Mannheim. Der britische Premierminister Keir Starmer kann das neue Buch von Peter Kurz nicht gekannt haben. Denn damals war es noch gar nicht auf dem Markt. Trotzdem tat Starmer etwas, das genau der Botschaft dieses Buches entsprach. Er traf sich gleich am dritten Tag seiner Amtszeit Anfang Juli mit Stadtoberhäuptern aus seinem Land, um sich mit ihnen auszutauschen.
Peter Kurz: Die wichtigen gesellschaftlichen Themen werden in den Kommunen umgesetzt
Mannheims langjähriger SPD-Oberbürgermeister erzählt diese Anekdote in der Alten Feuerwache sehr anerkennend. Dort wird an diesem Abend sein Mitte August erschienenes Buch „Gute Politik. Was wir dafür brauchen“ offiziell vorgestellt. Eine zentrale These darin: Die große Politik muss die Kommunen stärker einbinden und deren Erfahrungen aufnehmen. Denn gleichermaßen wichtige wie komplexe gesellschaftliche Themen wie Klimaschutz, Integration, Mobilität oder Bildungsgerechtigkeit werden in den Städten und Gemeinden umgesetzt. Deshalb halte er den Schritt von Starmer für „bemerkenswert“, sagt Kurz.
In Deutschland säßen die Stadtoberhäupter nur bei akuten Krisen im Kanzleramt - zuletzt während der Corona-Pandemie. Verstetigt habe sich dieser Austausch aber leider nicht.
Die Atmosphäre an diesem Abend in der Feuerwache ist fast schon intim, die Halle abgeteilt, das Licht gedimmt, hinter der Bühne ein roter Samtvorhang. Knapp 150 Gäste sind gekommen. Peter Kurz, schwarze Jeans und dunkelblaues Hemd, sitzt in einem Ledersessel auf der Bühne. Er wirkt ziemlich entspannt. Moderatorin Frauke Kühnl von der mitausrichtenden Abendakademie spricht mit ihm in der ersten Hälfte des Abends über sein Buch.
In der zweiten kommt die Mannheimer Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele von der Hertie School in Berlin dazu. Auch sie hat gerade mit „Demokratie neu denken“ eine neue Veröffentlichung. Beide Bücher seien in einer Zeit erschienen, „in der Demokratie auch in Deutschland immer mehr unter Druck gerät“, sagt Kühnl. Unter anderem durch „Populisten, die den Blick vernebeln“.
Was ein guter Politiker tun sollte
Auf den etwas mehr als 100 Seiten in seinem „Debattenbuch“ gehe es um viele Gedanken, „die ich aus dem Amt mitgenommen habe“, erzählt Kurz, der 2021 als „World Mayor“ ausgezeichnet wurde. Er führt darin aus, was aus seiner Erfahrung für die im Titel genannte „Gute Politik“ und die Demokratie insgesamt wichtig sind. Manches richtet sich an die Bundespolitik: Statt teilweise bis in Kleinste gehende bürokratische Standards solle sie lieber Ziele vorgeben - und es den Kommunen überlassen, wie sie die erreichen. Anderes ist an das Berufsbild Politiker adressiert: Der dürfe nicht Wähler bedienen wollen, sondern müsse für seine inhaltlichen Überzeugungen Mehrheiten finden.
Und wieder anderes geht an alle Demokraten: Die dürften den herrschenden „Kulturkampf“ nicht befeuern. Denn der spalte und mache den Kompromiss, das Wesen der Demokratie, unmöglich. Ein paar Passagen aus dem Buch liest Kurz auf der Bühne vor - und bekommt dafür Applaus. Er wünscht sich, „dass das Buch durchdringt, nicht nur bei Lesern und Medien, sondern vor allem bei Akteurinnen und Akteuren in der Politik“.
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Im zweiten Teil mit Römmele geht es dann verstärkt um die Zukunft der Demokratie. Ob es noch vermittelbar sei, wie wichtig diese sei, will Moderatorin Kühnl wissen. Das, antwortet Römmele, hänge auch davon ab, ob jemand erlebt habe, wie Nazidiktatur oder DDR-System gewesen seien, aus eigener Erfahrung oder aus Erzählungen etwa von Großeltern. Und Kurz findet, in den vergangenen Jahren hätten wir alle versäumt, „Demokratie zu erklären“.
Andrea Römmele kritisiert die "Sozialen Medien mit ihrer Empörungslogik"
Sorge macht ihm, dass sich die Donald-Trump-Masche, die Leistung des politischen Systems generell infrage zu stellen, im Moment überall ausbreite. Auch in Ländern wie in Norwegen und der Schweiz, wo eigentlich alles bestens funktioniere. Römmele macht dafür die „Internationalisierung des Mediensystems und die Sozialen Medien mit ihrer Empörungslogik“ verantwortlich, die unabhängig von der Wahrheit sei. „Das sehe ich als größte Gefahr für die Demokratie.“
Die beiden Bücher zeigen, was die Demokratie braucht, um stark zu sein. „Sie machen Mut“, sagt Kühnl am Ende des Abends. Die Gäste haben einiges mitgenommen. „Ich fand den Blick auf die Demokratie gut, was da im Moment ins Rutschen gerät und wie man dem begegnen kann“, bilanziert ein 69-Jähriger. Seiner Frau hat die Geschichte von Keir Starmer gefallen. „Das ist dringend wünschenswert für Deutschland.“ Ein 20-Jähriger stimmt ihr zu: „Es wäre wichtig, dass es den Dialog von Bund und Kommunen nicht nur in der Krise gibt. Sondern generell.“
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