Mobilität

Chamäleon macht's vor: Neue Kampagne in Mannheim

Ein riesiges, plüschiges und buntes Chamäleon rennt durch die Mannheimer Innenstadt und räumt E-Tretroller aus dem Weg. Was ist da los?

Von 
Lea Seethaler
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Barrierefreiheit ist für sehr viele verschiedene Menschen wichtig. © Screenshot

Eine als Chamäleon verkleidete Person läuft in einem plüschigen Kostüm in der Mannheimer Innenstadt herum. Sie sieht einen E-Tretroller, der den Weg versperrt. Sie packt ihn und räumt ihn energisch zur Seite. Es ist eine Szene eines Videos der neuen Kampagne „Umsichtig unterwegs in Mannheim - aufpassen und anpassen“. Sie will sensibilisieren. Und aufklären. Zudem hinweisen darauf, dass es einfach schlecht ist, wenn Gehwege rücksichtslos zugeparkt werden. Wenn Behindertenparkplätze von Menschen ohne Bedarf genutzt werden. Und, und, und.

Mannheimer erzeugen stetig neue Hindernisse

Denn wer in der Stadt unterwegs ist, sieht: Trotz aller Bemühungen seitens des Rathauses, trotz aller Kontrollen - hier gibt es weiterhin ein Problem. Warum? Auch weil Mannheimerinnen und Mannheimer diese Hindernisse wissend oder unwissend - aber stetig neu - erzeugen.

Das Chamäleon räumt auf. © Screenshot

Die Kampagne will daher auch bilden. Dinge erklären, die vielleicht manchem noch nicht so bewusst sind: Etwa, dass die dunkelgraue Rille am Bahnsteig keine Hinweislinie für Sehende ist. Sondern ein Teil eines Blindenleitsystems, das mit dem Stock erfühlt wird.

Drei Mannheimer Vereine initiieren Kampagne

Die Kampagne will zudem Perspektiven aufzeigen. „Ich bin stark hörbehindert. Das wissen andere Verkehrsteilnehmer wie etwa ein Radfahrer aber nicht. Egal, wie viel der Radfahrer klingelt - ich höre das Klingeln nicht! Das gilt auch für Bus, Bahn und Autos“, so Peter Oedingen, Vorsitzender des Gehörlosenverein Mannheim 1981. Der Verein ist einer von dreien, die alles initiiert haben. Als Gemeinschaftsprojekt. Beteiligt sind auch die AG Barrierefreiheit Rhein-Neckar und dem Badische Blinden- und Sehbehindertenverein (BBSV). Ganz wichtig, das betonen die Verantwortlichen, bei der Pressekonferenz: In der Kampagne soll keine Moralkeule geschwungen, „kein Zeigefinger erhoben“ werden .

Der öffentliche Raum ist für alle da. Jeder will gut und sicher ankommen.
Karlheinz Schneider Vorsitzender Badischer Blinden- und Sehbehindertenverein

Und da kommt das eingangs genannte Zwinkerde Chamäleon, das optische „Zugpferd“ der Kampagne gerade Recht. Das auffällige, eigens für die Kampagne kreierte Maskottchen, soll so die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf sich ziehen. Es sei schon jetzt ein „Selfie Magnet“ bei dem man über die wichtigen dahinterstehenden Themen ins Gespräch komme, so das Team.

 „Umsichtig unterwegs in Mannheim - aufpassen und anpassen“ geht zwei Jahre lang

Erstmals tritt das Plüschtier bald auf dem Weihnachtsmarkt in Erscheinung. Und es flaniert in den kommenden Monaten immer wieder durch die Innenstadt, so der Plan. So ist es auch beim städtischen Neujahrsempfang, Maimarkt und Stadtteil-Wochenmärkten zu Gast. Auch auf Plakaten, Flyern und Postkarten wird man es sehen.

In der Kampagne rücken neben ihm aber vor allem viele Menschen mit Beeinträchtigungen aus der Region in den Fokus. Sie erklären genau, warum eben ein Restaurantstuhl, der mal eben stehengelassen ist, für sie zum Hindernis wird. Mit dabei sind auch Prominente wie die Mannheimer Barrierefrei-Bloggerin Kim Lumelius, die als „wheeliewanderlust“ über Rollstuhlreisen bloggt.

Zwinkert lieber anstatt den Zeigefinger zu erheben: Das eigens für die Kampagne kreierte Maskottchen, das die 360-Grad-Umsicht im Alltag vorlebt. © Lea Seethaler

Warum ausgerechnet ein Chamäleon?

Das Chamäleon hat mit seinen Augen eine fast 360-Grad-Rundumsicht und kann so mögliche Hindernisse im öffentlichen Raum erkennen. Deswegen ist es der „Star“ eines Videoclips, der bald in den Mannheimer Kinos zu sehen sein wird. Und der darüber hinaus auch Social-Media jüngere Zielgruppen „abholen“ soll, so die Verantwortlichen. Denn gerade diese hätten viel Kraft, etwas zu bewegen und zu verändern, so Karlheinz Schneider, Vorsitzender des BBSV.

Sicherheitsdezernent Volker Proffen betont bei der Kampagnenvorstellung, dass von Rücksichtnahme alle profitierten: „Alle Menschen sollen sich im öffentlichen Raum ohne vermeidbare Hindernisse aufhalten und bewegen können.“ Und: „Entsprechende bauliche Voraussetzungen zu schaffen, ist dabei nur ein Aspekt“, so Proffen. „Zwingend notwendig“ sei auch gegenseitige Rücksichtnahme. „Nicht jedem ist bewusst, was er auslöst, wenn er beispielsweise Blindenleitstreifen oder abgesenkte Bordsteine blockiert“, macht er klar. Die Unannehmlichkeiten, die dann entstehen, kennt auch Heinrich Schaudt, Vorsitzender AG Barrierefreiheit Rhein-Neckar, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, leider gut, wie er auf der anhand eines Beispiels auf der Pressekonferenz erklärt. Proffen ergänzt: „Ich bin sehr dankbar für die Initiative der Verbände.“ Die Mobilitätskampagne wird von Stadt mit 60 000 Euro aus dem Beteiligungshaushalt unterstützt. Auch das freue Proffen sehr, betont er.

„Der Ton wird rauer auf den Straßen, sei das Auto gegen Rad, Rad gegen Fuß“, sagt derweil Karlheinz Schneider. Da komme diese Kampagne „gerade zur rechten Zeit.“ Denn: „Der öffentliche Raum ist für alle da. Jeder will gut und sicher ankommen.“

Unterstützt wird die Kampagne zudem von der AOK Baden-Württemberg und der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH, wobei letztere Werbeflächen für die Plakate stellt. Erstellt hat die Kampagne die Mannheimer Content- und Digitalagentur HAAS Publishing, die zur HAAS Mediengruppe gehört, in der auch der „Mannheimer Morgen“ erscheint. „Die Vorbereitungen für weitere Aktionen laufen bereits auf Hochtouren“, erklärt BBSV-Vorsitzender Schneider zufrieden. Zwei Jahre lang wird die Kampagne gehen. Und es wird wieder einmal klar, dass Barrierearmut oder Barrierefreiheit nur funktionieren, wenn alle mitdenken und mitmachen.

www.umsichtig-unterwegs.de

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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