine Sache ist das Strafrecht. Da die Alternativen Anwalt ("ich kann niemandem nach dem Mund reden" und Richter ("zu viel Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung") schon vor dem Praxistest ausschieden, zog es Edinger nach Promotion (Wehrsteuer) und Bundeswehr (Panzerkommandant) in die Steuerverwaltung - eine eingestandenermaßen "eher pragmatische Entscheidung". Nach Mannheim kam der Jurist und Sozialdemokrat, weil "Not am Mann war" - erst in die Straf- und Bußgeldstelle, dann als Vertreter zur Fahndung, wo die Karriere Fahrt aufnahm. Einen wesentlichen Teil seines beruflichen Erfolgs schreibt der Beamte, der Ende des Monats in Pension geht, der Tatsache zu, dass "ich mich sehr gut in die Gegenseite versetzen kann".
Edinger kennt noch die Zeiten, als Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt belächelt wurde - und Fahnder die Buhmänner der Nation waren. Die Zeiten der Geringschätzung einer Arbeit, die mit Knochenjob nur unzureichend umschrieben ist, sind seit gut zehn Jahren vorbei, was Edinger und seinen 49 Kolleginnen und Kollegen den beruflichen Alltag etwas leichter macht. "Im Wesentlichen sind eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung erfolgreich", weiß Edinger. Auf einen Fall seiner Amtszeit trifft diese Erkenntnis indes nicht zu: Den Verdacht der nicht gemeinnützigen Verwendung von Stiftungsgeldern konnte die Steuerfahndung Mannheim SAP-Mitgründer und Mäzen Dietmar Hopp nicht nachweisen.
Auch in seiner Freizeit macht der künftige Pensionär gerne Tempo. Ob beim Joggen, in der Muckibude, auf Reisen, als Hobbykoch oder Bastler - halbe Sachen sind auch dann, wenn es um Erholung geht, nicht sein Ding. Weshalb der Ruhestand erst einmal ein veritabler Unruhestand sein dürfte.
Steuerfahndung
Die Steuerfahndung Mannheim ist eine von elf Fahndungsbehörden in Baden-Württemberg.
Fünf sind im badischen, sechs im württembergischen Teil des Bundeslandes.
Die Steuerfahndung Mannheim zählt 50 Mitarbeiter; Ende der 1990er Jahre waren es zwölf.
Die Arbeit der Fahnder fängt an, wenn Finanzamt und Betriebsprüfer in einer Steuersache mit ihrem Latein am Ende sind. rw
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