Mannheim. Eigentlich ist es ein normaler Arbeitstag für den Polizisten aus der Dienstgruppe Drei. Sein Einsatzzug ist für die Kurden-Demo zuständig, die an diesem Montag durch die Mannheimer Innenstadt zieht. Doch plötzlich spricht ihn ein Fotograf auf sein Abzeichen an, lichtet mehrfach seine Uniform ab. Darauf zu sehen ist ein Eichenlaubkranz mit einer römischen Drei in der Mitte sowie zwei Handschellen.
Was das Abzeichen bedeutet, will der Fotograf wissen - und erhält keine Antwort. Auch, dass der Polizist kein Namensschild trägt, erwähnt das antifaschistische Recherche-Kollektiv „Antifa Report Pfalz“ später in seinem Post auf dem Nachrichtendienst Twitter. Denn das Kollektiv glaubt im Abzeichen eine andere Symbolik zu erkennen: Es ähnelt auf frappierende Weise dem Wappen der rechtsextremen Kleinpartei „Der Dritte Weg.“ Zwar finden die Aktivisten schnell heraus, was das sogenannte Patch wirklich bedeutet - mit Hilfe der Polizei Mannheim. Die antwortet über Twitter: Es handele sich um ein nicht offizielles Dienstwappen, die römische Ziffer stehe schlicht für die dritte Dienstgruppe. Die Abzeichen könne jeder online erwerben, auch mit den Buchstaben A bis F, sowie römischen Ziffern Eins und Zwei.
Heute begleitete ein Einsatzzug der Bereitschaftspolizei #Mannheim die kurdische Demo. Dabei trug ein einzelner Cop ein Abzeichen, das dem Logo der Nazi-Partei III. Weg ähnelt. Auf unsere Frage verweigerte dieser eine Auskunft über die Bedeutung dieses Abzeichens. pic.twitter.com/tZd6TZaez5
— Antifa Report Pfalz (@antifa_rp) September 1, 2020
Trotzdem ist „das Tragen privater Abzeichen ein Ausdruck vieler struktureller Probleme innerhalb der Polizei. Sei es nun überhöhter Korpsgeist, rechtsextreme Tendenzen, fehlende neutrale Ermittler bei Strafanzeigen gegen Polizistinnen und Polizisten oder völlig abwesende Einsicht in eine Kultur der Selbstreflexion“, erklärt das Kollektiv auf Anfrage. Was ist dran an diesem Vorwurf? Ist das Abzeichen nur ein kleines Detail, das mit rechtsextremistischer Symbolik eine klare Botschaft sendet? Oder doch nur ein Zeichen der Zugehörigkeit, die Ähnlichkeit zur Neonazi-Idologie nur ein unglücklicher Zufall? „Bislang hat niemand daran Anstoß genommen. Solche Abzeichen gibt es auch in anderen Bundesländern. Es ist bei uns zwar offiziell nicht zugelassen, wurde aber geduldet. Keiner in der Einheit hat sich beim Bestellen Gedanken gemacht, welche Irritationen das Patch auslösen könnte“, sagt Polizeigewerkschaflter Thomas Mohr. Der Vorsitzende der Mannheimer Bezirksgruppe der Gewerkschaft der Polizei, arbeitet seit 1990 in Mannheim im selben Einsatzzug wie der Abzeichenträger. Weil es laut polizeiinternen Vorschriften untersagt ist, unerlaubte Dienstwappen an der Uniform zu tragen, habe man ein Prüfverfahren eingeleitet, so das Polizeipräsidium Mannheim auf Anfrage.
Stickereien und Raben-Aufnäher
Für das Kollektiv steht fest: „Auch wenn in diesem Fall wahrscheinlich kein politischer Hintergrund vorliegt, gärt innerhalb der Polizei ein unsäglicher Korpsgeist.“ Konfrontiert mit diesem Vorwurf antwortet das Präsidium: „Das Vertrauen in die Polizei wird durch Offenheit, Transparenz des Handelns und Identifikation mit dem örtlichen Bereich gestärkt. Vor diesem Hintergrund ist das Tragen von Namensschildern ausdrücklich erwünscht.“ Andere Abzeichen könnten entsprechend der Leitlinien des Innenministeriums getragen werden.
