Mannheim. „Dreimal Döner wie immer.“ Das heißt: mit Putenfleisch, Knoblauch- statt Joghurtsoße und natürlich auch etwas „scharf“. Der Kunde will keine Experimente, sondern das, was ihm schon immer schmeckt. Neu ist hingegen die Antwort des Verkäufers: „Drei Döner, macht 19,50 Euro.“ Es ist laut an der Feudenheimer Hauptstraße. Der Lärm vorbeifahrender Fahrzeuge verschluckt immer wieder das eine oder andere gesprochene Wort. Hat er sich also verhört? Irritiert wandern die Augen des Kunden auf die große Preistafel über der Theke. Und dort steht es: Ein Döner Kebab kostet 6,50 Euro. Missverständnis ausgeschlossen. „Das ist ja viel. Krass!“, entfährt es dem Mann, als er einen 20-Euro-Schein aus dem Geldbeutel kramt.
Das beliebte Fast-Food-Gericht, das auch schon immer Menschen mit eher schmalerem Geldbeutel angesprochen hat, ist an vielen Verkaufsstellen in den letzten Monaten teurer geworden – nicht nur ein paar Cent, sondern teilweise mehrere Euro. Anfang November machte die Meldung die Runde, dass ein Frankfurter Kebab-Imbiss seinen Döner inzwischen für 10 Euro anbietet.

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Und wie ist die Lage in Mannheim? Ibrahim Ilik schüttelt den Kopf. „10 Euro, das geht nicht“, sagt der Betreiber des Vefa Restaurants in Q3. An einer Preiserhöhung kam aber auch er nicht vorbei. Sein Döner kostet seit ein paar Wochen 6 Euro – zuvor musste die Kundschaft viele Jahre lang nur 5 Euro dafür zahlen. Ilik hätte es auch gerne dabei belassen, aber aus unternehmerischer Sicht war das nicht möglich. Die Dönerzutaten seien im Einkauf im Durchschnitt „rund 30 Prozent teurer geworden“, erzählt er.
Besonders hart trifft ihn eine Ankündigung seines Energieanbieters: Die Gaspreise steigen um mehr als das Doppelte. Und auch bei seinen Kunden spürt der Gastronom die Auswirkungen des Preisanstiegs: „Wenn Familien ihre Kinder vor dem Laden weiterziehen, weil sie sich den Döner nicht mehr leisten können, dann tut das schon weh“, berichtet er mit einem traurigen Blick aus dem Fenster.
Teurerer Döner - Kundschaft reagiert unterschiedlich
Solche Erfahrungen musste Yasar Erdal bisher nicht machen. Der Inhaber des Symirna-Ladens in Wohlgelegen bietet seinen Döner bisher für 5 Euro an – bisher. „Das bringt leider nichts, ich muss den Preis anheben“, erklärt er. Anhand zweier Beispiele will Erdal deutlich machen, wie steigende Ausgaben ihn unter Druck setzen: „Früher habe ich für eine Kiste Tomaten 4 Euro bezahlt, heute sind es 8 Euro. Der Einkaufspreis für Joghurt liegt aktuell bei 23 Euro, früher waren es 13 Euro.“
Die Folge dieser Teuerungen: In den nächsten Tagen wird auch beim Feinkostenladen Symirna der Kebab für 6 Euro angeboten. Welche Auswirkungen das haben wird, ist noch unklar. „Ich will es auf jeden Fall nicht übertreiben“, sagt Erdal bezüglich weiterer möglicher Preisanhebungen.
Nun also 6,50 Euro für einen Kebab. „Manche Kunden sind überrascht und reagieren sauer, wenn sie vom neuen Preis erfahren“, erzählt Zübeyde Pektas. Zusammen mit ihrem Mann Kemal betreibt sie in der Feudenheimer Hauptstraße den Traum Imbiss. An einem kalten Wintertag steht Zübeyde Pektas auf dem Gehweg und zählt auf, mit welchen Nachrichten sie in den letzten Monaten konfrontiert worden sind. „Allein unser Fleischlieferant hat seit August dreimal die Preise angehoben.“ Auch das Mehl sei teurer geworden, ebenso die Waren im Großmarkt.
Die erhöhten Ausgaben müssen irgendwie gedeckt werden. Also haben die Pektas vor einigen Wochen entschieden, ihr Lieblingsprodukt nicht mehr für 5,50 Euro anzubieten. „Wer sich wundert, dem erklären wir die Preissteigerung“, sagt Zübeyde Pektas. Viele Gäste könnten den Schritt nachvollziehen – jedoch nicht alle.
