Umnähen, umfunktionieren, umdenken – alten Textilien oder anderen Materialien ein neues Leben zu schenken und ein Zeichen gegen Fast Fashion (schnelle Mode) zu setzen, ist in den letzten Jahren zum Trend, geradezu zu einer neuen Lebensart geworden. Wiederverwertung statt wegwerfen, lautet die Devise. Die Schülerinnen und Schüler des Liselotte-Gymnasiums haben daraus eine ganze Geschäftsidee entwickelt: Im Rahmen ihres Seminarkurses gründen die Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse ihr eigenes Unternehmen.
Alte Werbebanner
Dieses Jahr haben sie sich auf die Herstellung von Taschen und anderen Alltagsgegenständen spezialisiert. Das Besondere ihres Unternehmens BETA.use: Alle Produkte werden aus gebrauchten Materialien wie alten Werbebannern und Stoffresten gefertigt. „Sowohl wir als auch unsere Kunden tragen so zum Schutz der Umwelt sowie der Vermeidung von Müllentstehung bei“, erklärt Noel Langen (16), einer der Mitarbeiter der Firma.
Auf diesen Gedanken geht auch der Name der Firma zurück. Der Begriff BETA bezieht sich hier auf den gleichnamigen zweiten Buchstaben beta des griechischen Alphabets, was dafür steht, alten Materialien ein zweites Leben zu schenken. Gleichzeitig wird es wie das englische Wort better ausgesprochen, übersetzt so viel wie besserer Nutzen.
Neben dem Gedanken der ökologischen Nachhaltigkeit ist die zweite Besonderheit, dass alle Produkte von den Schülern selbst gestaltet und genäht werden. „Dadurch, dass wir verschiedene Materialien verwerten, ist jedes Produkt ein Unikat“, erklärt Noel. Die letzte Materialspende kam von der Alten Feuerwache Mannheim, die der Firma drei Banner zu vier mal fünf Meter zur Verfügung stellte. „Aus diesen wurden zum Beispiel Tragetaschen gefertigt“, berichtet der Schüler.
Ideen entwickeln, nähen, Werbung, Verkauf – alle Fähigkeiten und Fertigkeiten eignen sich die Schüler selbst an. Verliert man da nicht manchmal den Kopf? „Wir haben vier Abteilungen mit jeweils einer Leitung: Marketing, Finanzen, Verwaltung und Produktion. Außerdem gibt es eine gewählte Firmenchefin, Lucy“, erklärt Noel. Lucy Liu (16) erinnert sich: „Am Anfang lief die Koordination noch nicht so gut, wir hatten ja alle keinerlei unternehmerische Erfahrung. Aber es ist sehr motivierend zu sehen, wie sich die Firma entwickelt hat und wir uns helfen und verbessern.“ Das ist wichtig für einen reibungslosen Ablauf. Während sich das Produktionsteam bei Design und Umsetzung abspricht, bei wem die Sachen gefertigt und gelagert werden und sich um den Versand kümmert, behält die Finanzabteilung den Überblick über die Anteilseigner der Firma. Zu Beginn des Schuljahres erwerben Interessenten Anteile der Firma, der Erlös dient als Startkapital. „Wenn wir das Projekt beenden, bekommen die Leute das zurück mit dem Gewinn oder Verlust, den wir mit der Firma gemacht haben“, erläutert Noel.
David Blümmel, Lehrer und Pate, lobt den Einsatz der Gruppe: „Die Firma fordert viel Selbstdisziplin und großen Einsatz – oft über die normale Schulzeit heraus.“ Dennoch seien alle sehr motiviert. Lucy bereut ihre Wahl nicht: „Das ist etwas ganz anderes als die normalen Schulfächer, bei denen man oft denkt, das brauche ich nicht fürs Leben. Man bekommt einen sehr guten Einblick, wie Unternehmen funktionieren“, findet sie. Doch auch sie trifft die Corona-Pandemie hart. „Sich nur per Videokonferenz zu koordinieren, war eine Herausforderung. Wir haben zum Beispiel mal online gemeinsam genäht“, erinnert sich Lucy. Aber vor allem der Verkauf gestaltet sich schwierig. Einzig im Dezember konnten sie auf dem Schulhof verkaufen.
Gegenseitige Unterstützung
„Dass unsere Produkte nachhaltig und nützlich sind, kommt gut an. Und jetzt mit Corona muss man sich ja auch gegenseitig unterstützen“, findet Noel. Mit dem Gewinn wurde das Sortiment um umweltfreundliche Produkte erweitert, unter anderem Mäppchen. Ohne Präsenzverkauf fokussieren sie sich jetzt vermehrt auf den Online-Verkauf über ihre eigene Website oder die Plattform Instagram. Für das Team ist ihre Firma längst mehr als ein benotetes Schulprojekt. Lucy könnte sich sogar vorstellen, das Unternehmen mit anderen nach dem Schuljahr weiterzuführen: „Vielleicht schaffen wir es sogar, auch außerhalb von Mannheim eine Bewegung zu starten und uns für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einzusetzen.“
Das Schulprojekt
In der elften Klasse kann das mündliche Prüfungsfach im Abitur mit dem einjährigen Seminarkurs „Schülerfirma“ ersetzt werden. Neben Tätigkeitsberichten, Gesprächen und einer Präsentation zu einem Wirtschaftsthema gibt es verpflichtende Vorlesungen sowie Unterrichtsnoten. Daraus entsteht eine Gesamtnote, die in die Abiturnote eingerechnet wird.
Gefördert wird die Firma BETA.use von IW JUNIOR, einem Tochterunternehmen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln. Ziel der Initiative ist die Vermittlung ökonomischer und finanzieller Bildung an Schulen und die Förderung von Schulfirmen. Neben Messen und Seminaren laufen auch Online-Verkaufsplattform, Wettbewerbe, Versicherung, sowie rechtliche Überprüfung über IW JUNIOR.
Der Schulfirma werden 90 Anteilscheine zu je 10 Euro zur Verfügung gestellt, die am Anfang des Schuljahrs an Privatpersonen verkauft wurden. Das erwirtschaftete Geld dient als Grundkapital für Materialkosten. Die Verwendung des verbliebenen Kapitals bestimmt der Anteilseigner. Aktuell läuft der Verkauf über den Online-Shop (mystudentcompany.com/iw-junior/company/beta-use) sowie den Instagram-Account (instagram.com/beta.use). jdoe
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