Coronavirus

"Dieses Jahrzehnt ist einfach beschissen": Welche Spuren Corona und der Ukraine-Krieg hinterlassen

Von 
Eva Baumgartner
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Zwei Jahre Pandemie - und jetzt der Krieg in der Ukraine. Für viele fühlt sich das wie eine dunkle Zeit an. Doch ist bereits etwas Licht am Ende des Tunnels erkennbar? © sdominick/iStock

Das Wichtigste in Kürze

    • Schon vor einem Jahr haben uns junge Menschen und Erwachsene erzählt, was die Corona-Pandemie mit ihnen macht. Jetzt haben wir erneut nachgefragt: Wie geht es ihnen heute? 
    • In die Belastungen durch die Pandemie mischen sich die Sorgen und Ängste, die der Ukraine-Krieg auslöst.
  • Die Auswirkungen sind teils dramatisch, teils gibt es eine vorsichtige Rückkehr zur Normalität. Doch bei allen haben die vergangenen Jahre Spuren hintelassen.

Und das sind die Erfahrungen: 

Sophie (16 Jahre) - fühlt sich traurig und hat Angst

Christoph (18 Jahre) - will ein Studium anfangen

Julia (42 Jahre) - hat vom Bildungssystem die Nase voll

Gerd (55) - hat wegen 24/7 Homeoffice den Job gewechselt

Carla (13 Jahre) - vermisst Klassenfahrten

Lore (84 Jahre) - denkt gerade häufig an den Zweiten Weltkrieg

Julian (19 Jahre) - hat nervlich keine Kapazitäten mehr

Clara (15 Jahre) - ist die Schule völlig egal

Maria (13 Jahre) - ist der Kontakt zu Freunden wichtig

Louisa (13 Jahre) - für sie ist Corona kein Thema mehr

Emily (15 Jahre) - hat Depressionen bekommen

Kathrin (35 Jahre) - ist trotz Burnout wieder im Hamsterrad

Tanja (46 Jahre) - ist vom deutschen Schulwesen schockiert



Sophie (16 Jahre) - fühlt sich traurig und hat Angst

Mit Corona müssen wir jetzt schon zwei Jahre leben. Die Angst, Corona zu bekommen, ist jedoch immer noch so groß wie am Anfang. Man kommt Fremden, Bekannten und manchmal Freunden nicht näher als eineinhalb Meter.

Es ist fast schon normal geworden, mit Corona zu leben. Aber jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, wie es vor Corona war, wenn ich Bilder sehe, wie ich mit meinen Freunden oder meiner Mannschaft Arm in Arm zusammenstehe, macht es mich sehr traurig. Ich frage mich, wann ich endlich wieder ohne schlechtes Gewissen und Angst den Menschen nahe kommen kann.

Obwohl ich geboostert bin, habe ich Angst, mich mit Corona zu infizieren, da Corona auf die Lunge geht und Sport in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle spielt. Wenn ich mir vorstelle, nicht mehr richtig Fußball spielen zu können oder Sport zu machen, wird es mir echt bange. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Lunge nicht mitmacht, weil ich Asthma hatte. Ich habe so lange an meiner Ausdauer gearbeitet und meine Lunge trainiert. Jetzt habe ich eine höhere Lungenkapazität als der Durchschnitt der Mädchen in meinem Alter.

Wenn ich daran denke, dass Corona das alles zerstören könnte, bekomme ich eine riesen Angst.

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Christoph (18 Jahre) - will ein Studium anfangen

Letztes Jahr um diese Zeit habe ich Abitur gemacht. Die Zeit danach hat sich fast normal angefühlt, wir hatten einen Abiball und einen guten Sommer. Ich war mit Freunden im Urlaub, und wir konnten uns ohne große Einschränkungen treffen. Da ich mich habe impfen lassen, musste ich mich auch den Winter über, als vielerorts 2G galt, nicht besonders einschränken. Trotzdem war und bin ich immer noch vorsichtig, weil die Impfung ja doch keinen hundertprozentigen Schutz bietet.

