Mannheim. Lange vergessene Opfer - und ein Zeichen gegen Rassismus: Passend zum Tag des Gedenkens an die Opfer des NS-Regimes am 27. Januar ist nun die neue Fotoausstellung „Schwarze Menschen als Opfer des Nationalsozialismus“ im Kulturhaus RomnoKher eröffnet worden. Zu sehen sind Fotos, Häftlingskarten, Briefe und historische Dokumente von schwarzen Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.
Die Europaabgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana hat nach jahrelanger Forschung eine Ausstellung konzipiert, die das Leben dieser Menschen dokumentiert. Nachdem die Fotoausstellung bereits im vergangenen April im französischen Straßburg im Europaparlament eröffnet wurde, gastiert sie nun im Kulturhaus RomnoKher. Der Verband Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg (VDSR BW) hat es sich zur Aufgabe gemacht, in zeitlicher Nähe zum 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des NS-Regimes, an gesellschaftlich lange Zeit vergessene Opfergruppen zu erinnern. „Wir leben in schwierigen Zeiten mit Krieg und Terrorismus“, sagte Daniel Strauß, Vorsitzender des VDSR BW bei der Eröffnung am Samstag. „Wenn wir unsere Gegenwart verstehen, können wir unsere Zukunft beeinflussen.“
Die Ausstellung lenkt die Aufmerksamkeit auf Afrodeutsche, die während der Nazizeit in Deutschland lebten - und diskriminiert wurden. Dabei verloren sie meist ihre Arbeit, die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihnen entzogen. Zunehmend waren sie von Zwangssterilisation, Inhaftierung und Ermordung bedroht. Im Rahmen des Euthanasieprogrammes wurden sie auch für medizinische Experimente missbraucht. Herzberger-Fofana möchte mit ihrer Ausstellung erreichen, dass das Schicksal der rund 3000 schwarzen Menschen, die während der NS-Zeit zu Opfern wurden, nicht in Vergessenheit gerät.
Schicksale von 3000 Menschen
Zur Eröffnung der Ausstellung in Mannheim war auch Claus Preißler, Beauftragter für Integration und Migration der Stadt, gekommen. „Es ist schmerzlich, zu sehen, dass in den letzten Jahren, und speziell seit dem 7. Oktober, die Atmosphäre sich verändert hat. Antisemitische Äußerungen sind stark gestiegen, wir erleben täglich rassistische Vorfälle. Prognosen zeigen, dass nicht nur Dinge wieder sagbar, sondern auch rechtsextreme Parteien wieder wählbar werden“, sagte Preißler und lud ein zur Demonstration am Samstag, 27. Januar, auf dem Alten Messplatz. „Wir zeigen: Wir sind mehr, wir sind nicht unsichtbar.“
Tim Müller, wissenschaftlicher Leiter des VDSR BW, erklärte, dass der Verdacht, es gebe eine „Opferkonkurrenz“ nicht aufkommen soll. „Es geht um eine Solidarität des Erinnerns, wir möchten alle Opfer miteinbeziehen.“ Auch Rolande Haun, Vertreterin der Black Academy, betonte: „Es ist ein Zeichen fortwährender Geschichte, an die Opfer zu erinnern, das haben wir mit den Sinti und Roma gemeinsam.“ Nach den Begrüßungen folgte der Vortrag zur Ausstellung von Herzberger-Fofana selbst: „Im Jahre 2015, 50 Jahre nach dem Holocaust, schrieb ich einen Brief an Kanzlerin Merkel wegen einer Rede im KZ Dachau. Ich wollte erreichen, dass sie die schwarzen Menschen erwähnt, die dort waren. Sie hat es getan, und ich habe mich gefreut.“ Manche der Opfer, die überlebten, habe sie gekannt, zum Beispiel Gert Schramm: Geboren 1928 in Erfurt als Sohn eines Afro-Amerikaners und einer Deutschen, wurde Schramm 1944 ins KZ Buchenwald deportiert. Dort glaubte er, der einzige Schwarze zu sein. Aber er irrte sich. „Deutsche und Franzosen waren getrennt. Unter den Franzosen waren mehrere Schwarze, unter den Deutschen war Gert der einzige“, erklärte Herzberger-Fofana.
Letzte lebende Zeitzeugin
Später engagierte sich Schramm gegen Rechtsextremismus und erhielt 2014 das Bundesverdienstkreuz. Die einzige der Personen, die heute noch lebt, ist Marie Nejar, geboren 1930 in Mülheim an der Ruhr. Auch mit ihr hält Herzberger-Fofana den Kontakt. „Leider ist sie sehr krank, sie geht nicht mehr ans Telefon.“ Marie musste als Jugendliche auf Anweisung von Goebbels in rassistischen Propagandafilmen mitspielen und wurde vorgeführt. So überlebte sie die NS-Zeit. Mit Eintritt der Nürnberger Rassengesetze 1935 durfte sie ihre Schulausbildung nicht fortsetzen, verlor ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Diese bekam sie erst 1990 wieder - auf eigenen Antrag und gegen Geld.
Die Ausstellung ist bis zum 22. Februar zu sehen in B 7, 16, Montag bis Donnerstag von 9.30 bis 12 Uhr und 14 bis 16.30 Uhr.
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