Die Lage ist schön, direkt am Käfertaler Wald. Deshalb sind die 64 Bauplätze im Bereich Sullivan-Nord des neuen Stadtteils Franklin damals auch alle teuer verkauft worden – per Bieterverfahren, zum großen Teil mit Mindestgeboten von 650 Euro pro Quadratmeter. Mittlerweile wohnen dort mehr als 20 Familien in ihrem Eigenheim. Die klagen aber schon länger darüber, dass in dem Baugebiet noch keine Straßen angelegt sind (wir berichteten). Die Folge: Staub und Dreck, außerdem können die Hauseigentümer weder Hofeinfahrten noch Gärten richtig anlegen, solange die Straßen fehlen.
Eine Äußerung von Achim Judt, dem Chef der für Franklin zuständigen städtischen Projektentwicklungsgesellschaft MWSP, kürzlich in einem „MM“-Interview hat nun erneut für großen Ärger bei vielen Sullivan-Bewohnern gesorgt. Judt hatte gesagt, man müsse Verständnis haben, dass auf einer Großbaustelle wie Franklin noch nicht alles fertig sei, es bedürfe da eines „Entgegenkommens der Bewohner“. Diese argumentieren nun, sie hätten in Sullivan-Nord schon genügend Entgegenkommen gezeigt und verweisen darauf, dass es bereits bei der Übergabe der Bauplätze Verzögerungen gegeben habe.
Die Erschließung der Grundstücke sei mit mehr als einem Jahr Verspätung gegenüber dem angekündigten Zeitplan erfolgt, sagt Markus Hummelsberger, der Erste Vorsitzende der Bürgerinitiative „Baufreunde Sullivan“. Und leider sei sie immer noch nicht abgeschlossen. „Einige von uns leben nun fast seit einem Jahr auf einer Baustelle mit vielen nicht asphaltierten Straßen in den Baufeldern.“ Wegen des Drecks „macht die Reinigung unserer Autos eigentlich keinen Sinn“, sagt Hummelsberger. Wer sich jetzt im November in Sullivan umschaut, der sieht Matschpisten mit kaum Schotter sowie mitunter große Pfützen.
Kritik an verspäteter Übergabe
Hummelsberger – selbst Familienvater – sieht zudem gerade für die Kinder Gefahr. Mangels Rad- und Fußwegen müssten sich diese die Pisten mit Lastwagen teilen, die dort oft mit überhöhter Geschwindigkeit entlangdonnerten. Außerdem, so Hummelsberger, habe die behelfsmäßige Straßenbeleuchtung nachts zuletzt oft nicht funktioniert.
Tobias Wrzesinski wohnt mit seiner Familie ebenfalls in Sullivan-Nord, auch er ärgert sich über fehlende Straßen und Straßenbeleuchtung sowie über die verspätete Übergabe der Bauplätze damals. Die Probleme der Eigentümer würden „bis heute ohne besonderes Interesse behandelt“, sagt Wrzesinski in Richtung MWSP. Ein anderer Sullivan-Bewohner, der nicht namentlich genannt werden will, findet gar, beim Erwerb der Grundstücke sei man über den wahren Stand der Erschließung und den zeitlichen Fortgang „massiv getäuscht“ worden.
MWSP-Chef Achim Judt hatte im „MM“-Interview angekündigt, die Straßen würden nächstes Jahr kommen. Ihr Bau mache erst dann Sinn, wenn ein Großteil der Häuser fertig sei. Baue man die Fahrbahnen früher, würden sie von den Baufahrzeugen wieder kaputt gemacht.
Auf erneute Nachfrage zur Kritik der Bewohner erklärt die MWSP, dass ihr die Sicherheit insbesondere der Kinder natürlich am Herzen liege. Deshalb habe man bereits „einige Provisorien wie einen sicheren Fußweg und die Interimslösung der Beleuchtung auf Sullivan“ auf eigene Kosten realisiert. Fürs Franklin-Gelände gelte Tempo 20, betont die MWSP. „Zu beobachten ist jedoch, dass sich leider sowohl Fremdfirmen als auch Anwohner nur bedingt an diese Geschwindigkeit halten.“ Die provisorische Beleuchtung in Sullivan sei zuletzt „aus unterschiedlichen Gründen“ mehrmals ausgefallen, räumt die MWSP ein. Man habe sie aber „schnellstmöglich wieder instand gesetzt“. In ihrer Stellungnahme konkretisiert sie auch den Zeitplan für den Straßenbau in Sullivan-Nord. Der beginnt demnach „ab März 2021“. Der derzeit noch gesperrte südliche Teil des George-Sullivan-Rings werde „noch in diesem Jahr“ geöffnet.
Erst Straßen, dann Häuser?
Bei der Frage, warum in anderen Neubaugebieten – etwa in Heddesheim – zuerst die Straßen und dann die Häuser entstünden, verweist die MWSP auf eine bewusste Entscheidung der Kommune. Es sei „auch politisch gewünscht“ gewesen, mit den 64 Grundstücken frühzeitig auf den Markt zu gehen „und den damaligen Kaufinteressenten eine Perspektive in Mannheim zu bieten, bevor sie ins Umland abwandern“.
Die MWSP erklärt, sie habe seit 2017 alle Kaufinteressenten „regelmäßig und kontinuierlich“ über die aktuellen Zeitpläne auf dem Laufenden gehalten. Bei den Beurkundungsterminen sei den Käufern „der aktuelle Zeitplan“ bekannt gewesen. Zur Betreuung der Grundstückseigentümer in Sullivan hat die MWSP nach eigenen Angaben ein Kundenmanagement geschaffen.
Der Ärger bei vielen Bauherren ist dennoch groß. Der Bewohner, der anonym bleiben möchte, sagt verbittert: „Mit dem Wissen heute hätten wir nie in Sullivan gekauft.“
Hintergrund
- Im Franklin-Teilbereich „Sullivan-Nord“ gibt es auf drei Baufeldern insgesamt 64 Grundstücke, die Privatpersonen kaufen konnten, um dort ihren Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Häufig waren solche Bauherren in der Vergangenheit in Nachbargemeinden gezogen, weil sie in Mannheim kein passendes Grundstück fanden.
- Die städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP verkaufte die Flächen im Herbst 2017 in einem Bieterverfahren. Das Mindestgebot lag bei 650 Euro pro Quadratmeter.
- Ein Drittel der Grundstücke wurde zum Festpreis von 570 Euro pro Quadratmeter verkauft - ausschließlich an Familien, die seit mindestens zwei Jahren in Mannheim wohnen und mindestens zwei Kinder unter zwölf Jahren haben.
- Die Termine für Erschließung und Baubeginn waren in Unterlagen und Kaufverträgen der MWSP meist relativ vage gehalten - dort war zum Beispiel von einem „möglichen“ Termin für einen Baustart und einem „angestrebten“ Termin für die Erschließung die Rede.
- Der Bebauungsplan wurde dann erst im April 2019 vom Gemeinderat beschlossen, erst danach konnten die Käufer der Grundstücke schließlich bauen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-die-reinigung-unserer-autos-macht-eigentlich-keinen-sinn-_arid,1720601.html