Zum Sommersemester fange ich ein Studium an. Darauf freue ich mich. Den Krieg in der Ukraine finde ich schrecklich. Ich bin schockiert, wie schnell Putin das Land angegriffen hat, wie gnadenlos er vorgeht und wie er sein Volk belügt. Es ist beeindruckend, wie die Ukrainer sich gegen Russland wehren.

Ich hoffe, der Krieg endet bald und Putin wird für das, was er getan hat, bestraft.

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Julia (42 Jahre) - hat vom Bildungssystem die Nase voll

Zwei Jahre Pandemie und wir sind so schlau wie zuvor. . . Dies gilt zumindest im schulischen Bereich. Zwei Jahre Anstrengungen, das Gymnasium, das meine 13-jährige Tochter besucht, zuerst digital, dann in der Kompensation verpassten Schulstoffs zu unterstützen. Zuletzt scheiterte man als Elternteil daran, einheitliche Verfahrensweisen bei der Vermittlung von Unterrichtsinhalten in Quarantänezeiten anzustoßen. Denn nach wie vor fühlt sich das Gymnasium nicht verpflichtet, gesunde Schülerinnen und Schüler in Quarantäne ordentlich zu beschulen. Stattdessen reiche es doch laut der Schulleitung völlig aus, den gesamten Schulstoff über Freunde und Freundinnen an das Kind in Quarantäne weitergeben zu lassen. Das nenne ich mal qualitativ hochwertigen Unterricht! Ideen der Elternseite, die jeweiligen Tafelbilder in das vorhandene virtuelle Klassenzimmer hochzuladen, um wenigstens ein Grundgerüst des erarbeiteten Stoffs zu bieten, wurden umgehend abgelehnt.

Man merkt, dass Frust, Verärgerung und eine ordentliche Portion Zynismus in meinen Bericht einspielen. Diese haben sich leider im Umgang der Schule mit den Herausforderungen der Pandemie eingestellt.

Es gibt so viele Schulen, die engagiert arbeiten und erfolgreich komplett neue Wege beschritten haben. Schade, dass dies nicht für alle Schulen gilt…

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Wegen Homeoffice hat Gerd den Beruf gewechselt (Symbolbild). © Geber86/iStock

Gerd (55 Jahre) - hat wegen 24/7 Homeoffice den Job gewechselt

Im letzten Jahr hat sich viel getan. Lockdown-Regeln haben wir gewechselt wie kaum benutze Unterwäsche. Freunde (geimpfte und ungeimpfte) haben sich mit Corona angesteckt, einige hat es schlimmer getroffen als andere. Die Freundschaften sind geblieben, das war mir wichtig. 24/7 Homeoffice habe ich gegen alle meine Erwartungen nicht gut vertragen. Ich habe gekündigt und mir einen neuen Job gesucht. Jetzt treffe ich ab und an neue Kollegen in Persona. Das ist viel wert. Ich schätze, wenn ich beim Restaurantbesuch vorher kontrolliert werde, gibt mir das ein subtiles Gefühl der Sicherheit. Ist das schon Esoterik? Schule, Uni und Beruf in Präsenz oder online wird gemacht, wie es gerade gefordert wird.

Und ich umarme wieder!

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Carla (13 Jahre) - vermisst Klassenfahrten

Mir geht es eigentlich ganz gut. In der Schule läuft vieles wieder ganz normal. Das Tragen der Maske ist nicht schlimm. Schade war, dass wir nicht wie geplant auf Klassenfahrt gehen konnten und auch sonst nette Dinge wie Ausflüge zu kurz kommen. Seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat, reden wir im Unterricht viel darüber. Ich finde es blöd, was dort passiert, habe aber selbst keine Angst. An unserer Schule gab es einen Spendenlauf für die Ukraine, das finde ich gut, da habe ich auch mitgemacht.

