Soziales

Diese Menschen machen unser Land besser

Gänsehautfeeling im Schloss bei der Verleihung des höchsten Orden des Landes: Auch ein Mannheimer war dabei. Warum er und die anderen Preisträger unsere Welt schöner machen.

Von 
Lea Seethaler
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Ein Mannheimer erhielt den höchsten Orden des Landes Baden-Würtemberg: Klaus Schirdewahn. © Lea Seethaler

Mannheim. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat am Freitag im Barockschloss Mannheim 24 Persönlichkeiten mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg geehrt. Darunter ist ein Mannheimer: Klaus Schirdewahn. Er setzt sich unermüdlich für die Rechte queerer Menschen ein. Als Jugendlicher erlebte er eine Gesellschaft, die ihn wegen seiner sexuellen Orientierung stigmatisierte. Und kriminalisierte. Er wurde verhaftet, als er in Ludwigshafen in einem Kaufhaus ein Date mit einem Mann hatte, und gezwungen, sich einer „Konversionstherapie“ zu unterziehen.

Erst Jahre später konnte er sich offen zu seiner Identität bekennen und wurde 2017 juristisch rehabilitiert. Heute kämpft Schirdewahn mit den „Gay & Grey“-Gruppen für die Rechte älterer schwuler Männer und ist in vielen Initiativen wie dem Queeren Zentrum Mannheim und der Initiative „Grundgesetz für Alle“ aktiv.

Klaus Schirdewahn aus Mannheim: „Unsere Generation ist das Verstecken gewohnt“

Über „Gay & Grey“ in der Region sagt Schirdewahn: „Wir sind eine Freizeitgruppe mit Raum zum Austausch. Wir unternehmen viel, haben regelmäßig einen Stammtisch. Wenn sich die Gruppe trifft, dann merken wir oft: Unsere Generation ist das Verstecken gewohnt.“

Schirdewahn weiter: „Wir treffen uns oft in den Räumen des Queeren Zentrums in Mannheim, aber das war manchen schon zu viel. Die wollten lieber versteckt oder inkognito irgendwo hin, etwas trinken.“ Als Zeitzeuge besucht Schirdewahn heute auch Schulklassen und verbreitet die Botschaft, dass niemand sich verstecken oder schämen sollte für seine sexuelle Orientierung.

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In seiner Rede betonte indes Ministerpräsident Kretschmann: „Jede Gesellschaft braucht engagierte Menschen, im Beruf und im Ehrenamt. Menschen, die mehr als ihre Pflicht tun. Die sich einsetzen und ihre Fähigkeiten einbringen, um etwas voranzutreiben. Sie kümmern sich um Ihre Mitmenschen, sie bringen unser Land weiter.“

Die ausgezeichneten Menschen beeindruckten. Da waren zum Beispiel:

  • Roland Arnold aus Pfronstetten, der einmal im Regen an einer Autobahnraststätte einem Rollstuhlfahrer ins Auto half. Das ließ ihn nicht mehr los. Er gründete die Paravan GmbH, die bis heute Fahrzeuge für bewegungseingeschränkte Menschen umrüstet.
  • Oder Feuerwehrmann Andreas Braun aus Neustetten. Trotz schwerem Unfall im Feuerwehrdienst, seit dem er im Rollstuhl sitzt, ist er heute stellvertretender Bürgermeister und setzt sich massiv für die Rechte behinderter Menschen ein, auch als Lehrer und in Verbänden.
  • Kretschmann ehrte auch den „schwimmenden Professor“ Andreas Fath. Er durchschwamm etwa den Rhein von der Mündung bis zum Ende und verbringt teilweise acht Stunden pro Tag im Wasser. Dabei forscht er zu Mikroplastik und stärkt durch seine medialen Aktionen den Gewässerschutz und das Bewusstsein dafür.
  • Die geehrte Psychiaterin Martha Wahl aus Bad Schussenried verlor einen Nahestehenden durch Suizid. Fast zerbrach sie daran: Doch heute stärkt sie Betroffene und arbeitet in der Suizidprävention.
  • Rolf Bühler aus Wolpertshausen hat nicht nur beim Orden Schwein gehabt: Als Landwirt in 14. Generation hat er es mit viel Einsatz und seinem Familienhof geschafft, dass das Schwäbisch-Hällische Landschwein heute nicht ausgestorben ist.
  • Ordensträger Jürgen Hennig aus Freiburg indes hält ganze 50 Patente - der Professor hat mit seiner exzellenten Forschung zur Magnetresonanztomographie (MRT) die Medizin für Patienten schonender und genauer gemacht.
Verleihung des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg im Barockschloss Mannheim. DIe Geehrten beim Gruppenfoto. © Franziska Kraufmann
  • Die geehrte Sontraud Speidel aus Karlsruhe fördert als Professorin an der Hochschule nicht nur exzellente Musik - sondern auch Teilhabe. Per Fonds sorg sie etwa dafür, dass Musik für alle zugänglich bleibt - und organisiert Benefizkonzerte.
  • Ursula Stärk, ebenfalls aus Karlsruhe, ist auch nach ihrer Karriere als Polizistin stark im Opferschutz engagiert. So hat sie das Projekt „Opfereinsatz auch im Ruhestand“ für pensionierte Polizisten gestartet, die hier Betroffenen beistehen. Außerdem leitet sie sechs Trauergruppen.
  • Unternehmer Walter Feeß schaffte es, Bauschutt und Beton, eine der größten Abfallquellen unserer Zeit, durch sein Unternehmen umweltfreundlicher zu machen. Nämlich beim Recycling – und bei der Herstellung.
  • Sylvia Dommer übernahm blutjung in Stuttgart die Fahnenfabrik ihrer Familie. Frauen in Führung wurden damals belächelt - heute führt sie die Firma erfolgreich und ist engagiert in vielen Verbänden. Auch vor allem in denen, die jungen Frauen Vorbilder in der Wirtschaft sind - und sie fördern.
  • Ernst Heimes kaufte vor 20 Jahren in Rottenburg am Neckar das Historische „Haus am Nepomuk“. Daraufhin füllte es sich mit Leben: Heute ist es ein Kunst- und Kulturzentrum, das etwa kunstinteressierten Schulklassen, Geflüchteten und an Weihnachten Einsamen Heimat bietet.
  • Fußballtrainer Frank Schmidt aus Bachhagel ist seit 2007 Cheftrainer beim gleichen Verein - dem 1. FC Heidenheim. Das ist der Rekord des dienstältesten Trainers im deutschen Profifußball. „Dank ihm ist Baden-Württemberg mit vier Mannschaften in der Bundesliga vertreten“, so Kretschmann. Als Spieler absolvierte Schmitt einst ein halbjähriges Gastspiel beim SV Waldhof.
  • Auch viele Promis wurden geehrt: Die auch durch ihre vorbildliche Teststrategie in der Coronapandemie bekannt gewordene Tübinger Notärztin Lisa Federle, die gebürtige Heilbronner Schauspielerin Sibel Kekilli (bekannt aus „Game of Thrones“ und „Gegen die Wand“ sowie weltweit engagiert für Frauenrechte), Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann mit Verdiensten für Erinnerungskultur (besonders Holocaust, sie initiierte etwa das große Mahnmal in Berlin mit) und Parlamentarischer Staatssekretär Nils Schmid (SPD), der in „verantwortungsvoller Haushaltspolitik“ das Land prägte und außenpolitisch klar Stellung bezog - etwa beim Thema Ukraine. Seit wenigen Tagen gehört er dem Bundesministerium der Verteidigung an.