Laut Kollektiv gibt es bundesweit ähnliche Vorfälle: Da wäre der SEK-Beamte, der mit einem Odin-Raben-Aufnäher bei einer linken Demo gegen Neonazis in Wurzen auffällt. Obwohl bei der sächsischen Polizei private Patches verboten sind. Eine Stickerei des SEK-Logos auf Sitzbezügen im sächsischen Panzer, die Kritiker an NS-Symbolik erinnerten. Oder die rechte Zeitschrift „Compact“, sichtbar von Beamten bei einer AfD-Demo in Jena ins Polizeiauto gelegt. „Immer öfter werden rechtsextreme Einstellungen innerhalb der Polizei mehr oder weniger offen zur Schau getragen“, schreibt die Antifa Report Pfalz im Post, und wirft den Polizeigewerkschaften vor, jegliche Kritik im Keim zu ersticken. Was treibt einen Polizisten dazu, verbotenen Abzeichen zu tragen? Antworten finden sich im Netz beim Hersteller der Patches. In der Produktbeschreibung heißt es: „Für die, die sich jeden Tag gemeinsam in ungewisse Situationen stürzen, bei Hitze und Kälte auf der Straße stehen und als Erster vor Ort sind.“ Die Bewertung zeigen, warum das Patch so gut ankommt: „Trage sie mit stolz auf meiner Überziehweste. Bin oft angesprochen worden. Nie negativ. Selbst mein Wachleiter lächelte. Schöne Sache, insbesondere die Geschichte und wofür sie stehen. Wir, der Wach- und Wechseldienst sind das Gesicht der Polizei. Immer die Ersten! Seid stolz darauf, was ihr täglich macht!“, schreibt ein Käufer.
Das Problem aber bleibt: Obwohl Mohr das Wappen der rechtsextremen Partei vorher nicht kannte, räumt er ein: Die Ähnlichkeit zwischen Abzeichen und der neonazistischen Symbolik ist nicht von der Hand zu weisen. Das könne die Polizei angreifbar machen und passe in die Debatte, ihr eine rechte Gesinnung und Rassismus zu unterstellen.
„Kein rechtes Gedankengut“
Trotzdem ist der Polizist aus Leidenschaft nach 35 Dienstjahren fest davon überzeugt: In der Polizei und „seinem“ Einsatzzug gibt es kein rechtes Gedankengut. „Wir haben Beamte und Beamtinnen mit türkischen, polnischen und irakischen Wurzeln.“ Rechtes Gedankengut suche man da vergeblich, schließlich würde das nicht zur multikulturellen Vielfalt in der Polizei passen. Für ihn und seine Kollegen markiere das Abzeichen lediglich eine Zugehörigkeit einer Einsatzgruppe, in der er nichts Schlechtes erkennt. Mohr erinnert sich daran, dass früher jede Dienststelle ein zugelassenes Regionalabzeichen getragen hatte.
Heute sieht das anders aus: „Wir wollen beim Polizeipräsidium eine gemeinsame Identitätsstiftung. Dass alle 45 Organisationseinheiten des Polizeipräsidiums eigene Abzeichen tragen, würde dies konterkarieren“, so Sprecher Christopher Weselek. Und der Abzeichenträger? Warum hat er die Bedeutung seines Patches nicht erklärt? „Er war sich unsicher, ob er überhaupt auskunftsbefugt gegenüber dem Fotografen ist.“
Abzeichen und Symbolik
- Symbole im Abzeichen: Laut Polizei ist eine Umrandung mit Eichenlaub nichts Unübliches. Sie ziert auch die Schulterabzeichen des Mannheimer Polizeipräsidenten. Die Handschellen stellen ein klassisches Einsatzmittel der Polizei dar.
- 1990 gab es laut Mohr beim Einsatzzug ein eigenes Abzeichen, mit dem Stadtwappen von Mannheim und dem Landeswappen. Heute gibt es ein offizielles Regional- und Verbandsabzeichen nur für das Polizeipräsidium Mannheim.
- Symbole der rechtsextremen Partei „Dritter Weg“: Die römische Drei steht laut eigenen Angaben für den „deutschen Sozialismus als dritten Weg neben Kommunismus und Kapitalismus. Das Eichenlaub stehe traditionell für Treue, Standhaftigkeit und Deutschland.
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