Wenn von "Spinelli" die Rede ist, dürfte so ziemlich jeder Mannheimer an die einstige US- Kaserne denken, die nun als Flüchtlingsunterkunft dient. Aber was hat es mit dem italienisch klingenden Namen auf sich, den die Amerikaner dem Militärareal am Feudenheimer Aubuckel gegeben haben? Der "MM" machte sich auf Spurensuche, tauchte in eine berührende Familien-Geschichte ein und fand jenen Granitblock, auf dem eine Bronzetafel zu Ehren des 1945 gefallenen Dominic Spinelli geprangt hat.
Wer in Gedenk-Portalen zum Zweiten Weltkrieg recherchiert, erfährt: Dominic Spinelli war ein Italo -Amerikaner, der als einfacher Gefreiter beim 398. US-Infanterie-Regiment Sanitätsdienste versah. Er wurde am 14. April 1945 im Landkreis Heilbronn tödlich von Kugeln getroffen, als er versuchte, verwundete Landsleute aus der Feuerlinie zu bergen. Drei Jahre später gab die US-Armee der in Feudenheim genutzten ehemaligen Pionierkaserne den Namen Spinelli Barracks.
Aus Feinden wurden Freunde
Von der posthumen Geschichte des Sanitäters, der Arzt werden wollte, aber nur 22 Jahre alt wurde, ist nirgends etwas zu lesen. Dabei hat sein Schicksal 17 Jahre nach Kriegsende nahe Angehörige über Kontinente hinweg zusammengebracht. Alte "MM"-Artikel erzählen von einer ungewöhnlichen Familienzusammenführung, die einstige Feinde - inzwischen Freunde geworden - ermöglicht haben.
Das amerikanisch-deutsch-italienische Projekt begann, als 1962 in den Feudenheimer Versorgungs-Barracks für den Namensgeber Spinelli eine Tafel angebracht werden sollte. Damals fiel US-Offizieren auf, dass über das kurze Leben des aus Hamilton/Ohio stammenden Italo-Amerikaners kaum etwas bekannt war. Sie nahmen Kontakt zur dortigen Zeitung auf. Reporter fanden heraus, dass Dominic Spinelli Sport und Musik geliebt, vor dem Eintritt in die Armee (September 1944) die "Medical School" der Missouri-Universität besucht hatte. Außerdem schickte "The Journal News" eine Verwandtenliste: Ganz oben standen die Adressen der noch lebenden Eltern und der Schwester. Bei Oberstleutnant Cramer und Major Farr reifte die Idee, die Drei zur Enthüllung der Gedenktafel einzuladen. Allerdings galt es Geld für Flüge zusammenzubringen, die sich die Familie nicht leisten konnte. Und so entstand das "Spinelli-Komitee".
Eingebunden war auch Don Antonio Mattalia, der in Mannheim italienische Landsleute betreute - die ersten angeworbenen Gastarbeiter. Der Seelsorger wandte sich seinerseits an den Bürgermeister der apulischen Hafenstadt Bari und den Bischof von Reggio Calabria, um dortige Spinellis aufzuspüren. Benefizaktionen brachten Geld in die Komitee-Kasse: beispielsweise deutsch-amerikanische Bingo-Abende und ein großes Konzert, das der Feudenheimer Harmonika-Club "Gut Klang", Käfertaler Akkordeon-Spieler und Musiker der 33. Army-Band gemeinsam im Rosengarten gaben. Eintritt: drei Mark.
Im Juli 1962 war es soweit: Die posthume Ehrung des 1945 erschossenen Sanitäters Dominic Spinelli vereinte eine ursprünglich süditalienische Familie, die Armut auseinandergerissen hatte. "Ein bewegendes Wiedersehen" schrieb der "MM". Der ausgewanderte 65-jährige Vater Dan Vito Spinelli hatte seine Brüder vor 42 Jahren das letzte Mal gesehen. Was auch für jene Vettern galt, die inzwischen in Bremen arbeiteten. Oberbürgermeister Reschke lud die Spinellis aus Nah und Fern ins Rathaus ein. Am Tag darauf zelebrierte ein Geistlicher der Familie gemeinsam mit dem Käfertaler Pfarrer eine Gedenkmesse im Hof der Barracks. Den Altar unter freiem Himmel hatten Wallstädter Bürger geschmückt, der Feudenheimer Gesangsverein "Deutsche Einheit" umrahmte den Gottesdienst.