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Lore (84 Jahre) - denkt gerade häufig an den Zweiten Weltkrieg

Wir leben jetzt seit zwei Jahren in der Pandemie, alle meine Kinder und Enkelkinder sind geimpft und geboostert. Schule und Sport finden inzwischen wieder statt. Angesichts dieses völlig unnötigen Krieges, den der Aggressor Putin auf die Ukraine gestartet hat, rückt Corona völlig in den Hintergrund. Im Moment denke ich selbst, weil ich 1938 geboren bin, an meine Kindheit, an den Zweiten Weltkrieg. Ich habe noch alles vor Augen, den Verlust des Vaters, unsere nächtlichen Wege in den Luftschutzkeller, das Sirenengeheule. Ich habe Söhne und mache mir große Sorgen, dass sich das Schicksal wiederholen könnte.

Seit fast 80 Jahren hatten wir Frieden, warum lässt uns Putin nicht in Ruhe, was will er noch alles?

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Julian (19 Jahre) - hat nervlich keine Kapazitäten mehr

Ein weiteres Jahr später hat sich die Lage für mich zumindest verändert. Ob man von Besserung sprechen kann, ist fraglich. Ich darf mich aber endlich wieder mit Freunden treffen, und genau das mache ich, so oft es geht. Dass direkte Treffen wieder erlaubt sind, stellt eine unglaubliche Erleichterung dar und macht den Alltag ein ganzes Stück angenehmer.

Ich gehe mittlerweile studieren und habe mein erstes Semester hinter mir. Von Corona war dabei recht wenig zu bemerken. Ich konnte alle Veranstaltungen in Präsenz besuchen, gleichzeitig wurden die Vorlesungen online gestreamt. Dies hat den Vorteil, dass man nicht alles verpasst, wenn man mal krank ist, da man den Stoff online nachholen kann. Ich bin beeindruckt, dass an der Universität ein Livestream für 400 Leute eingerichtet werden kann, während Schulen aufgrund der mangelnden Ausstattung nicht mal einen Online-Unterricht für 26 Schüler zustande bringen. Hier wird das „Kaputt-Sparen“ der Schulen sehr deutlich, es muss sich unbedingt etwas ändern.

Dieses Jahrzehnt ist bisher einfach beschissen. Anders kann man es gar nicht formulieren.
Julian 19 Jahre

Mittlerweile hat eigentlich alles wieder geöffnet und als jemand, der geboostert ist, kommt man auch theoretisch problemfrei überall rein. Das heißt jedoch nicht, dass das auch eine gute Idee ist. Ich war immer noch nicht wieder in einem Club, da das Risiko einer Infektion für mich zu hoch ist. Dies sehe ich zum Beispiel sehr deutlich bei meinen Freunden, die quasi direkt nach einem Club-Besuch positiv getestet waren. An mir ist Corona glücklicherweise bisher vorbei gezogen. Vielleicht zeigt das, dass Schulen und Universitäten keine Träger der Pandemie sind und eine derart strenge Schließung übertrieben war.

Und als wir alle geglaubt haben, dass wir das mit Corona hinbekommen könnten, hat sich das Jahr 2022 die nächste Überraschung ausgedacht: den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Was so knapp vor unserer Haustür passiert, ist Dauerthema in den Medien geworden. Man hört permanent Meldungen über Grausamkeiten, und mittendrin versucht man, sich ein Bild zu machen, was genau es bedeutet, dass wir wieder Krieg in Europa haben.

Ein Krieg in unserer Nähe ist beängstigend, jedoch finde ich das Getue, als hätte es vorher keine Kriege gegeben und die Lage in der Ukraine sei „neu“, ein wenig peinlich. Menschen aus Syrien, Somalia, Afghanistan und vielen anderen Ländern auf der Welt leben schon sehr lange mit dem Krieg. Und die Leute schienen hier immer wegzuschauen, als ob der Krieg davon verschwinden würde. Jetzt können wir das nicht mehr. Es ist gar keine Frage, ein Krieg so unmittelbar in unserer Nähe ist beängstigend und baut enormen psychischen Druck für viele auf. Dieser addiert sich zum anhaltenden Druck der Corona-Pandemie, und für viele wird die Situation so noch viel schwerer werden.

