Mannheim. Wieder verlassen zwei inhabergeführte Geschäfte mit Tradition die Innenstadt, eines in der Freßgasse, das andere in der Kunststraße. Um es vorwegzunehmen: Mit dem gerade heiß diskutierten und umstrittenen Verkehrsversuch hat der Rückzug in beiden Fällen nichts zu tun. Ein Verlust ist es trotzdem, weil wieder etwas Individualität in der Handelslandschaft verlorengeht.
Noch wenige Wochen hat Artefakte in der Kunststraße geöffnet, ein Geschäft, in dem Inhaber Jörg Eckert und seine Frau Bettina Dietz selbst importierte Ware aus Indonesien, Thailand, Nepal und Indien verkaufen. „1993 haben wir hier angefangen, mit zwei Rucksäcken voll Ware aus Bali“, erzählt Jörg Eckert.
Teilweise zweites Geschäft in Heidelbeg
Wer ihren etwas versteckten Laden in O 7 – gelegen „zwischen Wettbüro und Spielhalle und einem Waffengeschäft gegenüber“, so Eckert – betritt, fühlt sich tatsächlich auf einen asiatischen Markt versetzt: Silberschmuck, Kleidung und Kunsthandwerk schmücken die Vitrinen, Auslagen und Dekorationen. Angefangen hat alles mit Kunsthandwerk und Schnitzereien, später kamen noch Kleidung und Seidentücher hinzu.
Zwischenzeitlich, von 2001 bis 2011, betrieben sie ein zweites Geschäft für Möbel in der Unteren Straße in Heidelberg. Die Waren haben sie bei Händlern vor Ort ausgewählt und bestellt. Ein Schwerpunkt der Einkaufstouren des Ehepaars war zunächst die Insel Bali, später vor allem die thailändische Hauptstadt Bangkok. Jedes Jahr ließen sie die Waren in einem 35-Kubikmeter-Container nach Deutschland verschiffen. „Wir haben vor Ort ein Team, das die Container packt“, erzählt der Inhaber zum Ablauf der Transporte. Nach sechs bis acht Wochen seien die Güter im Hamburger Hafen angekommen.
Als Corona kam, mussten auch sie ihren Laden schließen, zum ersten Mal überhaupt. Damit konnten sie weder verkaufen, noch Nachschub ordern, denn Reisen nach Asien waren lange Zeit nicht möglich. Jetzt sind zwar die meisten Restriktionen gefallen, trotzdem wollen sie nicht weitermachen. „Nach dem Lockdown ist das Geschäft nicht mehr richtig angelaufen“, klagt Eckert. Außerdem seien die Container und der Transport sehr teuer geworden. „Es ist alles gegen uns gelaufen, wir hätten sonst noch weitergemacht.“ Eines wird aber bleiben: ihre Liebe zu Asien. Mehr als 25 Mal war das Ehepaar schon dort, und nach drei Jahren Pause wollen sie bald wieder dorthin aufbrechen. Ihr nächstes Ziel ist Thailand, sagt Eckert: „Wir haben uns in Land und Leute verliebt.“
63 Jahre am Standort
Den Abschied aus der City schon vollzogen hat Honig Reinmuth. Seit 63 Jahren war das Geschäft in der Innenstadt, immer in P 2 in der Freßgasse. „Wir wären gerne noch geblieben“, bedauert Geschäftsführerin Caroline Trautz-Reinmuth „doch unser Mietvertrag wurde nicht verlängert“, ohne Angabe von Gründen. Das ziemlich plötzliche Aus schmerze, schließlich sei Mannheim der Ursprung des Unternehmens.
Fast 100 Jahre liegt das zurück, 1926 wurde das Geschäft gegründet, als Feinkosthandel mit Bienenhonigverkauf. Weil Wohnung und Laden nach einem Fliegerangriff zerstört waren, verlegte Heinrich Reinmuth das Geschäft nach Mosbach. Von dort aus managt die Familie das Unternehmen weiter, denn aktuell sei keine neue Ladenfläche in Mannheim in Aussicht. „Wir sind traurig“, sagt Trautz-Reinmuth. Am meisten vermisse sie die Kunden. Diejenigen, die von der Schließung überrascht wurden, werden auf den Onlineshop verwiesen. Außerdem solle ein „ausgewähltes Sortiment“ im Südlandhaus erhältlich sein.
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