Mannheim. Berlin hatte bis Ende Januar den Vorstoß gewagt: Beim Verkehrsversuch Friedrichstraße waren seit August 2020 bestehende Parkplatz- und Straßenflächen für den Autoverkehr gesperrt und für alternative Nutzungen mit dem Ziel für mehr Lebensqualität geöffnet worden. Bei dem Experiment war ein Stück Mannheim mit im Spiel. Denn die Firma City Decks stellte dafür ihr Parklet-System, ein modulares Stadtmöbel zur Umnutzung von Parkplatzflächen, zur Verfügung.
Die Inhaber Robin Lang und Wulf Kramer gründeten ihr Unternehmen YallaYalla! bereits 2014 in der Neckarstadt-West. Vor drei Jahren zog das Architekturbüro, das sich auch mit dem Thema Stadtentwicklung auseinandersetzt, in den C-Hub im Jungbusch. „Hier fühlen wir uns sehr wohl“, erzählt Lang. Mittlerweile ist die Firma auf insgesamt acht Mitarbeiter angewachsen. Kurz vor Corona gründeten Lang und Kramer ihre zweite Firma: City Decks. „Sie ist aus YallaYalla! heraus geboren worden“, erzählt Lang. Der erste Prototyp wurde bereits 2019 in Kaiserslautern aufgestellt.
Auf die Idee sind die kreativen Köpfe gekommen, als sie gesehen hatten, dass es Bedarf gibt. „Der öffentliche Raum muss zukünftig neu aufgeteilt werden“, sagt der 35-Jährige. „Hierfür braucht es im ersten Schritt schnelle und flexible Lösungen. Das große Thema, dem wir uns so verschrieben haben, ist die lebenswerte Stadt“, erklärt er die Motivation des Unternehmens. Um den öffentlichen Raum lebenswert umzugestalten, müsse man sich verschiedenen Herausforderungen stellen: Klimawandel, der Hitze in der Stadt durch fehlende Grünflächen und versiegelte Flächen. Denn: „Beton speichert Hitze. Darum ist Begrünung ein sehr dankbares Thema, das wir gerade in 2021 weiter forcieren möchten.“
Die zeitgemäßen Produkte für den öffentlichen Raum entsprechen den Kernthemen Modularität und Temporärität. Geschehen soll das mit einem Baukastensystem. So können Städte und Kommunen aus den Einzelteilen etwa Sitzgelegenheiten, Blumenkästen, Fahrradständer oder Ähnliches kreieren lassen, damit sich Passanten dort niederlassen und aufhalten können. „Wir können sie mit Hubwagen ganz schnell woanders aufstellen, um dort einen Testversuch aufzubauen“, so Lang. Der Clou ist, dass die Systeme nicht im Boden fest verankert oder einbetoniert werden müssen. Einfach aufstellen genüge. „Durch ihr Gewicht bleiben sie auch dort, wo sie stehen.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass City Decks die Bausysteme nicht nur verkaufe, sondern auch vermiete.
Die Module bestehen aus einer Kombination aus Stahlblech und verschiedenen Hölzern. „Wir versuchen den Kunden nahezulegen, lokale Hölzer zu nehmen.“ Etwa Pfälzer Edelkastanie. Produziert werden die Module im Raum Rhein-Neckar. Die Systeme seien vielseitig einsetzbar, und könnten überall stehen. Etwa auf einer Dachterrasse, in einer Einkaufspassage oder Hotellobby, schlägt der Neckarstädter vor. Während Produkte von City Decks in der Hauptstadt bereits im Einsatz sind, gab es auch einen Prototyp in G 7. „Das war allerdings nur eine kurze Intervention.“ Ab Oktober wird auf dem Paradeplatz ein kleines Parklet-Modul platziert – in Anthrazit. „Wir blicken gespannt auf den Verkehrsversuch in der Innenstadt. Wenn man den öffentlichen Raum neu definiert, muss am Ende des Tages die neue Nutzung einen sichtlich erkennbaren Vorteil gegenüber der vorherigen bieten“, sagt er. „Nur so lassen sich diese Prozesse langfristig zum Erfolg führen.“
Die Firma City Decks
- Robin Lang und Wulf Kramer haben die Firma City Decks 2020 gegründet. Die beiden haben zudem einen Angestellten.
- Die beiden Architekten sind zudem Inhaber des Architektenbüros YallaYalla!, das 2014 gegründet wurde. Das Büro hat sechs Angestellte.
- Lang wurde 1986 in Nürnberg geboren und wuchs in Mannheim auf. Er hat in Kaiserslautern Architektur studiert.
- Für ihre Produktserie „Ausgeparkt“ wurden die beiden mit dem Baden-Württemberger IDEENSTARK-Preis 2019 und dem Focus Open Silver Award 2020 ausgezeichnet.
Den Lockdown haben Lang und Kramer für die Entwicklung neuer Produkte und den Vertrieb genutzt. Dazu zählen unter anderem auch modulare Wandbegrünungen. Außerdem haben sie im Wohlgelegen eine Produktionsstätte aufgebaut. In den ersten drei Monaten des Jahres sei es aufgrund von Corona relativ ruhig gewesen. Seit April läuft es gut; sie haben verschiedene Aufträge in Städten wie beispielsweise Leipzig und Erlangen bekommen. Zudem bauen sie 16 Parklet-Module in Bremen auf, wo es einen einjährigen Verkehrsversuch geben wird. Des Weiteren gibt es dort eine Pop-Up-Radstelle, wo Räder repariert werden können. Diese wandert nach zwei Wochen nach Pforzheim weiter. Prinzipiell kann sich Lang die Systeme an vielen Orten hier vorstellen. „Was das Leben ausmacht, sind letzten Endes die Begegnungen in der Stadt“, sagt er.
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