Mannheim. Es ist ein Ort, der etwas Geheimnisvolles hat, liegt er doch im Verborgenen: Mannheims Kanalisation. Nun hat die Stadtentwässerung den Fremdeneinstieg in der Breiten Straße geöffnet und einen Einblick gewährt. „Ohne diese Kanalisation wäre die Stadt nicht das, was sie ist und nicht so sauber wie sie ist“, sagt Erste Bürgermeisterin und Umweltdezernentin Diana Pretzell (Grüne) am Freitag und hebt die Bedeutung des Kanalsystems hervor. „Die Stadtentwässerung ist diejenige, die dafür sorgt, dass diese Stadt ganz heimlich und still sauber und hygienisch ist“, betont Pretzell.
14 Stufen führen auf Höhe des Quadrats F1 in Mannheims Unterwelt. Ist die schmale Wendeltreppe aus Eisen geschafft, befindet man sich in einem Gewölbe aus gelb-bräunlichen Backsteinen in 3,25 Metern Tiefe. Die Gänge sind eng und niedrig. Und doch sei es hier im Gegensatz zu anderen Einstiegen in die Kanalisation noch „komfortabel“, sagt Pretzell. Auch riecht es nur leicht unangenehm und nicht so streng, wie man denken könnte. Überhaupt mutet das 140 Jahre alte Backsteingewölbe wenig nach Kanalisation an, macht es doch einen für diesen Ort viel ästhetischeren Eindruck, als man vielleicht annehmen würde.
Der Fremdeneinstieg entstand 1891 zusammen mit dem Beginn des Baus der Kanalisation in der Innenstadt, der Ausgangspunkt für das heutige Kanalnetz. „Das war ein Riesenschritt für die Bevölkerung“, sagt Pretzell. Schon damals habe das Kanalsystem der Stadt vorbildhaften Charakter gehabt. „Die Menschen waren sehr stolz darauf und haben deshalb den Abstieg in diese Welt gezeigt“, erklärt Pretzell die angedachte Funktion des Fremdeneinstiegs. Fachleute, Bevölkerung und auch Prominente besichtigten den Bau und die Funktionsweise der Kanalisation. Unter anderem der badische Großherzog Friedrich I. Heute wird der reinigungs- und sicherheitsaufwendige Fremdeneinstieg nur noch zu besonderen Anlässen geöffnet.
Mannheimer Kanalisation ist vor fast 140 Jahren entstanden
So wie am Freitag, einen Tag vor dem Weltwassertag am 22. März. Während die Straßenbahnen laut über den Köpfen hinwegrattern, plätschert das Abwasser an diesem sonnigen Vormittag in der Unterwelt leise vor sich hin. Das kann sich bei Starkregenereignissen schnell ändern. Dann kann das Abwasser bis weit oben ansteigen. Der enge Gang im Backsteingewölbe führt weiter in Richtung des Quadrats Q1, wo sich ein weiterer Eingang, der als Betriebseinstieg dient, befindet. Von einer Empore in der Mitte des Ganges kann man den Hauptkanal, in denen zwei weitere Kanäle münden, besichtigen. Von hier wird das Abwasser weiter bis zum Pumpwerk Ochsenpferch und schließlich in das Klärwerk in Sandhofen geleitet.
In fast 140 Jahren hat sich natürlich einiges getan. Mittlerweile hat das Kanalsystem eine Gesamtlänge von rund 850 Kilometern. An trockenen Tagen fließen rund 81.000 Kubikmeter durch die Kanalisation. Vier Hauptsammelkanäle gibt es, über die Schmutz- und Regenwasser aus allen Stadtteilen zum zentralen Klärwerk nach Sandhofen geleitet werden. Dabei werden die einzelnen Kanäle immer breiter, wie Thomas Röhling, Sachgebietsleiter Kanalbetrieb bei der Stadtentwässerung, erläutert: „Mit 15 Zentimeter breiten Rohren geht es in den Randgebieten der Stadt los. Kurz vor dem Klärwerk hat der Kanal 3,20 Meter Durchmesser.“
Dabei fließt das Wasser auf dem Weg zum Klärwerk bis zu den einzelnen Pumpwerken immer bergab. „Ab neun Meter Tiefe gibt es deswegen die Pumpwerke, die fördern das Wasser wieder hoch und dann geht es bei 2,50 Meter wieder bergab“, erklärt Röhling, der bei dem Thema auch auf ein großes Problem der Stadtentwässerung zu sprechen kommt. Neben Fett und Essensresten, die ins Abwasser gelangen und die Ratten anziehen, sorgen vor allem in der Toilette entsorgte Feuchttücher, die eigentlich in den Abfall gehören, für Frust. Durch die Tücher im Abwasser kann es so weit kommen, dass die Pumpwerke nicht ordentlich arbeiten und sogar ganz stillstehen. Röhling spricht von ganzen Schwimmteppichen, die sich an den Pumpwerken mitunter bilden würden.
Abwärme der Kanalisation versorgt Mannheimer Gebäude mit Energie
Von dem durch die Bevölkerung gemachten Problem abgesehen, gelte das Mannheimer Abwassersystem damals wie heute als vorbildlich, sagt Pretzell: „Das Klärwerk ist eines der modernsten in Europa.“ Bevor das Abwasser von hier in den Rhein fließen darf, muss es eine chemische Prüfung und vier Reinigungsstufen passieren, erläutert Pretzell. Befinden sich Stoffe im Abwasser, die nicht reingehörten, schlage ein Alarm aus, und eine chemische Reinigung sei notwendig. Oftmals sei die Industrie für die eingeleiteten Stoffe verantwortlich, erklärt sie weiter.
Zwar sei ein Klärwerk sehr energieintensiv, doch in Mannheim sei die Stadt auf „einem guten Weg“, dieses klimaneutral zu betreiben. „Auch da sind wir europaweit absolutes Beispiel und Vorreiter“, betont Pretzell. Zudem werde die Abwärme der Kanalisation genutzt, um andere Gebäude in der Stadt mit Energie zu versorgen: das Pumpwerk Ochsenpferch, das Marchivum und das Pflanzenschauhaus im Luisenpark. Der nächste Schritt sei, die Abwärme auch für einzelne Gebäude in der Stadt nutzen zu können. „Also Sie sehen, im Untergrund passiert ganz viel im Verborgenen“, sagt Pretzell. Und dennoch ist man irgendwie froh, nach dem Einblick in Mannheims Unterwelt wieder Tageslicht zu erblicken.
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