Nachrücker in den Gemeinderat – Teil 1 - Patrick Haermeyer (Grüne) kam 2019 für Dirk Grunert / Möglicher Nachrücker-Platz auch auf der Landesliste für den Bundestag

Der Grüne Patrick Haermeyer ist in den Mannheimer Gemeinderat nachgerückt - und will jetzt mehr

Von 
Thorsten Langscheid
Lesedauer: 
Stadtrat und Bundestagskandidat: Patrick Haermeyer (Grüne) am Verbindungskanal. © Thorsten Langscheid

Mannheim. „Radverkehr ist gar nicht mein Thema“ - Patrick Haermeyer wehrt ab. Er will sich eigentlich nicht mit seinem Fahrrad fotografieren lassen, mit dem er zum Treffen an den Verbindungskanal im Jungbusch gekommen ist. Zu klischeehaft findet er die Pose mit dem Rad.

Denn Klischees sind nicht das Ding des 30-Jährigen Grünen-Politikers. „Natürlich bin ich in der Stadt fast immer mit dem Rad unterwegs“ sagt er. Eine Selbstverständlichkeit. Er findet es aber auch gut, dass sich niemand darüber aufgeregt hat, als sein Fraktionskollege Markus Sprengler vor einiger Zeit nach Namibia geflogen ist, um dort gemeinsam mit Popakademie-Chef Udo Dahmen Kontakte zu knüpfen. „Wenn Sie internationale Politik machen wollen, geht es eben nicht anders.“ Als Mitarbeiter des Europa-Abgeordneten Michael Bloss, der Mitglied der USA-Delegation des Europa-Parlaments ist, weiß Haermeyer, dass die Alternative nicht sein kann, überhaupt nicht zu fliegen: „Wir müssen die Anzahl der notwendigen Flugreisen minimieren und Alternativen nutzen, wo es möglich ist - zum Beispiel auf der Kurzstrecke.“ Und wenn man dann schon mal fliegt, sollte es sich eben auch auszahlen. Dass man seinen CO2-Ausstoß mit einem Öko-Tickt kompensiert - auch das für ihn eine Selbstverständlichkeit.

Patrick Haermeyer

  • Patrick Haermeyer, Jahrgang 1991, wurde in Köln geboren und wuchs im Rheinischen Braunkohlerevier auf.
  • Mit seiner Familie kam Haermeyer als Elfjähriger nach Ettlingen, wo er Abitur machte.
  • Er studierte in Frankfurt/Main und Mannheim Jura. Patrick Haermeyer ist mit der Hamburger Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten Rosa Domm liiert.
  • In seiner Freizeit spielt er Floorball beim SKV Sandhofen und ist ein passionierter Bergwanderer.
  • 2013 kam Haermeyer zur Grünen Jugend (GAJ) in Mannheim, war dort bis 2018 im Kreisvorstand aktiv.
  • 2018 wurde er Wahlkampfmanager des Europapolitikers Michael Bloss, dessen Mannheimer Abgeordneten-Büro er seit der Wahl 2019 hauptberuflich leitet.
  • Im Oktober 2019 rückte Patrick Haermeyer für den damals zum Bürgermeister gewählten Dirk Grunert in den Gemeinderat nach.
  • Dort widmet er sich als Sprecher den Themen Klimaschutz, Öffentlicher Nahverkehr und Finanzpolitik.
  • Auf der Landesliste für die Bundestagswahl im September kandidiert Haermeyer auf Platz 35.

Als Sprecher ist der Grünen-Stadtrat in seiner Fraktion für den öffentlichen Nahverkehr zuständig, also für Busse und Bahnen. „Und eben nicht für Fahrräder“, lacht er. Außerdem beackert er das grüne Mega-Thema Klimaschutz und die Finanzpolitik. Dass grüne Politik auch ganz viel mit sozialen und Menschenrechtsfragen zu hat, reicht für Patrick Haermeyer bis in seine Kindheit zurück. Die hat der gebürtige Kölner nämlich quasi am Rande des inzwischen weltbekannten Hambacher Forsts im Rheinischen Braunkohlerevier verbracht.