Ich versuche, mich etwas auf mich selbst zu fokussieren. Das mag egoistisch und ignorant klingen, jedoch ist das ganze Außenrum mir und vielen meiner Freunde zu viel geworden. Ich habe mich die letzten Wochen auf meine Klausuren fokussiert und viel Zeit mit Lernen verbracht. Natürlich darf man die aktuelle Situation nicht vergessen, jedoch habe ich in der Klausurenphase nervlich keine Kapazitäten mehr, über die Auswirkungen eines Krieges und damit zusammenhängende zerstörte Schicksale zu lesen.

Was die Pandemie angeht, ist einiges besser geworden, jedoch darf man nicht vergessen, dass Corona mit den Regulierungen nicht einfach magisch verschwindet. Auch wenn wir alle auf ein wenig „Entspannung“ gehofft haben, lässt dies die aktuelle Situation einfach nicht zu. Dieses Jahrzehnt ist bisher einfach beschissen. Anders kann man es gar nicht formulieren. Und ich hoffe für alle, die darunter leiden, allen voran die ukrainische Bevölkerung, dass sie alles gut durchstehen.

Kein Mensch sollte derartige Grausamkeiten durchleben.

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Clara (15 Jahre) - ist die Schule völlig egal

Für mich hat sich nichts verändert. In der Schule gab es keine Unterstützung, alles nachzuholen, als es wieder losging. Viele Lehrer ruhen sich weiter aus, wie sie es auch im Homeschooling gemacht haben. Ich kann mich nicht motivieren. Mir ist die Schule völlig egal. Ich muss sie irgendwie fertig kriegen, weil meine Eltern das wollen, lege mich aber nicht ins Zeug. Ich mache das Allernötigste. Was ich später mal machen soll, weiß ich nicht. Aber echt jetzt: Ich habe eh das Gefühl, dass es sinnlos ist, sich darüber Gedanken zu machen.

Seit Corona und jetzt mit dem Krieg interessiert es keinen mehr, was mit dem Klima passiert, wo wir mal später leben sollen. Jeder denkt nur an sich.

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Maria (13 Jahre) - ist der Kontakt zu Freunden wichtig

Ich bin froh, dass die Schule normal läuft und kein Homeschooling mehr ist. Mit den Auflagen, die dazu gehören, habe ich keine Probleme. Der Krieg in der Ukraine erschreckt mich, auch wenn er irgendwie doch weit weg ist.

Die Schule ist aber im Moment das Wichtigste – mit allem, was dazugehört – und der Kontakt zu meinen Freunden.

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Louisa (13 Jahre) - für sie ist Corona kein Thema mehr

Mir geht es momentan gut. Die Schulzeit ist wieder normal geworden, und ich darf wie früher jeden Tag in die Schule. Das finde ich sehr gut, da ich endlich wieder jeden Tag meine Freunde sehe. Das Zirkus-Training hat mir sehr gefehlt, aber jetzt können wir endlich wieder normal Training machen. Wir haben sogar dieses Jahr wieder einen Auftritt (wenn alles klappt). Ich finde es sehr schön, dass man bei schönem Wetter viel rausgehen kann. Aber es gibt auch Dinge, die mich beschäftigen, wie der Krieg in der Ukraine. Auch wenn ich keine Leute kenne, die in der Ukraine wohnen, ist der Krieg etwas, was mich sehr bewegt. In der Schule beten wir für die ganzen Menschen, die dort leben. Ich hoffe, alles wird wieder gut und der Krieg geht vorbei. Corona ist momentan nicht wirklich ein Thema, da ich die Corona-Regeln gewohnt bin.

