Mannheim. Seinen Beruf frei wählen zu dürfen und dabei den eigenen Interessen, Wünschen und Neigungen folgen zu können – diese Botschaft stand im Mittelpunkt des Austauschs „Demokratie trifft Berufswahl: Grundgesetz Artikel 12 und die Berufe von morgen“. Das Deutsch-Türkische Institut für Arbeit und Bildung (DTI) hatte zum neunten Mal zu der interaktiven Demokratieveranstaltung eingeladen.
Gekommen waren Schülerinnen und Schüler aus Friedrich-List-, Marie-Curie- und Johannes-Kepler-Schule. „Der Tag ist nicht zufällig gewählt. Wir treffen uns ganz bewusst am 76. Geburtstag des Grundgesetzes“, sagte Franz Egle, geschäftsführender Vorstand des DTI in seiner Begrüßung. Besonders freute er sich, dass der Austausch im Mannheimer Ratssaal stattfinden konnte: „Das ist die Herzkammer der kommunalen Demokratie. Ein Raum, der Haltung fordert und gleichzeitig zum Dialog einlädt.“
Jugendliche haben schon konkrete Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft
Die Schirmherrschaft für die Veranstaltung hatte Oberbürgermeister Christian Specht übernommen und ein Grußwort geschickt. „Die Freiheit der Berufswahl bedeutet, dass ihr nicht durch staatliche Vorschriften oder andere Einschränkungen gezwungen werden könnt, einen bestimmten Beruf zu ergreifen. Vielmehr könnt ihr selbst nach euren Stärken, Kompetenzen und Interessen entscheiden, welche Ausbildung, Lehrberuf oder Studium ihr aufnehmen werdet“, zitierte Egle den Oberbürgermeister, der nicht vor Ort sein konnte. Die Demokratie fördere dabei auch den Zugang zu Bildung und beruflicher Qualifikation für alle und damit unabhängig von der Einkommenssituation der Eltern, dem Geschlecht oder der Herkunft. Dies sei Kern des Prinzips der Chancengleichheit, für die die Demokratie gleichermaßen stehe. „Ich wünsche euch viel Erfolg und Freude bei der Suche nach eurem Traumberuf. Nutzt die Chancen, die sich euch bieten und gestaltet eure Zukunft aktiv mit“, gab das Stadtoberhaupt den Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg.
Den Nerv der Jugendlichen traf der Lehrer, Autor, Blogger und Bildungsinfluencer Bob Blume mit seinem Impulsvortrag. Er ermunterte die Schülerinnen und Schüler, sich bei ihrer Berufswahl daran zu orientieren, was man gerne mache – und nicht zu überlegen, womit man Erfolg haben könnte. „Ich hatte Bock, zu schreiben. Und dann hab‘ ich es einfach gemacht. Mir war egal, wie viele Leute das jetzt lesen“, so Blume. Dass einige der Jugendlichen schon ganz konkrete Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft hatten, ergab seine spontane Fragerunde. „Pilot“, „Erzieherin“, „Ingenieur, der für Porsche Motoren baut“ und „Steuerberater“ lauteten einige Antworten.
Ihren Traumberuf bereits gefunden hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussionsrunde zum Thema „Freie Berufswahl im digitalen Wandel: Chance oder Risiko für die Demokratie?“, die von Lisa Selin Günther vom DTI moderiert wurde. So machte Christian Hübel, Leiter des Fachbereichs Demokratie und Strategie der Stadt Mannheim, darauf aufmerksam, dass die soziale Herkunft noch immer stark die Bildungskarriere bestimme. Obwohl Bildungspolitik Ländersache sei, unternehme die Stadt große Anstrengungen, dem entgegenzuwirken und es zu ermöglichen, dass jede und jeder seinen Neigungen und Wünschen nachgehen könne.
Vom Journalismus als einer tragenden Säule der Demokratie berichtete Madeleine Bierlein, Nachrichtenchefin des „Mannheimer Morgen“. Eine Demokratie brauche Kontrollinstanzen, und der Journalismus sei eine davon. „Man sieht, dass Länder, die sich von der Demokratie entfernen, immer ganz schnell die Pressefreiheit und damit die Kontrolle einschränken“, so Bierlein.
Dass auch ein Ehrenamt dabei helfen kann, die eigenen Talente zu entdecken, erzählte Sarah Reisinger, Landesvorsitzende der Jungen Europäer Baden-Württemberg. „Ich habe in meinem Ehrenamt so viel gelernt, was ich im Studium nie gelernt hätte. Kommt deshalb einfach mal raus aus eurer Bubble und sucht euch etwas, das euch Spaß macht“, riet sie den jungen Leuten.
Ehrenamt und Freiwilliges Soziales Jahr als Einstieg in den Beruf
Mit 18 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen, suchte Bahar Deniz hier ihren Weg zum Traumberuf. „Ich habe mich immer für Psychologie interessiert. Und dann hat mir jemand geraten, ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Psychiatrie zu machen. Auch, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern“, berichtete die Wirtschaftspsychologin von den Anfängen ihrer beruflichen Karriere.
Diesen Ansatz betonte auch Bob Blume: „Wenn es Möglichkeiten gibt, wo Leute sind, mit denen man sich austauschen kann, ergreift sie. Netzwerke sind Superkräfte.“ Und noch einen Tipp hatte er für die Jugendlichen: „Macht euch jetzt schon einen LinkedIn-Account und seid dort zwei Jahre unterwegs. Dann habt ihr dieses digitale Netzwerk schon mal.“
Zum Abschluss der Veranstaltung konnten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der Künstlerin Valentina Jaffé an einem Kunstprojekt arbeiten. Zudem wurden an Infoständen Einblicke in verschiedene Berufe und Institutionen geboten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-demokratie-trifft-berufswahl-schueler-diskutieren-mit-experten-_arid,2306340.html