Die Schmerzgrenzen der Mannheimer beim Dönerpreis
Ruken Kocabey und Adnan Altintas, die einen Tagesausflug nach Mannheim machen, würden für einen Döner keine zehn Euro zahlen. „Man verzichtet schon mal darauf, weil es so teuer geworden ist“, sagen die beiden Odenwälder. Die Schmerzgrenze von Adnan liegt bei 8 Euro, Ruken möchte ungern mehr als 5 Euro für einen Döner zahlen. Auch Emre Güngör geht wegen der gestiegenen Preise seltener Döner essen. Für den Mannheimer Studenten sind 10 Euro „zu viel für einen Döner“. Die Heidelbergerin Sema Erden, die ebenfalls in Mannheim studiert, zieht ihre persönliche Grenze bei einem Dönerpreis von 9 Euro.
Was sagt ein Experte zu dem Preisanstieg? Der Soziologe und Journalist Eberhard Seidel, der sich seit 35 Jahren mit dem aus der türkischen Küche stammenden Gericht beschäftigt, kann die Preiserhöhung nachvollziehen. Für ihn wurde der Döner in den letzten Jahrzehnten oft zu billig verkauft – was dann auch Auswirkungen auf die Qualität hatte. „Das war nur möglich, weil in der Branche niedrige Löhne gezahlt und viele Döner-Imbisse als Familienbetriebe geführt wurden. Da gab es dann keinen Stundenlohn, sondern ein Familieneinkommen“, erklärt der Experte im Gespräch. Die Erhöhung des Mindestlohns, der seit Oktober bei 12 Euro pro Stunde liegt, ist laut ihm einer der Gründe für steigende Dönerpreise. Dazu komme die Inflation und die damit verbundenen Mehrausgaben für Lebensmittel sowie Mieterhöhungen, die besonders Läden in Innenstädten betreffen.
Der Anstieg der Energiepreise schlägt bei Kebab-Restaurants besonders zu Buche: „Der Döner ist ein sehr energieintensives Essen. In der Fabrik wird der Dönerkegel für den Transport schockgefroren. Die Zubereitung am Gasgrill erfordert dann eine ständige Gaszufuhr, was natürlich mit einem hohen Energieaufwand verbunden ist“, so Seidel.
Nicht zuletzt wirken sich laut dem 66-Jährigen auch die Folgen der Corona-Pandemie auf die Dönerpreise aus. Viele Menschen gehen in der Mittagspause oder nach dem nächtlichen Clubbesuch noch bei einem Döner-Imbiss vorbei – Gelegenheiten, die sich während Lockdown und Home-Office nur selten ergaben. „Die Pandemie hat der Dönerbranche in den letzten Jahren einen größeren Umsatzrückgang eingebracht. Bei vielen Restaurants geht es nun schlichtweg ums Überleben“, berichtet Seidel.
Döner-Experte Eberhard Seidel
- Eberhard Seidel ist ein deutscher Soziologe, Journalist und Publizist. Gemeinhin wird er als Döner-Experte bezeichnet, da er sich seit gut 35 Jahren mit dem türkischen Gericht beschäftigt.
- In den Jahren 1996 und 2022 veröffentlichte er Bücher über die Geschichte des Döners in Deutschland. Sein aktuelles Sachbuch trägt den Titel „Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte“ (257 S., 20 Euro, März-Verlag).
- Sein Interesse am Döner entstand schon früh: 1988 hat er die erste Reportage über den Döner Kebab und dessen Entstehungsbedingungen für ein Berliner Stadtmagazin geschrieben.
- In den folgenden Jahren hat er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, da sich anhand des Döners laut ihm die Geschichte der Einwanderung aus der Türkei und die Veränderung von Deutschland durch Migration erzählen lässt. jes
Doch auch der Döner-Experte hat eine persönliche Schmerzgrenze, was den Preis angeht: „Bei 10 Euro ist für mich schon eine Grenze erreicht. Allerdings kommt es mir auch sehr auf die Qualität an – für gutes, regionales Dönerfleisch bin ich auch bereit, etwas mehr zu zahlen.“ Dass nicht jeder in Deutschland die Möglichkeit hat, mehr für seinen Döner auszugeben, bereite ihm Sorgen. Gerade in finanzschwachen Kreisen sei er sehr beliebt, „doch im Gegensatz zu den Dönerpreisen sind Sozialhilfen und Löhne nicht stark angestiegen“. Die Preise unbegrenzt in die Höhe zu treiben, wird in Seidels Augen nicht möglich sein: „Der Döner kommt unter Druck.“
Ähnlich sehen das die Pektas. Die beiden wissen, dass sie und viele weitere in der Branche sich auf einem schmalen Grad befinden. Steigende Ausgaben zwingen die Besitzerinnen und Besitzer von Döner-Restaurants und -Imbissen, die Kosten an ihre Kundschaft weiterzugeben. Doch bis zu welchem Preis geht das gut? Ab wann entscheiden sich die Leute gegen den Kauf eines Kebabs? Zübeyde Pektas zuckt die Schultern. Eine einfache Antwort gibt es auf solche Fragen natürlich nicht. Klar ist aber: Die Entwicklung macht ihr Sorgen. „Man kann sehr leicht Existenzängste bekommen“, sagt sie.
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