Unterschiedlicher hätten die Helden seiner Kindheit kaum sein können. Doch wenn Felix Stass über sich, über sein Leben erzählt, beginnt die Geschichte bei seiner Oma und der Band Kiss. Bei seiner Oma, weil sie ihn am Wochenende immer mit leckerem Essen verwöhnte und dem achtjährigen Felix immer ein "Hockerle" an den Herd schob, damit er auch in die Kochtöpfe linsen konnte. Bei Kiss, weil die Musiker mit ihren Kostümen und ihrer Maskierung aussahen wie Superhelden, etwas düstere, aber verdammt coole Superhelden. "Ich wollte früher entweder Koch oder Rockstar werden", sagt der Mannheimer. Und da er sich nie so richtig entscheiden konnte, wurde er einfach beides. "Also Koch und Musiker", fügt er schnell hinzu, um das Wort "Star" zu relativieren und lacht.
200 Schnitzel in einer Schicht
Felix Stass ist Koch im Restaurant Maffenbeier in Ludwigshafen und seit über zwanzig Jahren Mitglied der Gothic-Metal-Band Crematory. Es ist 17 Uhr, nach gut 200 gebratenen Schnitzeln ist seine Schicht zu Ende und Stass nimmt auf einer der Holzbänke des Restaurants Platz. Er trägt Schwarz, wie immer. "Ist ne schöne Farbe und kaschiert." Der 42-Jährige grinst und streicht über sein gewölbtes T-Shirt.
Um seine Unterarme winden sich Tattoos, Teile eines "kompletten Anzugs", wie Stass sagt. Seine Stimme klingt überraschend warm - kein Vergleich zu der Stimme, die er für Crematory tief aus seinem Bauch holt, über die Kehle raspeln lässt und mit dunkler Wucht dem Publikum entgegendrückt. "Grunt" nennt sich das im Fachjargon, direkt übersetzt: "Grunzen".
In die Musik, erzählt Stass, sei er einfach reingewachsen. Von Kiss und Hard Rock kam er zu Heavy, Death und Trash Metal, sein Geschmack wurde dunkler und härter. "Ich mag die Energie der Musik." Er brachte sich selbst das Gitarrespielen bei und gründete 1988 seine erste eigene Band. Anfang der 90er-Jahre stieg er als Sänger bei Crematory ein. Bereits die erste Demo-Aufnahme wurde ein Erfolg, es folgte der erste Plattenvertrag, die erste Tour. "Das ging unglaublich schnell alles. Wir waren eine der ersten Bands im härteren Bereich, die Keyboardmelodien eingebaut haben. Damit haben wird einen Nerv getroffen."
Doch für die Bandmitglieder blieb die Musik zunächst ein Hobby. Mit 13 Jahren hatte Stass sein erstes Praktikum als Koch absolviert, machte später seine Lehre und arbeitete unter anderem im Kurpark-Hotel in Bad Dürkheim. Mit der dritten Crematory-Platte häuften sich jedoch die Termine und Konzertanfragen. Stass traf eine Entscheidung, gab seinen Job auf und machte mehrere Jahre professionell Musik. Nebenher baute er einen Buffetservice auf. "Ohne Kochen ging einfach nicht."
Musik als "Kick"
2001 löste sich Crematory auf. "Es ging nicht mehr vorwärts und wir wollten alle privat einige Dinge in Ordnung bringen." Stass stürzte sich wieder in seinen gelernten Beruf, baute seinen Service weiter aus, beriet als Küchenlogistiker Restaurants. Doch schon zwei Jahre später wagte Crematory ein Comeback. "Ohne Musik geht eben auch nicht." Stass lacht. Wer einmal vor 60 000 Leuten auf dem Wacken Open Air gespielt hat, findet nur schwer einen vergleichbaren Kick.
Allerdings sollte die Musik Hobby bleiben. "Was nicht heißen soll, dass wir uns keine Mühe geben. Aber es reicht uns, 20 ausgewählte Konzerte im Jahr zu spielen." Kulinarisch entwickelte sich Stass ebenfalls weiter, auch hier wurde sein Geschmack härter, schärfer. Tabasco bezeichnet er als "Essigwasser". Da er irgendwann kaum noch Saucen fand, die seinen Gaumen reizten, kreiert er unter dem Namen "Heartcore Cooking" einfach selbst welche. Für seine Saucen lässt er sich Chilis aus aller Welt liefern und sprengt damit jede Schärfeskala.
Im Maffenbeier allerdings, kocht er seit über drei Jahren gutbürgerlich, nur die Wochenkarte würzt er gerne mal mit exotischeren Gerichten. Exotisch mag es Stass auch bei Haustieren, über 40 Vogelspinnen hat er zu Hause. Er könne einfach gut relaxen, wenn er die Tiere beobachte. Er sagt das völlig unaufgeregt und zieht die Schultern nach oben. "Das ist halt das, was mir gefällt." Stass ist niemand, der sich zwanghaft abgrenzen will, sondern jemand, der nie Angst davor hatte, das anzupacken, was er machen wollte. Der zwar auf der Bühne mit finsterer Miene von Tod und Teufel knurrt, aber in der Küche nie laut wird, wie Kollegen erzählen. Stass lächelt. "Jeder Mensch hat zwei Seiten - ich lebe meine auf der Bühne und in der Küche aus."
Felix Stass
Felix Stass wurde 1971 in Saarbrücken geboren, ist in Frankenthal aufgewachsen und lebt in Mannheim.
Er ist gelernter Koch und arbeitet seit dreieinhalb Jahren im Maffenbeier in Ludwigshafen.
Stass ist seit über 20 Jahren Sänger der Band Crematory und schreibt auch deren Texte - mal auf Deutsch, mal auf Englisch. Einige Jahre war er auch als DJ unterwegs.
Zehn Jahre lang führte Stass zudem den Szeneladen "Sqril" in Mannheim - wo sich Gothic-Fans mit Kleidung, Schmuck oder Drachenfiguren eindecken konnten. Auch da sei er einfach so "reingerutscht". swk
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