49,1 Prozent: Nur knapp jeder Zweite der unter-35-jährigen Wahlberechtigten hat bei der Landtagswahl 2011 von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht - bei den Über-60-Jährigen waren es 69,9 Prozent. Warum wählen? Was kann ein Einzelner schon bewirken, mag sich mancher der Jungen vielleicht denken. Wenn man in die lachenden Gesichter von Julian Faber, Lara Pontes Schmeckenbecher, Sahara Yilmaz, Yannis Staab und Carina Achtnich schaut, liegt die Antwort ganz nahe. "Weil es Spaß macht," findet Lara, die gerade noch rechtzeitig vor dem 13. März 18 wird. Günther Grass hatte es einmal schlicht so formuliert: "Es ist ein Glück, wählen zu dürfen. Das ist der Besitz: eine Stimme. Sie fällt ins Gewicht und beweist, dass ich lebe."
"Bei uns zu Hause wird viel diskutiert. Ich finde das auch wichtig, weil man so lernt, zu argumentieren. Mein Vater ist politisch aktiv, vielleicht liegt das in der Familie", erklärt der 17-jährige Yannis sein Interesse. Zugegeben: Die fünf Bachschüler sind vielleicht nicht die normalen Durchschnittsschüler. Sie alle haben Politik vierstündig als Neigungsfach gewählt. Doch das Interesse kam nicht über Nacht.
"Richtig spannend wird es eigentlich erst, wenn man genügend Infos gesammelt hat und weiß, was die Parteien wollen", sagt Lara Pontes Schmeckenbecher. Die 17-Jährige weiß, wovon sie spricht. Im letzten Jahr war sie beim Schülerforum mit den Mannheimer Oberbürgermeisterkandidaten im "Capitol" auf der Bühne. "Das war super. Ich wollte eigentlich mal moderieren, weil ich gerade ein Rhetorik-Training absolviert hatte. Aber mit der Zeit habe ich richtig Spaß an der Lokalpolitik gefunden."
Im Moment bereiten sich Yannis und Carina als Teil des Organisationsteams auf die Diskussionsrunde mit den Mannheimer Direktkandidaten vor. "Wir setzen uns mit dem Thema Bildungspolitik auseinander und bereiten Fragen vor", berichtet Carina. Die Gruppe wird emotional. Alle sind sich einig: G 8 ist ein Fehler. Bulimie-Lernen, Dauer-Stress, kaum Freizeit. "Der Bildungsplan ist viel zu voll, viele haben in der Oberstufe ihre Hobbies aufgegeben. Ich spiele seit einem Jahr kein Tennis mehr", berichtet Sahara. Und Lara ergänzt: "Die meisten sind nach dem Abi noch so unentschlossen, dass sie ohnehin erst mal ein Jahr Auszeit nehmen. Da könnte man auch gleich ein Jahr länger lernen.""Bei diesem Thema gibt es eben keine Gewerkschaft, die dagegen demonstriert", merkt Julian an. "Ich finde das Ganztagsschulsystem eigentlich recht überzeugend", bekennt sich Yannis. "Aber wer garantiert dir, dass die Begabten die Schwächeren unterstützen?", fragt Julian. "Mir macht das Thema Bildungsgerechtigkeit die meisten Sorgen. Es darf ja Unterschiede geben, aber die dürfen eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen", wirft Sahara ein.
Politische Debatten verfolgen die Fünf auf verschiedenen Kanälen. "Manchmal schaue ich mir Bundestagsdebatten an oder Ausschnitte von Reden auf YouTube. Aber ich lese auch Zeitung. Das Internet bietet oft einen schnelleren Zugang. Ich habe zum Beispiel auf meinem Facebook-Account mehrere Zeitungen abonniert", meint Yannis.
Im Zweifel zählt Sympathie
Und dann gibt es da noch das Thema, dass im Moment alle bewegt - die Flüchtlingspolitik. Lara berichtet von ihrem ehrenamtlichen Engagement. "Ich unterstütze einen Flüchtling aus Sierra Leone. Wenn man sich mit den Menschen auseinandersetzt, merkt man, wie wichtig es ist, zu differenzieren und sich nicht von irgendwelchen Vorurteilen leiten zu lassen", ist sie überzeugt. Die Vorfälle in Köln und anderen Großstädten in der Silvesternacht machen die Jugendlichen aber nachdenklich. "Klar, man hat schon Bedenken, wenn man nachts auf dem Heimweg ist. Aber das war auch vor Köln schon so", erzählt Sahara. "Es ist ein schwieriges Thema, weil die Diskussion schnell in den Populismus abrutscht. Genau deshalb sollte man es nicht den anderen überlassen", findet Julian.
Was ihre Wahlentscheidung angeht, halten sich die Jugendlichen noch bedeckt. "Wenn ich zwischen zwei Kandidaten schwanke, werde ich nach Sympathie gehen", unterstreicht Julian. Bis zum Wahltag ist noch ein bisschen Zeit. Den Vorwurf, sich nicht ausreichend mit der politischen Debatte auseinandergesetzt zu haben, müssen sich die Fünf auf jeden Fall nicht gefallen lassen.
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