Hoffentlich wird im Sommer die Inzidenz weniger und wir können wieder mehr Dinge unternehmen, so wie früher.

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Emily würde am liebsten ihr Zimmer nicht mehr verlassen (Symbolbild). © bunditinay/iStock

Emily (15 Jahre) - hat Depressionen bekommen

Nach dem ersten Corona-Jahr habe ich mich mitten im Homeschooling und in einer Welt, die mich komplett überforderte, wiedergefunden. Jetzt merke ich, dass die ewig lange Zeit schwere Spuren in meinem Inneren hinterlassen hat. Nicht nur allein die Folgen von Corona (Homeschooling) belasten mich, sondern auch das Wissen, dass unsere Welt seit ganzen zwei Jahren kopfsteht.

Das erste Jahr Corona habe ich noch relativ gut überstanden, aber letztes Jahr hatte ich mit allem schwer zu kämpfen und habe Depressionen bekommen, die sich heute auch noch sehr stark bemerkbar machen. Auch wenn ich in Therapie bin und in der Schule von sehr netten Beratungslehrerinnen begleitet werde, schränkt es mich in meinem Alltag sehr stark ein. Vor allem Präsentationen in der Schule oder Gruppenspiele fallen mir sehr schwer. Das Schlimmste daran ist, dass ich einfach nicht daran vorbeikomme, ohne sämtlichen Lehrern und Lehrerinnen von meinen privaten Problemen zu erzählen. Ich hasse es, unter Menschen zu gehen, würde mich am liebsten in meinem Zimmer einsperren und nie wieder raus gehen. Meine mündlichen Noten werden immer schlechter, weil ich es hasse, etwas zu sagen und dann alle Blicke in meinem Rücken spüre.

Auch beim Sport, in dem ich eigentlich für ein paar Minuten allem entfliehen und mich entspannen könnte, belasten mich diese schlechten Gedanken und Panikattacken. Das macht mich wütend, dass ich jetzt nicht mal mehr in meinem Sport Ruhe und Entspannung finde. Ich bin müde und erschöpft vom Leben, das ich jetzt schon seit zwei Jahren mitmachen muss. Am liebsten würde ich die Welt anhalten, aus dem Karussell aussteigen und einfach ganz weit von Corona weg sein, um einmal atmen und aus dem Herzen lächeln zu können.

Dazu kommt jetzt auch noch der Krieg. Ich bin so sauer auf diesen Menschen namens Wladimir Putin, der nichts Besseres zu tun hat, als Städte zu zerbomben und Menschen ihr Zuhause zu nehmen. Ich habe keine Angst, dass ein Weltkrieg ausbrechen würde, aber es ist doch ein sehr komisches Gefühl, zu wissen, dass es einfach einen großen Krieg gibt, mitten in Europa, nicht allzu weit entfernt von Deutschland.

Ich hoffe einfach, dass es einfach bald wieder normal ist und ich mein altes Leben ohne diese innere Belastung ausleben darf und dass ich den inneren Krieg gegen die schlechte Gedanken gewinne und die nächsten Monate mit Corona, dem Krieg und der ungewissen Zukunft gut überstehen kann.

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Kathrin (35 Jahre) - ist trotz Burnout wieder im Hamsterrad

Was inzwischen passiert ist? Viel! Ich war ja schon nach einem Jahr Corona am Limit. Als berufstätige Mutter war ich lange mit der ganzen Familie daheim, habe neben dem Job noch mehr Haushalt machen müssen. Im zweiten Jahr bin zusammengebrochen, Burnout. Dann hatte ich eine Pause, war in einer Kur, das hat mir gutgetan, aber ich kann nicht den Job hinschmeißen, wir brauchen das Geld. Deshalb bin ich wieder drin im Hamsterrad.

