Nicole Amoussou will ihr Wissen greifbar machen: Sie erklärt beim Auftakt der „Schwarzen Akademie“ im Schloss, dass auf ihrer Sprache „Mikwabo!“ „Herzlich willkommen!“ heißt. Und dass man darauf, wenn man es wohlwollend akzeptiert, ein kurzes „oh-oh-oh“ antwortet. Die Menschen im Saal, viele Mannheimer, lernen schnell. Und so ist beim nächsten Beitrag, als sich die Rednerin vorstellt und „Mikwabo!“ sagt, ein „oh-oh-oh“ zu vernehmen.
Keine Vertreter in hohen Rängen
Ja, Wissen der schwarzen Community sichtbarer machen, das klingt erstmal abstrakt. Was gemeint ist, wird bei den Reden deutlich. „Wir wissen etwa schon seit vielen hunderten Jahren, dass man die Umwelt achten soll. Bei uns gab es schon immer Waldschutzgebiete“, erzählt Amoussou. „Es gab Regeln in unseren Völkern: ,Hier darf man nicht essen, hier kein Essen mitnehmen, hier nichts hinwerfen, hier darf man nicht rein.“ Dann kamen die Kolonialkräfte „und haben uns alles weggenommen und alles zerstört“. Und „Jahre später heißt es dann: Hier erklärt die UNESCO dies und das zum Wald- und Naturschutzgebiet.“
Derweil ist im lebhaften Chat zum Parallel-Online-Event „Hallo aus Bielefeld“, „Hallo aus dem Kongo“ zu lesen. Denn der Auftakt der Akademie ist weltweit ein Startschuss. Mehrere hundert Teilnehmer aus vielen Ländern sind dabei.
Weiteres erklärtes Ziel der Akademie: Ein respektvolles Miteinander herstellen. Denn leider mangelt es an dem bisher. Carola Lentz, Präsidentin des deutschen Goethe-Instituts, sagt: „Gerade in Deutschland sieht man, dass viele schwarze Menschen nach Amsterdam, London oder Brüssel migriert sind.“ Und dass sie „dort gesellschaftlich, politisch ein Leben führen, wie es in Deutschland nie möglich wäre“. Sie betont: „Hier gibt es noch immer keine Universität mit Black Studies. Und es gibt kaum Vertreter in hohen wirtschaftlichen oder politschen Rängen.“ Die Expertise der Menschen aber soll in Zukunft sichtbar und hörbar werden – darauf zielt die Akademie. Und darauf „in Würde zu leben“, wie es Ex-Lehrerin und Aktivistin Aissato Diallo bei ihrer Rede sagt. Ziel der Akademie sei es, „Würde zum Maßstab unserer Ziele zu machen“. „Denn der Kolonialismus hat unsere Würde in Frage gestellt.“ Und tue es immer noch: „Es gibt junge Menschen, die aktuell elend in der Sahara verdursten. Es gibt Menschen, die im Mittelmeer ertrinken – das ist keine Würde!“, sagt Diallo und ihre Stimme wird laut.
Aufgewachsen mit Prügelstrafe
„Aber wenn ich in die Augen der jungen Menschen schaue. Diese Blicke. Dann bin ich zuversichtlich, dass junge Menschen die Kraft haben, die Wunden des Kolonialismus zu heilen und zu überwinden“, sagt Diallo.
„Ich habe ihn selbst erlebt“, fügt sie dann hinzu. „Ich bin den Bergen des Hochlandes von Guinea zur Welt gekommen. Es war schrecklich. Ich bin aufgewachsen mit Prügelstrafe, Abwertung der eigenen Kultur“, so Diallo. „Aber wir haben eine Identität. Wir haben mit dieser geistig und körperlich überlebt. Wir haben zehn Schulen und drei Krankenstationen dort hochgezogen. Wir haben später höhere Bildung dort etabliert. Wir haben viele junge Herzen erreicht und es folgen viele dem Beispiel bis heute“, so Diallo voller Hoffnung.
Europäisch ist nicht italienisch
Auch Jennifer Owusu ist eines der engagierten „jungen Herzen“ der „Schwarzen Akademie“. Und an diesem Tag gekommen, um etwas von ihrer Kultur zu zeigen. Sie liefert mit ihrem Tanzensemble eine Tanzeinlage ab, die niemanden im Publikum still sitzen lässt. Am Rednerpult sagt sie dann: „Ich muss erstmal Luft holen“, lacht und erntet gleich wieder Applaus. „Durch den Tanz drücken wir die Bedeutung besonderer Momente aus“, beschreibt sie. „Jeder Tanzschritt hat bei unseren Völkern eine Bedeutung.“
Sie beschreibt: „Es gibt bei uns nicht ,die Afrikaner’. Es gibt so viele Völker bei uns. Mehr als 500 Völker.“ Sie sagt: „Und es existiert auch kein afrikanisches Essen. Es gibt ja auch kein europäisches Essen“, betont sie und lacht. „Italiener essen eben viel Spaghetti!“
Es folgen Workshops für die Gäste. Dabei geht es um Perspektivenwechsel – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Alle müssen sich im Schloss verteilen und Übungen machen, bei denen sie die Sichtweise der anderen einnehmen. Claus Preißler, Integrationsbeauftragter der Stadt, und Sylvia Löffler vom Mannheimer Bündnis betonen indes, es sei „großartig, dass sich die Akademie in Mannheim etabliert“. Mit dem Leitbild, das sich die Stadt gegeben hat, sei sie der perfekte Gastgeber dazu. Löffler betont, dass Austausch, der auch das Mannheimer Bündnis ausmache, dazu beitragen könne, dass „problematische Wissensstrukturen“ verschwinden.
Leider schlecht: Götter im Museum
Nicole Amoussou berichtet passend zur aktuellen Diskussion um koloniale Raubkunst: „Und wenn ich dann in München im Museum stehe und die Schutzgötter aus Benin drinnen stehen sehe, dann weiß ich, sie sind doch eigentlich für den Schutz des Hauses und sollen deshalb draußen stehen. Ich will nicht, dass wir das jetzt wegmachen, aber erklären, aufklären und einordnen!“
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