Rechtsextremismus - Der frühere Wismarer Kameradschafts- und Rockerchef Philip Schlaffer stellt in Mannheim sein autobiografisches Buch vor

Ein Ex-Neonazi und seine Mission

Von 
Steffen Mack
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Am Dienstag liest Philip Schlaffer in der (bereits ausgebuchten) Abendakademie aus seinem Werk. © Philip Schlaffer

Ja, sagt Philip Schlaffer, in Mannheim sei er schon ein paar Mal gewesen. „Das war noch zu meiner aktiven Zeit.“ Er habe unter anderem ein Rechtsrock-Konzert besucht, kenne auch das „Aktionsbüro Rhein-Neckar“, eine frühere Neonazi-Plattform. Sie besteht schon lange nicht mehr, aber einige der damals dort Aktiven leben nach wie vor hier. Dass einer von ihnen am nächsten Dienstag um 19 Uhr zur ausgebuchten Lesung in die Abendakademie kommt, ist indes unwahrscheinlich. Schlaffers Buch „Hass. Macht. Gewalt.“ mit dem Untertitel „Ein Ex-Nazi und Rotlicht-Rocker packt aus“ dürfte ihnen eher nicht gefallen.

Der 42-Jährige rechnet ebenfalls nicht mit alten Bekannten. „Ich habe keine Kontakte mehr in die Szene.“ Auch vor etwaiger Rache fürchte er sich nicht. „Die wissen alle, dass ich sofort die Polizei rufe, sollten sie mal vor meiner Tür stehen.“ Ab und an gehe mal eine anonyme Drohung ein. Aber das beunruhige ihn nicht.

Mehrfach verurteilt

Schlaffer, der die Kameradschaftschaft „Werwolf Wismar“ und den Rockerclub „Schwarze Schar Wismar“ gründete, hat zwei Jahrzehnte voller Brutalität hinter sich, war ein mehrfach verurteilter Straftäter.

Seiner weichen Stimme mit norddeutschem Einschlag hört man das nicht an. Im Telefonat mit dem „MM“, das wegen Dreharbeiten für Schlaffers Youtube-Kanal erst nach einigen Anläufen zustande kommt, wirkt er sehr nett und sympathisch.

Ein anderes Bild zeigt ein Internet-Video (bit.ly/2ZMvvTU) von einer Antifa-Kundgebung 2006. Da ziehen 200 linke Demonstranten vor Schlaffers Szene-Laden in Wismar. Er steht mit vier Kumpanen vor der Tür und streift sich mit Quarzsand gefüllte Handschuhe über. Als Pöbeleien beginnen, greifen die Rechten synchron zu Baseballschlägern.

„Wer mein Buch bis hierhin gelesen hat, kann sich denken, dass wir nicht davor zurückgeschreckt hätten, die Schläger zu benutzen“, schreibt Schlaffer auf Seite 187. In der Tat. Das ist auch den Polizisten im Video klar. Sie ziehen sofort ihre Pistolen und zielen auf die Neonazis, die schließlich zurückweichen.

Ein paar Jahre später habe ihm einer der Beamten erzählt, sie seien damals wirklich ganz kurz davor gewesen, ihm in den Oberkörper zu schießen, berichtet Schlaffer. Der Gedanke, sein Leben grundlegend zu ändern, sei ihm aber erst an Neujahr 2014 gekommen. Das erleichterte ihm wohl auch eine Haftstraße, die er wenig später antrat. Der Gefängnispsychologe diagnostizierte ein Burnout und half ihm.

Die Frage, warum Schlaffer zu dem wurde, was er war, kann auch die 315-seitige Biografie nicht wirklich beantworten. Aber das Wie wird sehr anschaulich: vom „Schulversager“ zum Schulschläger, Einstieg in die Nazi-Szene über Rechtsrock. Anfangs sind es die Böhsen Onkelz. Als die sich Mitte der 1990er angesichts der Anschlagswelle auf Asylbewerber von Rechtsextremisten distanzieren, distanzieren sich Schlaffer und seine Kumpels von den Onkelz. Sie finden schnell Härteres.

Zuletzt die Linken gewählt

Mit Lebensgeschichte, Videokanal und Vorträgen will Schlaffer dazu beitragen, dass andere nicht in die Szene abgleiten. Und zeigen, wie gefährlich sie ist. Das nennt er seine „Mission“. Auch politisch ticke er nun anders. „Beim letzten Mal habe ich mit Erststimme unsere Bundeskanzlerin gewählt und mit Zweitstimme die Linken“ (Angela Merkels Wahlkreis ist Vorpommern-Rügen).

Ansonsten genieße er voll sein „totales Spießerleben“ mit seiner kleinen Familie, erzählt Schlaffer. „Ich laufe die meiste Zeit in Birkenstock und Hawaiihemden rum.“ Das beweisen die Fotos, die er später schickt. Seine Lesungen – bisher etwa zehn – seien immer gut besucht und die Zuhörer nach anfänglicher Skepsis schnell begeistert gewesen. „Ich überziehe immer eine Stunde.“ Auch aus der Abendakademie heißt es, man sei da zeitlich flexibel.

Rechtsextre

Ex-Nazi Schlaffer kommt zur Lesung nach Mannheim

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Eigener Youtube-Kanal

  • Philip Schlaffer, Jahrgang 1978, war früher ein führender Kopf der Neonazi- und Rockerszene in Wismar.
  • Mittlerweile engagiert er sich mit einem eigenen Youtube-Kanal, in Vorträgen und als Autor gegen Rechtsextremismus und Gewalt.
  • Sein Buch „Hass. Macht. Gewalt.“ ist im Münchner Verlag Droemer Knaur erschienen. 315 Seiten, 18 Euro.
  • Mit seiner Lebensgefährtin und dem zehnjährigen Sohn lebt Schlaffer heute wieder in seiner ursprünglichen Heimatstadt Lübeck. sma

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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