Schnell echte Veränderungen

Die Beschäftigung beispielsweise mit den Arbeitsbedingungen im Tagebau in anderen Ländern - „wo ja auch in Mannheim ein Großteil der Kohle herkommt“ - hat ihn zur Menschenrechtsarbeit bei Amnesty International gebracht. Ganz-oder-Gar-Nicht-Entscheidugen sind dem Juristen Haermeyer deswegen fremd: „Beim Klimaschutz zählt jeder Beitrag, auch wenn er klein ist“, sagt er. Was aber nicht heißen soll, dass man sich nicht große Ziele setzen müsse. Dass es leicht ist, mehr Zuschüsse zum Beispiel für private Solaranlagen zu fordern, ist eine Sache, weiß Haermeyer. Zu schauen, wie eine Kommune eine solche Förderung finanzieren kann, eine ganz andere.

Aber gerade das fasziniert Patrick Haermeyer: „In der Kommunalpolitik kann man schnell echte Veränderung herbeiführen“, sagt er. Zum Beispiel mit dem Zwölf-Punkte-Programm Wohnen, oder auch dem Vorziehen des Stadtbahn-Anschlusses auf Franklin: „Wir haben das beschlossen, und es kommt dann auch tatsächlich.“ Als er im Herbst 2019 für den zum Bürgermeister gewählten bisherigen Grünen-Fraktionschef Dirk Grunert in die Bürgervertretung nachrückte, hatte Haermeyer bereits einige Gemeinderats-Erfahrung gesammelt - als Zuschauer bei den Haushaltsberatungen 2016 und 2018: „Ich wußte also schon ungefähr, was auf mich zukommt.“

„Können 1,5-Grad-Ziel schaffen“

Das ist nun bei seiner wenig beachteten Bundestagskandidatur anders: Nachdem Haermeyer bereits bei der Nominierung im vergangenen Oktober mit 38 zu 65 Stimme unterlegen war, bewarb er sich im April bei der Besetzung der Listenplätze noch einmal um eine Kandidatur und steht nun auf Platz 35 der baden-württembergischen Landesliste. Ein Platz, der bei sehr gutem Abschneiden der Baden-Württemberg-Grünen nicht allzuweit von einem Bundestagsmandat entfernt wäre. Wohlgemerkt: wäre. Bei derzeit wieder sinkenden Umfragewerten könnten die Grünen - Stand 8. Juli - 27 Abgeordnete aus dem Ländle nach Berlin schicken. Diese Schätzung der Webseite mandatsrechner.de lag zeitweise auch bei 33. Nach dem Wechsel von Danyal Bayaz (Schwetzingen-Bruchsal) als Finanzminister nach Stuttgart kandidierte Haermeyer in dessen Wahlkreis - musste sich aber der Bruchsalerin Nicole Heeger geschlagen geben.

Doch Haermeyer kommt lieber nochmal auf den Klimaschutz zu sprechen: Die MVV produziere heute schon ein Drittel der Fernwärme gar nicht mehr im Großkraftwerk mit den Kohleblöcken, sondern aus Biomasse und Hausmüllverbrennung (Friesenheimer Insel): „Wir müssen nun die Erdwärme anzapfen, das ist ein Schatz im Boden, den wir heben werden.“ Die nun anstehenden Sondierungen und den möglicherweise baldigen Bau von Erdwärmekraftwerken im Süden der Stadt und im angrenzenden Umland will er deswegen stark unterstützen.

Dass dies nicht nur dem Klimaschutz dient, sondern unterm Strich auch noch billiger werden kann als Energie aus Steinkohle, sehe man ja bei Wind- und Solarstrom, der heute bereits zeitweise günstiger als der Kohlestrom sei. Das 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen, wird trotzdem nicht leicht, meint Haermeyer und steigt auf sein Fahrrad. „Wir können es aber schaffen“, verabschiedet er sich mit Blick auf das Bundestagswahlprogramm seiner Partei - und radelt in Richtung Hafenstraße und Luisenring davon.

Redaktion koordiniert die Berichte aus den Mannheimer Stadtteilen.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen