Er war ein Lebenskünstler, der gerne viele Menschen um sich herum hatte. Er war ein Familienmensch, der mit seinen Kindern in einem VW-Bus Europa entdeckte. Und er hatte in den 80ern eine besondere Idee, die die kulturelle Landschaft in Mannheim geprägt hat. Die Rede ist von Mojtaba Seyedi, der von vielen Mannheimern nur Said genannt wurde. Er führte über 20 Jahre lang das „Café Memo“ am Alten Meßplatz, das als Szenetreff bekannt war. Am 10. März ist Said nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren verstorben, wie sein Sohn René Seyedi mitteilte. Sein Vater habe ein spannendes Leben gehabt.
Der Mannheimer hat verschiedene Berufe ausprobiert, bevor er sich seinen Traum erfüllte
Said wird 1946 als Jüngster von sieben Geschwistern im Iran geboren. Schon früh verlässt er sein Heimatland und reist mit 17 Jahren in die Tschechoslowakei, dann nach Ungarn, Paris und Amsterdam, bis er sich schließlich in London ein neues Leben aufbaut. Dort probiert er sich aus: Schwarzarbeit auf Baustellen, Tellerwäscher, Kellner und Privatsekretär eines persischen Doktors. Nebenbei lernt er noch Englisch. „Sein Leben war sein Hobby. Langeweile kannte er nicht“, sagt Saids Sohn. In London begegnet er der Frau, mit der er später eine gemeinsame Tochter hat: Sie kommt aus der Tschechoslowakei und zieht das älteste Kind dort alleine groß. Schon in England hat der Abenteurer Said einen Traum: die Selbstständigkeit und das Eröffnen eines eigenen Restaurants. Doch dieser Traum soll erst ein Jahrzehnt später in Erfüllung gehen.
Zunächst lernt Said nach etwa drei Jahren in der englischen Metropole Margrit aus Ludwigshafen kennen, die in London als Lehrerin arbeitet. 1972 geben sich beide das Ja-Wort. Kurze Zeit später folgt Said seiner Frau nach Ludwigshafen. Ein Neuanfang. Im Mannheimer „Augusta Hotel“ macht er eine Ausbildung zum Hotelkaufmann. Danach steigt Said die Karriereleiter hinauf: Er wird Geschäftsführer des Intercity Hotels. Allerdings gibt er diese Stelle auf, als Margrit und er ihren ersten Sohn bekommen: Yves. Nachdem Said ein Jahr zuhause geblieben ist, probiert er sich in einer neuen Branche aus: Er fängt als Hilfskraft in der Chemigrafie beim „Mannheimer Morgen“ an. Nachdem diese Abteilung kurze Zeit später aufgelöst wird, wechselt er in die Akzidenzdruckerei. Zwei Jahre später wird auch die in Mannheim stillgelegt.
Das erste hippe Café neben den traditionellen Wirtshäusern in Mannheim
Deswegen ergreift Said 1984 die Chance, sich seinen Traum zu erfüllen: Er eröffnet das „Café Memo“. Said will damit laut seinem Sohn ein „zweites Wohnzimmer“ erschaffen, in dem alle willkommen sind. Dabei ist der gebürtige Iraner die Hauptperson: „Man ist nicht ins Memo gegangen, man ist zu Said gegangen“, erzählt Seyedi. Und nicht nur diese Atmosphäre macht das „Café Memo“ besonders: An den Wänden hängen Bilder von verschiedenen Künstlern, und auch sonst finden oft Kunstausstellungen im Café statt. Außerdem treten regelmäßig lokale und internationale Bands live auf und spielen beispielsweise Jazz oder Blues. Jeden Sonntag organisiert Said mit seinem Team ein damals einzigartiges Event zu einer besonderen Uhrzeit: Genau ab 11.39 Uhr gibt es Live-Musik mit Frühstück.
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Das alles sei zu dieser Zeit neu für die Mannheimer gewesen, sagt Seyedi. Man sei es Anfang der 80er Jahre nicht gewohnt gewesen, dass Kunst und Musik nebenbei wahrgenommen werden und beim Betrachten und Zuhören gegessen wird. Deshalb bezeichnet Seyedi das „Café Memo“ als „erstes hippes Café“ neben den traditionellen Wirtshäusern in Mannheim. Dieses Konzept habe Said von London nach Deutschland gebracht.
Auch die Speisekarte ist wahrscheinlich von seinen Reisen inspiriert: So gibt es internationale Gerichte, wie beispielsweise Croque Monsieur, ein französisches Sandwich. Ansonsten wird bis in die Nacht hinein viel Alkohol über die Theke gereicht. Diese ist, genauso wie der Boden, mit Marmor verkleidet, den Said einer Sparkasse günstig abgekauft hat.
Und auch von außen fällt das „Café Memo“ auf: Said malt laut seinem Sohn Logos und berühmte Jazzmusiker auf die Fassade des Hauses. Auch nachdem er deswegen Ärger von der Stadt bekommen hat, putzt er seine Kunst nicht weg. Während der Zeit im „Café Memo“ wird Said erneut Vater: 1986 kommt der zweite Sohn des Ehepaars auf die Welt: René. Margrit stirbt 1989. Acht Jahre später kommt ein Nesthäkchen auf die Welt: ein weiterer Sohn aus einer kurzen Beziehung. Er macht Said zum vierfachen Vater. Obwohl der Wirt viel zu tun hat, nimmt er sich trotzdem die Zeit, um mit seinen Kindern zu reisen, erinnert sich René Seyedi. So ist er oft mit dem Campingbus unterwegs und besucht Verwandtschaft im Iran oder den USA.
Sohn von Mannheimer Wirt: „Ich bin mir sicher, dass er andere inspiriert hat“
Anfang der 2000er muss Said das „Café Memo“ wegen einer Krebserkrankung verkaufen. Ein Mitarbeiter führt es ein paar Jahre am selben Standort weiter, ehe er in die Käfertaler Straße umzieht. Heute ist an dieser Stelle das Hotel und Restaurant „Memo“. Das Konzept des Cafés sei jedoch nicht wirklich weitergeführt worden, meint Seyedi. Etwas anderes habe Said laut seinem Sohn aber bewirkt: „Er hat ein Stück Kultur, Weltoffenheit und andere Perspektiven nach Mannheim gebracht. Ich bin mir sicher, dass er andere inspiriert hat.“
Auch in der Rente kann Said seine künstlerische Ader nicht unterdrücken: Er spielt Klavier, malt Bilder und besucht Konzerte. Außerdem lädt er Freunde in seinen „paradiesischen Garten“ in Mutterstadt ein, in dem er Kunst ausstellt. Seyedi stellt fest: „Wie sein Café war auch unser Haus immer offen für alle.“ Und auch das Reisen kommt nicht zu kurz: So verbringt der ehemalige Wirt Urlaube in China, Kuba und Brasilien. Said hinterlässt neben den vier Kindern auch drei Enkelkinder und eine Partnerin. Sein Sohn René Seyedi beschreibt seinen Vater in wenigen Worten: „Bis zum Ende war er der geborene Gastgeber.“
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