Ich müsste mich vierteilen können. Ich glaube, das ist das Schicksal vieler berufstätiger Mütter. Corona hat es schlimmer gemacht.
Kathrin 35 Jahre

Klar, jetzt sind zumindest die Kinder wieder in der Schule, aber mein Mann und ich sitzen noch immer zuhause am Schreibtisch. Und wegen Corona waren auch die Kinder teilweise dann doch wieder zuhause in Quarantäne. Ich muss mir Pausen nehmen zwischendurch, mich auf mich konzentrieren, haben sie mir gesagt. Aber wie soll das gehen? Die Kinder kommen in der Schule nicht mehr so gut klar, sie müssen mehr lernen, nichts wurde nachgeholt. Als ich in Kur war, hatte mein Mann Hilfe zuhause, jetzt bin ich wieder da. Ich habe keine Hilfe. Und mein Mann sagt, er hat keine Zeit. Ich müsste mich vierteilen können. Ich glaube, das ist das Schicksal vieler berufstätiger Mütter.

Corona hat es schlimmer gemacht.

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Tanja (46 Jahre) - ist vom deutschen Schulwesen schockiert

Wie es uns jetzt geht? Unsere Kinder gehen wieder zur Schule, der normale Rhythmus und Alltag tut jedem gut. Die lange Phase des Homeschoolings ist aber nicht spurlos an uns vorbei gegangen.

Den Kindern ist es unangenehm, mit Erkältung in die Schule zu gehen, weil sie ängstliche Blicke zugeworfen bekommen, wenn sie sich die Nase putzen oder husten. Es haben sich mehrere Fehltage ergeben, an denen meine Kinder nicht wirklich krank waren, aber den Unterricht deshalb nicht besuchen wollten. Ich als Mutter reagiere ungehalten, wenn meine Kinder zuhause sind, weil ich seit dem Homeschooling keinen Unterricht nacharbeiten möchte und das Organisieren nicht immer ganz leicht ist. Daher hatte ich große Angst davor, was passiert, wenn wir Corona bekommen und in die Isolation müssen oder meine ungeimpfte, mittlere Tochter gegebenenfalls mehrfach in Quarantäne gehen muss. Ich habe deshalb in der Schule nachgefragt, wie sie plant, die Kinder in Isolation und Quarantäne zu beschulen, denn laut Ministerium haben Kinder in Quarantäne ein Recht auf Distanz-Unterricht. Ich erfuhr, dass das Konzept darin besteht, dass Schüler in Eigenverantwortung ihren betroffenen Mitschülern den Lernstoff übermitteln, ohne Unterstützung von Lehrern oder Schule. Der Schulelternbeirat sieht hier auch kein Problem, schließlich wären die Kinder nur einige Tage in Quarantäne/Isolation und man könne es Mitschülern zumuten, den Stoff transparent zu übertragen. Daraufhin fragte ich beim Schulamt nach, was unter Distanz-Unterricht zu verstehen ist. Die Antwort lautete, dass die Kinder zwar ein Recht darauf hätten, es aber keine Richtlinien gebe, wie das zu gestalten wäre. Dass Schüler das Material übermitteln, sei durchaus gängig.

Das hat Reporterin Eva Baumgartner bei der Recherche erlebt



Der Kontakt unserer Reporterin Eva Baumgartner zu den Eltern und Jugendlichen des Beitrags entstand schon vor mehr einem Jahr, als sie erstmals zum Thema Jugendliche in Corona-Zeiten berichtete: "Als Redakteurin ist man ja immer im Gespräch mit Menschen, auf Terminen oder gerade im Lockdown auch telefonisch", sagt Eva Baumgartner. "Immer dann, wenn ich von meinem Thema gesprochen habe, von den Problemen Jugendlicher in diesen Zeiten, wollten die Menschen etwas beisteuern, der Redebedarf war groß. Manche öffneten sich dann auch persönlich, gerade in so schwierigen Zeiten wie der Pandemie - und viele sind gern der Bitte gefolgt, anonym ihre Geschichte zu erzählen."

