Gastronomie - Schwulen-Café schließt nach 20 Jahren

Ausgelassener Abschied vom "XS"-Format

Von 
Meena Stavesand
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Abschiedsfasnachtsparty: Dagmar Grimm, Kathrin Winter, Matthias Ruff, Christine Stückle, Daniel Fey, Mathias Holland-Cunz und Daniel Weier (v.l.) feiern.

© Blühtner

"Es war ein richtig cooles Kapitel in meinem Leben." Mathias Holland-Cunz guckt hinaus auf die Kunststraße. Der Chef des "XS" hat das Schwulencafé vor 17 Jahren übernommen, als es in dem Laden nicht wirklich gut lief. Der heute 47-Jährige hat daraus ein Szenelokal gemacht - und es in Mannheim zu einer Institution werden lassen. Morgen dreht er zum letzten Mal den Schlüssel um: Das "XS" schließt nach insgesamt 20 Jahren. Wirtschaftlich sei es in den vergangenen Monaten sogar bergauf gegangen, aber Unstimmigkeiten mit der Vermietung führten nun zum Ende. "Was als nächstes kommt, weiß ich nicht", sagt Holland-Cunz. "Ich habe mich erst einmal darum bemüht, dass die Übergabe vernünftig läuft - und meine Mitarbeiter woanders unterkommen." Zwei davon wechseln ins Café Klatsch, einer möchte etwas anderes machen.

Mit Fasnachtparty geht's zu Ende

Auch Mathias Holland-Cunz wollte bereits aufhören. "Vor einem Jahr hätte ich den Laden fast schon abgegeben, ich fühlte mich ausgelaugt - ich glaube, man nennt sowas Burn-out." Einen Nachfolger hatte der Mannheimer schon in petto, aber dann machte er doch weiter. Jetzt ist aber endgültig Schluss, der Mietvertrag gekündigt. An anderer Stelle möchte der studierte Politologe mit dem "XS" nicht weitermachen. "Vielleicht ergibt sich irgendwann etwas, aber erst mal hole ich ein bisschen Luft" - und lässt die 17 Jahre, die er hinter der Theke stand, Revue passieren.

Mit einer großen Fasnachtsparty ging es gestern quasi zu Ende. Viele Wegbegleiter waren gekommen, um Tschüss zu sagen. "Schon die vergangenen Abende waren teilweise melancholisch. Die Leute verabschieden sich sogar von mir, obwohl ich ja in Mannheim bleibe", sagt er und muss lachen. "Für mich war das ,XS' wie mein Wohnzimmer, das wird mir sehr fehlen", schreibt ein Stammgast. Ein andere sagt: "Es war schön, dass hier jeder willkommen war, egal mit welcher Geschichte." Außerdem hätten die Party "mit Schlager und viel Jägermeister" immer Spaß gemacht - "einfach zusammenkommen und andere bunte Menschen kennenlernen", das sei das Motto vieler Gäste gewesen. Die hätten sich in den vergangenen Jahren übrigens auch gewandelt. "Wir hatten am Ende eigentlich immer ein gemischtes Publikum hier. Auch Heterosexuelle kamen zu uns."

Doch in erster Linie war das "XS" ein Treffpunkt für die homosexuelle Szene. "Diese ist in Mannheim stark vertreten. Das liegt vor allem daran, dass es solche Lokale in Heidelberg und Ludwigshafen nicht gibt. Viele Gäste kamen aus der ganzen Region zu uns", erklärt Holland-Cunz, der auf wilde Zeiten und viele Diskussionen zurückblicken kann. "Es ist schon passiert, dass plötzlich Eier durch die Tür geflogen kamen oder die Scheiben morgens bespuckt waren." Manche wollten bei Partys auch Krawall machen, "aber das meiste lässt sich im Gespräch regeln" - das hat Mathias Holland-Cunz in den vergangenen 17 Jahren gelernt. "Ich nehme viel mit aus dieser Zeit", sagt er nicht ohne Wehmut.

Szenelokale in Mannheim

  • Das "XS" in N7, 9 schließt morgen zum Ende des Monats. Eine Wiedereröffnung an anderer Stelle ist zurzeit nicht geplant.
  • Eine Auswahl weiterer Kneipen und Bars für Homosexuelle in Mannheim: Café Klatsch, Hebelstraße 3; Café Kußmann, T6, 19; Café Lello, Berliner Straße 17; Café Solo, U4, 15-16.

Redaktion Reporterin in der Lokalredaktion. Schwerpunkte: Soziales, Senioren, Medizin, Kommunalpolitik, junge Themen.

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