Kultur - Schon als 14-Jährige tritt die Mannheimerin Devrim Lingnau in Fernsehproduktionen auf – in diesem Jahr steht sie in ihrer Heimatstadt vor der Kamera

Auf dem Sprung in die große Filmwelt

Von 
Timo Schmidhuber
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„Mannheim ist der Ort, an dem ich zur Ruhe kommen kann“, sagt die Nachwuchsschauspielerin Devrim Lingnau. Das Bild entsteht im Dezember beim Gespräch mit „MM“-Redakteur Timo Schmidhuber im „Café Prag“. © Blüthner

Es ist nur eine kleine Rolle. Trotzdem sind die beiden Drehtage im November in ihrer Heimatstadt für die Mannheimer Schauspielerin Devrim Lingnau einer der Höhepunkte des Jahres. „Dabei haben sich zwei Bereiche vermischt, die mir wichtig sind“, erzählt die 20-Jährige. Zum einen Mannheim, wo sie aufgewachsen ist und immer noch wohnt. Zum anderen die Schauspielerei, ihr Beruf.

Im schwarz-braun gemusterten Kleid sitzt die Frau mit den schulterlangen Haaren vor einem Glas Latte macchiato im „Café Prag“, einem ihrer Lieblingsorte, wie sie erzählt. „Borga“ heißt der Film, der zum Teil in Mannheim entsteht. Er handelt von einem Ghanaer, der die Elektroschrotthalden Afrikas verlässt und nach Deutschland aufbricht, um ein besseres Leben zu finden. Dort trifft er auf die Ärztin Lina, verkörpert von Christiane Paul, bekannt durch Filme wie „Im Juli“. Lingnau spielt ihre Tochter.

Enorme Wandlungsfähigkeit

„Christiane Paul hat eine starke Präsenz“, sagt die Nachwuchsdarstellerin bewundernd über die erfahrene Kollegin. Gedreht wird unter anderem im Restaurant „Marly“ im „Speicher 7“. Auch das eine Art Rückkehr für die Mannheimerin: Nach dem Abi hatte sie in der Bar gekellnert.

Christiane Paul ist nicht die erste deutsche Fernsehgröße, mit der Devrim Lingnau gearbeitet hat. Obwohl erst 20, ist die in Feudenheim Aufgewachsene schon ein paar Jahre im Geschäft. Mit 14 bekommt sie von ihren Eltern – der Vater Türke, die Mutter Deutsche – ein Schauspielseminar in München geschenkt. Das Mädchen überzeugt so sehr, dass sie gleich bei einer Agentur aufgenommen wird und kurz danach ihren ersten TV-Auftritt hat – in einem Film-Fall der Reihe „Aktenzeichen XY“. „Ich habe die Tochter eines Mordopfers gespielt. Da habe ich gesehen: Das ist es“, sagt sie und grinst dabei. Und fügt dann ernst hinzu: „Ich bin ein Mensch, der ständig an etwas arbeiten muss. Der Beruf des Schauspielers ist da toll, weil man immer vor einer neuen Herausforderung steht.“

Es folgen Auftritte im Kinderkanal und mit 17 in einer Episode der Krimireihe „Unter Verdacht“ – mit Senta Berger. Lingnau, in deren Elternhaus Religion nach ihren Angaben keine große Rolle spielt, verkörpert darin ein türkisches Mädchen, das in die Fänge von Islamisten gerät und sich radikalisiert. „Senta Berger ist ein großes Vorbild“, erinnert sie sich. „Und beim Drehen war sie sehr herzlich.“ „Unter Verdacht“ ermöglicht der Mannheimerin den wichtigen Sprung von einer Agentur für Kinderdarsteller zu einer für Erwachsene. Die vermittelt ihr seitdem Rollen – genügend, dass sie davon leben kann, wie sie erzählt. Devrim Lingnau zeigt in ihren Auftritten eine große Wandlungsfähigkeit: In der Zeit der Abiturprüfungen am Bach-Gymnasium steht sie 2017 in Paris für eine Science-Fiction-Mini-Serie vor der Kamera. Danach verkörpert sie eine geheimnisvolle Fremde im englischen Film „Carmilla“, der zur Zeit der Hexenverfolgung spielt.

Frankreich, England – die junge Frau ist bisweilen viel unterwegs. Umso mehr legt sie Wert darauf, in Mannheim zu wohnen. „Mannheim ist der Ort, an dem ich zur Ruhe kommen kann.“ Die Neckarstadt-West, wo sie mit ihrem Freund eine Wohnung hat, sieht sie als Stadtteil, „der im Kommen ist“. Lingnau liebt die Alte Feuerwache und die „Enjoy Jazz“-Konzerte. Einmal die Woche geht sie ins „Atlantis“, um sich einen Film anzuschauen.

Kunststudium seit August

Das Jahr 2018 hält für sie noch einen weiteren Höhepunkt bereit: Im August beginnt Lingnau ihr Kunststudium in Karlsruhe – schon am Bach-Gymnasium sei Kunst ein Schwerpunkt, sie erzählt vom Töpfern und vom Werkraum dort. Keine Schauspielschule also? Nein, irgendwie sei das für sie nicht das Richtige. „Weil ich auch noch viele andere Interessen habe.“ Christiane Paul habe ja auch Medizin studiert. „Das sind alles Ressourcen, auf die man als Schauspielerin zurückgreifen kann“, findet sie. Dazu komme, dass Bildende Kunst ja nicht nur Skulpturen und Gemälde seien. „Mich interessieren auch Videoinstallationen, und da ist man dann sehr nahe beim Film.“ Die Begeisterung ist der jungen Frau anzusehen, wenn sie über solche Verbindungen spricht. Mit den Händen zeichnet sie die Struktur ihrer Gedanken vor sich förmlich in die Luft. Das Denken macht ihr mindestens genauso viel Spaß wie die Schauspielerei.

Der Latte macchiato ist leer. Zum Schluss die abgedroschene, aber dennoch spannende Personaler-Frage: Wo sieht sich Devrim Lingnau in zehn Jahren? „Als Schauspieler ist das schwer zu sagen, weil man es nicht selbst in der Hand hat“, antwortet sie. „Ich hoffe, dass ich mein Studium abgeschlossen habe. Aber die Schauspielerei sehe ich schon als Hauptberuf.“

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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