Athanasios Kosmadakis ist in dieser Kneipe aufgewachsen. Als er gerade fünf Monate alt war, eröffnete sein Vater Dimitrios, genannt "Timo", das "Rhodos" im Jungbusch. Es besitzt mittlerweile weit über den Stadtteil hinaus Kultstatus. Athanasios' Kinderzimmer war dort, wo heute eine Glastür den Raucherraum abtrennt. "Ich bin zwischen Hafenarbeitern, Prostituierten und einfachen Angestellten aufgewachsen", sagt der 44 Jahre alte Gastwirt. "Die Musik meiner Kindheit kam aus der Jukebox: deutscher Schlager." Kosmadakis zeigt auf das Gerät, das immer noch im Laden steht. Der kräftige Mann stimmt das Lied "Griechischer Wein" an, kneift die Augen zusammen und lacht laut.
Kinderzimmer in der Kneipe
Das Kinderzimmer ist verschwunden und auch das Viertel hat sich gewandelt, vom Hafenarbeiterbezirk zum Multikulti-Stadtteil mit vielen Studenten. Gleich geblieben ist das "Rhodos", das mit den dunklen Holzstühlen und -tischen, dem gedämmten Licht und der schweren Holztheke immer noch an eine verrauchte Kneipe irgendwo im Hafen erinnert.
Griechische Säulen, Skulpturen und blau-weiße Wände gab es im "Rhodos" noch nie. "Wir wollten nie Edelgrieche sein", sagt Kosmadakis, den seine Gäste nur unter dem Spitznamen Saki kennen. "Alle fünf Jahre streichen wir mal neu, sonst bleibt alles gleich. Wir wollen, dass die Leute uns wiedererkennen."
Das "Rhodos" sei der "Gastrodino" im Jungbusch, sagt der Wirt. Seit 44 Jahren gibt es die Kneipe, die heute Abend mit einer Party ihren "Geburtstag" feiert. Mittlerweile treffe sich hier ein Querschnitt der Gesellschaft. Heute kämen leitende Angestellte, die vor Jahren die Mannheimer Wirtschaftsfakultät absolviert haben, Politiker, Künstler, einfache Arbeiter und natürlich Studenten.
"Richtige Stammkunden, die sich jeden Tag an den Tresen setzen und ihr Bier zischen, gibt es nicht mehr", sagt Kosmadakis. Alle fünf Jahre ändere sich das Publikum, dann hätten die meisten Studenten ihren Abschluss gemacht. Dafür kenne er fast jeden seiner Gäste beim Vornamen. "Hier findet mein Sozialleben statt, also will ich hier auch Leute kennenlernen und Spaß haben."
Saki hat den Laden vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen. "Er hat mich vor die Wahl gestellt: Entweder du schaffst deinen Abschluss, oder du schmeißt den Laden hier." Das Jurastudium in Freiburg hat er abgebrochen. "Es reicht, wenn mein Bruder erfolgreicher Arzt ist und ich erfolgreicher Gastwirt."
Der Laden sei immer ein Familienbetrieb gewesen. "Da ziehen alle an einem Strang", sagt Saki. Als er noch studierte, wechselten sich sein Bruder und er damit ab, dem Vater am Wochenende zu helfen.
Heute steht er selbst oft zwölf Stunden in der Kneipe. Drei Angestellte und einige Aushilfen unterstützen ihn. Manchmal hilft auch "Papa Timo", obwohl er schon 81 Jahre alt ist. Bis zum Sonnenaufgang gibt es im "Rhodos" noch Gyros, Souvláki und Tsatsiki. Gerade bei den hungrigen Discobesuchern ist der Laden deshalb am Wochenende die letzte Station nach einer langen Nacht.
"Wir sind ein sicherer Hafen", sagt Saki. "Ich dulde keine Auswüchse. Es hat schon einen Grund, warum wir noch nie einen Türsteher hatten." Während er spricht, spannt er die Brustmuskeln und die Oberarme an. Als Wirt trage er auch Verantwortung für die Gäste. "Hier soll sich jeder wohlfühlen." Er höre sich die Geschichten der Besucher an, schlichte bei Streit und gebe Lebenstipps. "Als Wirt weißt du, wie Menschen ticken."
Schon oft hätten ihm Geschäftsleute angeboten, den Laden zu übernehmen. Immer habe er abgelehnt. "Das hier ist mein ganzes Leben." Und doch sei es auch anstrengend, jeden Tag hinter der Theke zu stehen. "Ich wäre gerne länger bei meinen zwei Töchtern", sagt Saki, die Stirn in Falten geworfen, die Augen zu Schlitzen verengt. "Ich bin aber stolz auf meinen kleinen Laden."
Disco, Restaurant und Kneipe
Für Wirt Saki beginnt der Abend erst richtig um Mitternacht. "Dann geht's bei mir wirklich los." Wach halte er sich mit Kaffee - "und mit ein paar Ouzos".
Vater Dimitrios Kosmadakis gründete das Lokal 1970, später übernahm sein Sohn das "Rhodos".
Bis vor zwei Jahren hatte die Kneipe jeden Tag offen. Jetzt ist sie sonntags zu. "Das war nicht mehr zu schaffen. Ich werde auch älter."
Auch wenn er mittlerweile mit seiner Frau und den beiden Töchtern in einem Vorort von Mannheim lebe, sei der Jungbusch seine "Heimat".
Heute feiert der Laden mit einer großen Party seinen 44. Geburtstag. Saki ist nur fünf Monate älter als das Lokal. jrau
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