Hitzige Debatte

Bratwurst, Buden, Brüste - Sexismus auch auf der Mannheimer Maimess?

Von 
Lea Seethaler
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Ein Abbild einer Frau an einer Bude auf der Mannheimer Maimess 2022. © Lea Seethaler

Man muss schon wirklich lange suchen, bis man auf der Maimess die von Stadträtin Angela Wendt (Grüne) angesprochenen „sexistischen Abbildungen von Frauen an Fahrgeschäften und Spielbuden“ findet. Dann, wenn Abbildungen vor einem auftauchen, wird deutlich, was die Stadträtin in ihrem Statement schreibt: Frauen in „erotischen Posen“ an mehreren Geschäften.

„Hätten Konsens finden können“

Die Grüne Gemeinderatsfraktion Mannheim fordert, „dass solche sexistischen Darstellungen in Zukunft nicht mehr zugelassen“ werden. Stephan Schuster vom Mannheimer Schaustellerverband sagt auf Anfrage zu den Vorwürfen: „Zunächst wäre es schön gewesen, das persönliche Gespräch mit den Verbänden oder den aus Sicht der Grünen betroffenen Kollegen zu suchen.“ Dies habe leider vor der offiziellen Antragstellung nie stattgefunden und „ist insofern bedauerlich, da wir der Meinung sind, dass man im gemeinsamen Diskurs durchaus hätte einen Konsens finden können.“

„Natürlich verwehren wir uns gegen den Vorwurf“, so Schuster weiter zu dem Sexismus-Vorwurf. „Volksfeste sind seit jeher Veranstaltungen, auf denen jeder Mensch herzlich willkommen ist.“ Nun bekämen Einzelunternehmer „aus dem Nichts heraus einen sehr negativen und gewiss nicht zutreffenden Stempel aufgedrückt, und dies lässt uns lediglich konsterniert über den Umgang der Grünen mit unserer Berufsgruppe zurück.“ Dennoch sagt Schuster: „Konkret zum aufgekommen Thema sehen wir uns momentan allerdings nicht in der Position, dies abschließend zu bewerten, da uns hierfür die entsprechende Expertise fehlt.“ Fraglich sei auch, „inwieweit man bei den Lackierungen durch die Kunstfreiheit im Grundgesetz geschützt ist“, so Schuster.

Bild-Sexismus ein „blinder Fleck“

Des Weiteren sei es „eine persönliche Ansichtssache“, ob „erotische Posen direkt sexistisch sein müssen“ oder „aber auch die Weiblichkeit und vor allem die weibliche Selbstbestimmung sowie die von Frauen für Frauen erkämpfte Freiheit der Frauen in Gänze verdeutlichen“, sagt er. Das sieht man bei der Stadt nicht so - und weist auf mangelnde Sensibilität gerade beim Thema Abbilder hin: „Obschon Bilder zunehmend eine zentrale Rolle in unserer Kommunikation spielen, scheint der frauenverachtende Umgang in der Werbung geradezu ein blinder Fleck“, so die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Zahra Deilami, auf Anfrage. „Oft ist den Ausstellerinnen und Ausstellern diese überholte Sehgewohnheit nicht bewusst, und natürlich spielt auch ein finanzieller Aspekt eine Rolle. Aber es ist unabdingbar, zu zeigen, dass ein Frauenkörper keine Ware ist“, macht Deilami deutlich. „Während eine geschlechtergerechte Sprache mittlerweile Einzug in die Mitte der Gesellschaft hält, ist das Thema Gleichstellung wenig im Bilddiskurs spürbar.“

Ausdruck „eines Missstands“

Angela Wendt, auch frauenpolitische Sprecherin der Grünen Gemeinderatsfraktion, fordert in ihrem Statement: „Die Stadt muss dafür sorgen, dass zukünftig solche billigen Darstellungen nicht mehr zugelassen und vertraglich ausgeschlossen werden.“ Damit liegt sie auf Linie mit der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, die sich auf Anfrage zur Debatte äußert. Sie fordert bundesweite Regulierungen: Man wolle, „dass sexistische, frauenfeindliche und diskriminierende Werbung in ganz Deutschland geächtet, verboten und sanktioniert wird“. Frauenfeindliche Werbung sei „Ausdruck eines gesellschaftlichen Missstands“ und trage „zur Fortführung von geschlechterbasierten Unterdrückungsstrukturen“ bei.

„Natürlich lässt die Thematik momentan keinen der Schausteller unberührt“, so Stephan Schuster. „Allerdings weckt es auch Unverständnis, da wir nach zwei Jahren der Pandemie und dem damit einhergehenden faktischen Berufsverbot einfach nur froh darüber waren, wieder langsam loslegen zu können und unsere Brötchen zu verdienen“, sagt er. Jetzt seien Einzelne damit konfrontiert, „dass noch vor der langsamen wirtschaftlichen Erholung ihre Existenz erneut bedroht ist, gerade auch im Hinblick auf die Kosten von Lackierarbeiten.“

Die Stadt arbeitet indes „mit relevanten Akteuren wie den Mannheimer Parkhausbetrieben und dem Stadtmarketing an einer Richtlinie gegen sexualisierte Werbung im öffentlichen Raum“, heißt es aus dem Rathaus. Hier schließe die Stadt sich an den Deutschen Werberat an, „der regelmäßig Unternehmen rügt, die das Phänomen ,Sex sells’ forcieren.“

Auch in Stuttgart hatten die Grünen sexistische Abbildungen von Frauen auf dem dortigen Frühlingsfest kritisiert. Daraufhin hatten sich Schausteller und Grüne zu Gesprächen getroffen. Die Schausteller gestalten nun mehrere Abbilder um. Es gehe um drei halbnackte Frauen, deren Blusen oder Büstenhalter offen waren, sagte Mark Roschmann vom dortigen Schaustellerverband. Eine Dame bekomme eine geschlossene Bluse, bei einer anderen werde der BH geschlossen. Finanziell sei es nicht möglich, komplette Fassaden schnell umzugestalten. „Das fängt im mittleren fünfstelligen Bereich an“, so Roschmann. (mit dpa)

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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