Der Gedenkstein wurde bei einer militärischen US-Feier enthüllt, an der auch eine Bundeswehrformation, viele Ehrengäste und natürlich Angehörige teilnahmen. Auf dem Granitblock aus dem Heppenheimer Stadtwald prangte eine Bronzetafel mit dem Text: "In Memoriam Dominic Spinelli - 1923 bis 1945." Darunter stand in italienischer, englischer und deutscher Sprache das Dante-Wort: "In seinem Willen ist unser Friede". Vor ihrer Abreise machten sich die Spinellis zu der württembergischen Gemeinde Willsbach auf, in deren Nähe "ihr" Dominic im letzten Kriegsmonat sein Leben gelassen hatte. An jenem 14. April 1945 war Mannheim - durch das der junge Italo-Amerikaner vermutlich vorher marschiert ist - bereits eingenommen.
Die im "MM" festgehaltene Spinelli-Geschichte endet mit einem Brief an Mannheims OB: Dan und Esther Spinelli, die ihren Sohn durch deutsche Scharfschützen verloren haben, schreiben von "manch guten Erinnerungen", die sie von Deutschland nach Amerika mitgenommen haben - sie danken für beeindruckende Gastfreundschaft.
Bronzeplatte entfernt
Und heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später? Kopfschütteln wie Achselzucken, wenn man Menschen, die sich in den Spinelli Barracks auskennen, nach dem Gedenkstein fragt. Barbara Mai von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bietet an, sich an der Suche zu beteiligen. Im alten Kasernenhof gleich hinterm Haupteingang werden wir fündig: Unweit vom Fahnenmast prangt tonnenschwer und doch unscheinbar der Findling. Die Gedenktafel fehlt. Eine Mitarbeiterin des BImA-Projektbüros Konversion findet heraus, dass die US-Armee die Platte vor Übergabe des Areals im Januar 2014 entfernt und im Stützpunkt Kaiserslautern eingelagert hat.
Aber damit soll die Geschichte des Dominic Spinelli keineswegs enden. Künstler Philipp Morlock will sie in sein Konversion-Zeitstromprojekt als Teil der kulturellen Stadtentwicklung einweben. Auf dem Gelände der ehemaligen Taylor Barracks stellte er bereits eine Rückblick-Installation vor. Morlock möchte auch eine "Spinelli-Zeitstation" kreieren.
Soldaten als Namensgeber
- Die US-Armee benannte von ihr genutzte Wehrmachtskasernen häufig nach gefallenen Soldaten. 1948 beschloss sie, insgesamt acht Kasernen in der Region den Namen von Amerikanern zu geben, die sich bei Kämpfen im Raum Heilbronn mit heldenhaftem Verhalten ("performing acts of heroism") hervorgetan und dabei ihr Leben verloren haben. Sie waren, wie Dominic Spinelli , Gefreite der 100th Infantry Division.
- Die Seckenheimer Hammonds Barracks (einst Loretto Kaserne) erinnert an Robert Hammonds, der bei einem Einsatz als Telegrafenarbeiter 19-jährig starb. Robert Funari, der Kameraden vor drohender Gefahr gewarnt hat, ist der Namensgeber der ehemaligen Gallwitz-Kaserne in Käfertal. Die einstige Flakkaserne, Käfertal, wurde George F. Sullivan gewidmet.
- Die Coleman Barracks, vormals Fliegerhorst Sandhofen, heißen nach Lieutenant Colonel Wilson Coleman (1911 -1944): Er hat in Frankreich mit einer Panzerfaust und dem Einsatz seines Lebens eine deutsche Panzerkolonne aufgehalten. (wam)
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