Kretschmann würdigte die Vielfalt der Einsatzbereiche, in denen die ausgezeichneten Menschen sich aktiv einbringen. „Sie wirken im Sozialen, im Rettungswesen, im Natur- und Umweltschutz, bei der Betreuung von Geflüchteten, in der Medizin und in Wissenschaft und Hochschulen, im Sport, in der Kultur, in der Landwirtschaft, als Unternehmer oder in der Politik. In ihren jeweiligen Bereichen gestalten sie unsere Gesellschaft mit.“ Aktuell sei dieser Einsatz wichtiger denn je, so der Ministerpräsident in Richtung der Geehrten: „Unsere freiheitlich demokratische Grundordnung ist nicht mehr selbstverständlich. Sie wird bedroht von außen, aber auch von innen. Wir brauchen deshalb aktive Bürgerinnen und Bürger wie Sie, die für Menschenwürde, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einstehen.“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l.) überreicht den Landesverdienstorden an den Mannheimer Klaus Schirdewahn. © Pressefoto Kraufmann/Franziska Kaufmann

Stilisiertes Kreuz mit Medaillon in der Mitte: Der Landesverdienstorden ist auf 1000 Lebende begrenzt

Der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg – bis Juni 2009 die „Verdienstmedaille“ – wird vom Ministerpräsidenten für herausragende Verdienste um das Land Baden-Württemberg verliehen, insbesondere im politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich. Die Verleihung des Verdienstordens erfolgt in der Regel einmal jährlich im Rahmen eines Festakts, traditionell in zeitlicher Nähe zum Gründungstag von Baden-Württemberg am 25. April. Die Zahl der Ordensträgerinnen und Ordensträger ist auf insgesamt 1.000 lebende Personen begrenzt. Alle Gruppen der Bevölkerung und alle Gebiete des Landes sollen möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden.

Der Verdienstorden hat die Form eines stilisierten Kreuzes mit einem Medaillon in seiner Mitte, auf dem das große Landeswappen mit dem Schriftzug Baden-Württemberg abgebildet ist. Er wird an einem gefalteten Band in den Landesfarben getragen. Anstelle des Ordens kann eine schwarz-gelbe Rosette oder eine Miniatur getragen werden, die ebenfalls überreicht werden.

Der Verdienstorden ist für 1000 lebende Personen vorgesehen. © Franziska Kraufmann

Neben den Ordensinsignien erhalten die Ordensträgerinnen und -träger auch eine vom Ministerpräsidenten unterzeichnete Verleihungsurkunde. Zusätzlich erhalten die neuen Trägerinnen und Träger des Verdienstordens des Landes einen Ausweis, der sie und eine Begleitperson zum dauerhaft freien Eintritt in die staatlichen Museen, das Zentrum für Kunst und Medien und zahlreiche Objekte der Staatlichen Schlösser und Gärten im Land berechtigt.

Prächtige Kulisse im Mannheimer Schloss. © Franziska Kraufmann

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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