Mannheim. Es war einfach herrlich – herrlich anders – als eine „normale“ Vorstellung in der Manege, in der berühmte Zirkusartisten auftreten und den Zuschauern der Atem stockt. Die Vorstellung des Circus Inclusioni im Zelt des Jugendzirkus Paletti im Pfeifferswörth würzte vor allem Gesang - dass dort Musik im Vordergrund steht, ist auch nicht verwunderlich, denn hinter den „Artisten“ verbirgt sich der „Heidelberger Beschwerdechor“ unter der Leitung von Bernhard Bentgens.
Programm auch für Gehörlose erlebbar gemacht
In dem Chor engagieren sich rund 30 Sängerinnen und Sänger mit und ohne Behinderung. Das Ensemble, das mittlerweile über die Grenzen Heidelbergs hinaus bekannt ist, existiert seit dem Jahr 2014. In ihren Liedern mit eigenen Texten besingen sie teilweise skurrile, teilweise absurde Momente. Dass darüber auch gelacht werden durfte, zeigten die Künstler an diesem Abend ziemlich eindeutig. Wer sich auf das amüsante Spiel der Moderatorinnen Ruth Grüner und Michaela Schadeck einließ, der erlebte tatsächlich einen Abend, in dem Artistik, Spannung, Überraschung und Verzauberung gezeigt wurde – also eine Imagination, wie sie es selbst bezeichneten.
Das begann schon mit der Einstiegsmusik. Die sei nur „für die Atmosphäre gedacht“, meinte Zirkusdirektor Bernhard Bentgens, der auch schon einmal eine Handvoll Konfetti unter die Zuschauer warf. Neu in der Zirkusvorstellung war Gebärdendolmetscherin Marion Schick aus Leimen, die das Programm auch für Gehörlose erlebbar machte. Das war sicher mehr als ein Gewinn für die Veranstaltung, in der schon nach dem ersten Lied Beifall aufkam.
„Hier im Circus sind wir Menschen alle gleich und alle fühlen sich wohl. Spür den Zauber im Raum und komm mit in unseren Traum“: Der Text stammt vom Zirkusdirektor selbst und wird zu einer Melodie von Michael Jackson gesungen. „Ich hab kein Schutzschild bekommen für diese Welt“ tönte der Chor. Alles sei bunt und stark und hell und „ich soll mich benehmen“. Da bauten die Artisten eine menschliche Pyramide, ehe die Sänger flugs nach einem Rollstuhlklo suchten, weil sie das unbedingt brauchten. Sicher war das ein skurril komischer Liedbeitrag, der aber mit viel Beifall und einer gehörigen Portion Konfetti von den Zuschauern belohnt wurde.
Einige Zauberkunststücke boten dann eine Ablenkung für die bis dahin schon angespannten Lachmuskeln. Bei „Born to be wild“ sauste die Moderatorin im Rollstuhl über die Bühne. Ganz ohne Gitter und Käfige kam die anschließende „Dompteurnummer“ aus. Das Publikum wurde in den Text eingespannt und musste an verschiedenen Stellen „Ah“ und „Oh“ singen. Wegen der scharfen Zähne des Plüschlöwen gab es sogar Trommelwirbel. Die mutigste Frau, die die Welt gesehen hat, brachte den Löwen dazu, durch den Ring zu springen. Schließlich sollte Sängerin Tina Wraase ihre Kleiderfarbe von einem blauen in ein rotes Kleid wechseln, was natürlich nicht sofort gelang. Aber nach einigen Gehversuchen klappte der Trick endlich doch. „Kommt ein Vogel geflogen“ lud zur Pause. „Bin behindert und glücklich, bin behindert und froh“, heißt es da.
Bis dahin waren die Zuschauer schon einmal sehr fröhlich gestimmt, denn die durften sich an verschiedenen Spielen die Pause verkürzen. „Ich höre zum ersten Mal diesen Chor. Ich finde die Stimmen toll und intensiv“, urteilte Christiane aus Heidelberg. Ihre Freundin Anke ergänzte: „Ich bin überrascht, wie gut die singen. Es ist auch schön, dass die Vorstellung so gut besucht ist.“ Die sechsjährige Ada meinte, dass die Vorstellung „sehr schön“ ist. Verwandlungskünstlerin Tina Wraase fand: „Die Atmosphäre hier ist ganz toll. Das Publikum macht super mit. Das macht richtig Spaß, hier aufzutreten. Es ist auch schön, einmal so viel Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Zuschauer Felix aus Mainz stellte fest: „Die Texte sind tiefschürfend und eindringlich und die Musik passt sehr gut dazu.“ Inklusion komme in der Gesellschaft ansonsten etwas zu kurz, was er eigentlich schade findet.
Gelebte Inklusion – das ist die Botschaft des Abends
„Irgendjemand hat immer was zu meckern“, folgte zum zweiten Teil der Vorstellung. Balletttänzerin Carla Filosa sorgte für einen spannungsgeladenen und temperamentvollen Höhepunkt. Sie zeigte Ballett vom Feinsten. Der Jubel aus dem Publikum war ihr sicher.
Mit der „Blindenstockklingel“ sorgte der Chor wieder für Lacher. „Der ganz normale Wahn“ und „Rolli Sally“ kritisierten, wo Rollstuhlfahrer vor allem Probleme haben, bei Stufen und Kopfsteinpflaster. Das große Finale zeigte noch einmal die ganze Kraft des Chores, dessen eindringliche Botschaft „Inklusion“ lautet. „Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in einem Chor, dann ist das, gelebte Inklusion“, so die Erkenntnis nach dieser Vorstellung. Da klang das leise auf dem Akkordeon gespielte Lied „Ade“ von Bernhard Bentgens schon ein klein wenig wehmütig.
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