Alle Blicke sind in den Himmel überm Luisenpark gerichtet. Doch das, was da rumschwirrt und mit einem lauten Plumps auf dem Gras landet sind wahrhaftig keine Vögel - sondern fliegende Flaschen in Kuh- und Zebramuster. Auch Mara und Moritz sitzen im Mitmach-Zelt, bekleben ihre Flaschen mit Folien, einem Tennisball und Flügeln. "Meine fliegt bestimmt so hoch wie die Bäume", meint Moritz und füllt Wasser aus dem Planschbecken in seiner Rakete. "Wie hoch die Flaschen fliegen hängt vom Bau und der eingefüllten Wassermenge ab", erklärt Christoph Kommer vom Explore- Science-Team. Mit einem Kompressor füllt er Luft in die Flasche. Dann zieht Moritz am roten Seil. Der Luftdruck verdrängt das Wasser, die Rakete fliegt in hohem Bogen und mit einem Wasserschweif durch den Park. Applaus vom Publikum.
Einige Meter weiter gehen die kleinen Besucher der Naturwissenschaftsmesse auf Spurensuche. Das Ludwigshafener Carl-Bosch-Gymnasium, eine der diesjährigen Partnerschulen, schickt alle Rätselfans auf Krimireise. Es gilt herauszufinden, welcher der drei Verdächtigen tatsächlich in die Villa eingebrochen ist. Dazu müssen die Hobby-Kriminologen Kristallformen vergleichen, Fingerabdrücke unter die Lupe nehmen, Blutspuren untersuchen und die Gangschaltung von Fahrrädern genauestens inspizieren. Zwischen Plakaten, kleinen Lupen und kohlebeschmierten Pinseln sitzt Gül Devoeglu, Mathe- und Physiklehrerin am Carl-Bosch-Gymnasium. An einem Modell erklärt sie den Spurensuchern, wie die DNA aufgebaut ist. Zusammen mit Kollegen aus allen Naturwissenschaftsbereichen hat sie die Stationen entwickelt. "Unsere Spurensuche verbindet alle Naturwissenschaftsfächer. In einer Geschichte verpackt, wollten wir den kleinen Schülern die Stärken der Naturwissenschaften zeigen", sagt Devoeglu. Jeden Tag betreuen Schüler die Mitmachstationen, nehmen Fingerabdrücke und zeigen, wie Salzkristalle aussehen.
Dass sie schwierige Formeln und lange Rechenwege anschaulich erklären können, haben auch Leander, Matthias, Mara und Paula bewiesen. In der Baumhainhalle - dort, wo sonst Professoren während der Naturwissenschaftsmesse auf der Bühne stehen - halten die Neuntklässler des Hölderlin-Gymnasiums in Heidelberg Vorträge zu den Themen "Pi" und "geostationäre Satelliten". Mit einfachen Grafiken, Eselsbrücken und Experimenten zeigen die Schüler dem Publikum was die Kreiszahl Pi und die Gravitationskraft wirklich bedeuten und was alles hinter den langen Formeln steckt. Nicht ganz einfach!
Geometrie für die Kleinsten
Auch die kleinsten Knobelkönige kommen nicht zu kurz: Im Zelt des Englischen Instituts Heidelberg - der dritten Partnerschule - trifft man auf Knirpse, die aus Papier, orangefarbener Knete und Holzstäben geometrische Körper basteln und unter dem Mikroskop Kristalle studieren.
Eigentlich sieht sie nicht anders aus, wie Opas alte, schwarze Schreibmaschine, etwas unförmig und mit mehr Tasten: eine original "Enigma"-Chiffriermaschine, mit der die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges Funksprüche verschlüsselte. Im Luisenpark feiert sie mit allen faszinierten Besuchern den 100. Geburtstag ihres Entschlüsselers Alan Turing. "Er hat verschiedene mathematische Teilaspekte erfasst, kombiniert und alle in ein Verfahren gepackt hat, um die Verschlüsselung dann mit Maschinen auflösen zu können", erklärt Andreas Reuter, Direktor des HITS. Eine Station, an der auch alle Mamas und Papas ins Staunen kommen.
Mathe-Mission geglückt
Es war eine Herausforderung. Nach den Explore-Science- Themen der vergangenen Jahre - Licht, Farbe, Akustik - hatten es die Referenten und Professoren in diesem Jahr mit einer neuen und schwierigeren Aufgabe zu tun: Das wohl unbeliebteste Schulfach Mathe den Jugendlichen nahe zu bringen. Bei den spannenden Experimenten, Mitmachstationen und Rechen-Wettbewerben haben auch die größten Mathemuffel und Formelbanausen Blut geleckt.
Aus ganz Deutschland - und vor allem aus allen Bereichen der Naturwissenschaft - sind Professoren und Lehrer zum Lernfestival gekommen, um zu beweisen, dass Mathe wohl doch mehr mit unserem Alltag zu tun hat, als gedacht. Die wichtigste Erkenntnis: Oftmals sind es die kleine Chemie-Schwester und der Physik-Bruder, die Mathematik lebendig werden lassen und die für viele so schwer fassbare Welt der Zahlen begreifbar machen. Und so hat der Besuch im Luisenpark den Schülern zum Beispiel gezeigt, dass Mathe in Salzkristallen steckt, den Bau von Fußbällen bestimmt und auch in der Musik eine wichtige Rolle spielt. Lange Formeln und Gleichungen waren völlig vergessen! Zuerst naturwissenschaftliche Phänomene erarbeiten, verstehen und dann in eine mathematische Sprache verwandeln - Ein Lern-Konzept, das man nicht besser hätte umsetzen können. Die Mission, Mathematik lebendig werden zu lassen, ist der Klaus-Tschira-Stiftung zweifelsfrei geglückt.
Insgesamt 56 000 Schüler, Lehrer und Eltern haben sich an den ...
Insgesamt 56 000 Schüler, Lehrer und Eltern haben sich an den fünf Tagen auf die Spuren der Mathematik begeben.
In diesem Jahr haben zum ersten Mal die Finalläufe des "Matheatlon"-Wettbewerbs im Luisenpark stattgefunden. Unter den Gewinnern der dritten bis fünften Klassen waren auch einige Mannheimer Schüler: Leonie Schneider, Liliana Raubach, Konstantin Marzukiwicz, Nikolas Brunner von der Wallstadtschule und Alexa Gass von der Oststadtschule.
Arnaud Kunkel vom Liselotte-Gymnasium hat den zweiten Platz der siebten Klassen belegt. laro
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