Früher war alles schlechter? Mit Kenan Nalci macht der „MM“ einen Rundgang rund um den Marktplatz. Er ist Vorsitzender des OMMA, des Ortsvereins Marktplatz Mannheim. Es ist der Gewerbe- und Werbeverein der G-, H-, J- und K-Quadrate. Und Nalci sagt, als er in seinem ATR-Reisebüro in H 2 sitzt: „Seit 1992 führe ich einen Kampf für diese Umgebung.“ Was meint er damit?
1973 kommt Kenan Nalci als Student nach Deutschland, lernt am Goethe-Institut Deutsch, studiert an der Universität Stuttgart und macht in Istanbul sein Diplom in Betriebswirtschaft. 1982 kommt er als Filialleiter der Avrupa Turistik Seyahat Sirketi nach Mannheim, für die Fluggesellschaft übernimmt er ein Jahr später das Mannheimer Stadtbüro. Zwei Jahre später kauft er das Haus in H 2, in dem er auch heute noch das Reisebüro mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn betreibt. Doch damals sei die Gegend rund um den Marktplatz eine ganz andere: „Drogen, Alkohol, Armut, das hat diese Gegend damals bestimmt.“ Am Marktplatz habe sich die Drogenszene aufgehalten, im heutigen Restaurant Istanbul war noch ein Wienerwald-Lokal und „die ganze Gegend roch nach fettigem Brathähnchen“. Direkt neben seinem Reisebüro, erinnert sich Nalci, befand sich die „Walhalla“-Trinkhalle. „Da sind schon morgens die Betrunkenen aus dem Laden gefallen, weil sie nicht mehr laufen konnten.“
Heute mehr als 60 Mitglieder
Nalci will etwas verändern und ermuntert die Nachbarn und andere Eigentümer zu investieren: „Macht eure Fassaden schön.“ Zusammen mit der Stadt, der Wirtschaftsförderung und anderen Stellen sowie Unterstützern sei eine Immobilie nach der anderen saniert und modernisiert worden. „Gott sei Dank, es ist vieles schöner und besser geworden“, sagt Nalci. Aus dem „einstigen Schandfleck“ wird nach und nach ein Zentrum für Brautmoden: „Wir hatten Kunden aus ganz Europa hier.“ Mit den Brautmoden kommen Juweliere. Und Gastronomen beginnen sich am Marktplatz anzusiedeln. Nalci erinnere sich auch an organisierte Bettler, „denn die wussten, dass die Brautleute hier viel Geld in der Hand hatten“.
Dann wird Kenan Nalci von anderen Geschäftsleuten aufgefordert, ein organisiertes Netzwerk zu schaffen – die Geburtsstunde des OMMA. Und so findet Nalcis „Kampf gegen die Umgebung“ am 14. Juli 2014 seinen Höhepunkt. Zahlreiche türkische Geschäftsleute aus den G-, H-, J- und K-Quadraten treffen sich zur Gründungsversammlung: Vertreter von Baufirmen und Reisebüros, Schrotthändler, Juweliere, Modeverkäufer, Gastronomen, Gutachter, Reisebüros. Heute gehören dem Ortsverein mehr als 60 Mitglieder an, im Vorstand sitzen elf türkische Geschäftsleute. Seitdem kümmert sich Nalci neben dem Reisegeschäft ehrenamtlich auch um Parkplatzprobleme, Mülleimer, Bepflanzung von Blumenkübeln, Geruchsbelästigung und Verkehrsstaus.
Nalci sagt heute: „Wir sind Mannheimer.“ Dabei hat er noch keinen deutschen Pass. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2023 will er mitbestimmen und bis dahin Deutscher werden, kündigt er an. Das Café Journal werde er vermissen, aber er sei zuversichtlich, dass etwas wunderbares Neues dort entstehen wird.
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