Die Kontakte zu den Jugendlichen sind dann meist über deren Eltern entstanden. "Diese Jugendlichen haben dann wiederum den Kontakt zu anderen jungen Leuten hergestellt. Wegen der Corona-Lage wollten wir uns erst auf einem Mannheimer Spielplatz treffen, haben dann aber doch alles per Telefon, Mail oder Videoanruf geregelt."

Einige Gespräche kamen auch durch den Online-Blog des Mannheimer Morgen "Zwangsauszeit" zustande, den die Autorin seit über zwei Jahren täglich schreibt. Hier gab es im Laufe der Pandemie ebenfalls viele persönliche Rückmeldungen: "Vielleicht auch deshalb, weil ich in diesem Blog selbst sehr persönliche Dinge berichte. Ich denke, da fällt es vielen Menschen auch leichter, von sich zu sprechen. Ich hatte das Gefühl, dass es den Leuten gut getan hat, den Ballast abzulassen."

Nach einem weiteren Corona-Jahr entstand nun die Idee, mal nachzufragen, wie es den Gesprächspartnern inzwischen geht. Und alle waren bereit, nochmals ihr Innerstes nach außen zu tragen und zu erzählen, was sich für sie verändert hat.

Das Bild unserer Reporterin mit ihrer Familie entstand zum Start in den Lockdown im März 2020: Julius, Eva, Sebastian, Liv, Lorenz und vorne Florian Baumgartner. Zum Haushalt gehören auch ein Kater, ein Hund und eine Schildkröte. Inzwischen sind zwei Kinder den Eltern über den Kopf gewachsen.

Mich schockiert das deutsche Schulwesen. In zwei Jahren wurde es nicht geschafft, ein für alle Lehrer verbindliches Konzept zu erarbeiten, um den Kindern den Lernstoff in Phasen von Isolation oder Quarantäne zu vermitteln. In der Praxis heißt Distanzunterricht nichts anderes, als dass Arbeitsblätter zu Hause abgegeben werden. Kein Wunder, dass die Bildungsschere immer weiter auseinandergeht, denn hier werden Schüler komplett alleine gelassen, und nicht alle Kinder können Stoff selbstständig aufarbeiten.

Letzte Woche wurden meine ungeimpfte Tochter und ich positiv getestet. Und die Schülerin, die ihr die Hausaufgaben bringen sollte, ebenfalls. Wir mussten uns selbst organisieren, von anderen Schülern die Hausaufgaben besorgen. Die kranke Freundin schrieb eine Klassenkameradin an und bekam zur Antwort, sie hätte keine Lust, ihr Hausaufgaben zu bringen, und es wäre ihr egal, ob sie den Lernstoff erhält. Solche Erfahrungen sind das i- Tüpfelchen, wenn man in Isolation steckt. Das Thema Homeschooling zieht sich also noch immer wie ein roter Faden durch den Schulalltag. Der nächste Herbst kommt, und ich sehe nicht, dass die Schulen vorbereitet sind.

Jetzt ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen. Die ersten Tage haben wir am Fernseher verfolgt, was in der Ukraine vor sich geht. Unsere Kinder (8,12,15) sind erschüttert, dass so etwas in ihrer Welt passieren kann. Sie haben von ihrem Taschengeld gespendet, Kleider rausgesucht. Gegen den Krieg können wir nichts tun, aber dazu beitragen, dass die Kinder, die nun in unseren Schulen mit unterrichtet werden, gut aufgenommen und schnell integriert werden. Gegen das, was diese Menschen ertragen, ist mein Problem mit dem Schulsystem natürlich lächerlich. Dennoch würde ich mich freuen, wenn das Kultusministerium dafür sorgen würde, dass die Schulen ein für die Schüler vorteilhaftes Konzept erstellen würden. Es geht hier nicht um Eltern oder Lehrer, sondern um die Schüler. Darum, dass sie den Stoff während Corona oder Isolation gut aufarbeiten können.

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Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.

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