Verein Industrietempel - Künstler streichen die Geländer der Kurpfalzbrücke mit goldener Farbe an – weil sie in ihr ein Symbol für Verbindung und Austausch sehen

Darum wird das Geländer der Mannheimer Kurpfalzbrücke golden angestrichen

Von 
Tanja Capuana-Parisi
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Nina Nielebock bei der Arbeit an der Kurpfalzbrücke: Am Samstag soll alles fertig sein. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Die Kurpfalzbrücke verbindet die Neckarstadt mit der Innenstadt. Doch Nina Nielebock bedeutet der 187 Meter lange Steg mehr. Für die 39-Jährige steht die Brücke symbolisch für die Themen Verbindungen und Austausch. Sie ist ein Zeichen gegen Fremdenhass und Abgrenzung. Aus diesem Grund greift sie für ihr Projekt „Die Goldbrücke“ im Rahmen des Vereins Industrietempel seit dem 22. August zum Pinsel. Sie und 25 Helfer, die sich auf Ausschreibungen über Instagram gemeldet haben, streichen die beiden Handläufe der Kurpfalzbrücke in Gold. „Ich möchte die Verbindungslinie zwischen den zwei Ufern betonen.“

Nielebock lebt in Tübingen. Sie ist einerseits freie Künstlerin, anderseits unterrichtet sie Kunst an ihrem Heimatort an einer Schule für Erziehungshilfe. Sie hat Kunst an der Freien Kunstakademie in Nürtingen studiert und an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. „Da bin ich sogar jetzt noch. Ich bin Quereinsteigerin als Lehrerin und mache die pädagogische Ausbildung dort parallel.“ Seit rund sechs Jahren arbeitet Nielebock auch in Mannheim künstlerisch. Dazu gekommen ist sie durch den Industrietempel, der 2015 eine Ausschreibung hatte. Sie habe gedacht, es passe, da sie gern im öffentlichen Raum arbeiten wolle. „Dann war es so eine tolle Zusammenarbeit, weil der Verein so gut funktioniert.“

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Die Mannheimer Kurpfalzbrücke erstrahlt in neuer Farbe

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Brücke als perfekter Ort

Die Grundidee für die „Goldbrücke“ sei mit der ersten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 entstanden. „Ich dachte mir, auch die Künstler müssen zeigen, dass wir Hilfestellung leisten müssen.“ Die Art der Künstler sei einerseits, dass man etwas praktisch mache, andererseits aber auch Bilder erschafft. „Dann bin ich in Mannheim unterwegs gewesen, hab’ die Brücke gesehen und gedacht: An diesem Ort kann man eigentlich ein Bild dafür produzieren.“

Die Kurpfalzbrücke ist für Nielebock aus verschiedenen Gründen der perfekte Ort für ihre Kunst. „Sie ist ganz zentral in der Stadt, da läuft eigentlich jeder mal drüber. Und das ist die meist frequentierte Fußgängerbrücke“, sagt sie. Zudem fahren auch Straßenbahnen, Autos und Fahrräder drüber. „Mir war es wichtig für das Projekt, dass es keine Prunkbrücke ist, sondern Alltagsflair da ist.“ Der Stil sei ganz schlicht, fast schon grazil, aber nicht pompös. „Das finde ich ganz schön.“ Auch die historische Komponente interessiert die Tübingerin. „Die Kurpfalzbrücke wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs von der Wehrmacht zerstört, damit die Alliierten nicht in die Stadt einfallen.“ Die Sprengung aus Verzweiflung habe jedoch nichts gebracht. Dass die Brücke nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde, sei ein Zeichen, dass eine neue, bessere Zeit anbreche, findet Nielebock.

Bei der Suche nach einer Handläuferfarbe wählte sie Gold. „Gold ist schon immer ein Symbol für gebündeltes Licht gewesen“, sagt die 39-Jährige. „Und Licht wiederum steht für Hoffnung und Zuversicht.“ Gleichzeitig sei Gold die Farbe des Aufwertens. So seien die Handläufe vorher grau gewesen und mussten von ihr und den Helfern erst einmal gründlich geputzt werden. „Da sieht man, wie viel Dreck die Menschen in den Jahren darauf hinterlassen haben“, sagt sie. „Mit dem Gold strahlt es besonders, wenn die Sonne drauf scheint.“

Lediglich das Regenwetter habe ihnen die Arbeit erschwert. „Wenn es regnet, kann man den Lack nicht anbringen“, sagt sie. „Wir waren aber trotzdem vor Ort.“ Man habe sich gefragt, ob das Projekt bis zum 3. September beendet werden könne. „Es war klar, dass das Wetter diese Woche schön sein würde - und das nutzen wir aus.“ Am morgigen Samstag ist die Vernissage.

„Es brodelt und kracht“

Im Laufe der Vorbereitungszeit gab es immer wieder Ereignisse wie die Corona-Zeit, an denen Nielebock dachte: „Wie aktuell ist das Thema? Da hat sich gezeigt, dass die Gesellschaft wirklich sehr geteilter Meinung ist und dass es brodelt und kracht.“ Auch die Rechtspopulisten bekämen Zulauf. Danach sei das Thema Afghanistan aufgekommen, was wieder an der ersten Idee anknüpfe. „Das Thema ist so aktuell“, sagt die Künstlerin. „Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, es zu machen und mit Leuten auf der Brücke darüber sprechen kann.“ Sie hofft, dass die gespaltene Gesellschaft wieder vereint werden kann. „Natürlich klappt es nicht durch diese Brücke“, räumt sie ein. Aber sie hofft, dass die Menschen im Austausch bleiben.

Wenn die Gruppe auf der Kurpfalzbrücke an der Arbeit ist, sorgen sie für viele neugierige Blicke. „Die Leute bleiben stehen und fragen uns: ,Was macht ihr denn da? Hat es einen Sinn?’“ Manch einer glaube, Nielebock und ihr Team wollten die Stadt verschönern. Andere wollen beim Streichen selbst Hand anlegen. „Das ist das Ziel dieser Ausstellung, dass man ins Gespräch kommt und jeder mitmacht“, sagt sie. Beim Reden habe sie gemerkt, dass die Leute besorgt und mitfühlend seien. „Und wenn es den einen oder anderen zum Nachdenken anregt, ist es natürlich schön.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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