Sport

Als die Fußball-Nationalelf in Mannheim Geschichte schrieb

Es war ein Spektakel ohnegleichen: Am 10. Februar 1929 fand erstmals in Mannheim ein Fußball-Länderspiel statt. Gegen wen die deutsche Mannschaft spielte und wie das ausging

Von 
Andi Nowey
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Die deutschen Spieler (allen voran Bundessportlehrer Otto Nerz) laufen durch das Marathontor ins Stadion, die Stelle, durch die heute die Waldhof-Fans auf die Otto-Siffling-Tribüne des Carl-Benz-Stadions gelangen. © Andi Nowey/Illustrierte Sportzeitung

Sonntag, 10. Februar 1929. Wie in diesem Jahr fiel der Kalendertag auch damals auf das Faschingswochenende. Der Unterschied von diesem Samstag zum Mannheim vor 95 Jahren: Während die feiernden Narren heute fast schon frühlingshafte Temperaturen erwartet, herrschten im Februar 1929 klirrend kalte zweistellige Minusgrade.

Der Höhepunkt spielte sich damals trotz allem nicht in Gaststätten und auf der Straße ab, sondern im Mannheimer Stadion, das seinerzeit noch den amtlichen Namen „Große städtische Spielplatzanlage“ trug. Zum ersten Mal überhaupt fand in der Quadratestadt, die in den Jahren zuvor bereits mehrfach eine gewichtige Rolle im süddeutschen Fußball gespielt hatte, ein Länderspiel der deutschen Auswahl statt.

Viel Lob von der Fachpresse

In der Chronik des Deutschen Fußball Bundes (DFB) wird die Partie gegen die Schweiz als offiziell bereits 70. Länderspiel geführt. Zweifelsohne, dieses Länderspiel war das bis dahin größte Ereignis, das Mannheim in der noch jungen Fußball-Geschichte erleben durfte. Trotz des frostigen Wetters waren die freudigen Anhänger aus allen Richtungen herbeigeeilt. Mannheim stand ganz im Zeichen des großen Spiels, zumal auch der Fastnachtsumzug ausfiel.

Die Trams fuhren ununterbrochen mit Sonderwagen zum Stadion, das bei Spielbeginn zum ersten Mal seit Bestehen restlos gefüllt war. Es werden wohl um die 35 000 Zuschauer gewesen sein, die bei herrlichem Winterwetter dem Spiel auf schneebedecktem Boden folgten.

Einzige Wermutstropfen aus Mannheimer Sicht waren, dass zum einen der etatmäßige und beste deutsche Torhüter seiner Zeit, Heiner Stuhlfauth, absagen musste, und zudem kein Verein aus der Quadratestadt einen Auswahlspieler stellen konnte. Lediglich der Linienrichter der Partie wurde vom VfR Mannheim gestellt.

Der „Fußball – Illustrierte Sportzeitung“ kommentierte die Leistung des Schiedsrichter-Assistenten in der damals gebräuchlichen Sprache: „Bohn (V.f.R.) besorgte dies, er ist ein höflicher Mensch, und da er ja auch von Fußball etwas versteht, fiel er nicht auf.“ Doch auch die deutschen Spieler zeigten eine Leistung, die noch lange in den Köpfen der Augenzeugen haften blieben. Mit 7:1, dem bis heute höchsten Sieg einer deutschen Länder-Mannschaft gegen die Eidgenossen, fertigten die Spieler von Bundessportlehrer Otto Nerz die Schweizer ab.

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Während des gesamten Nachmittags kreisten Flugzeuge über dem Stadion, drehten Loopings und Schrauben. Den eigentlichen Spielball warf ein Flieger allerdings erst ab, als das Spiel schon begonnen hatte. Georg Frank von der SpVgg Fürth mit Viererpack (8., 45., 61., 72.) sowie Hanne Sobeck (Hertha BSC Berlin) mit zwei Treffern (23., 83.) und Sepp Pöttinger vom FC Bayern München (57.) zeichneten für die deutschen Tore verantwortlich.

Das Mannheimer Tagblatt schrieb zu diesem Erfolg: „Die deutsche Mannschaft hat einen eindrucksvollen Sieg davongetragen wie vielleicht noch nie, seitdem ein Länderspiel ausgetragen wurde. Ein schwacher Punkt war nicht vorhanden, die Mannschaft machte in allen Teilen einen gleich guten Eindruck, und vor allen Dingen stellte sie gegenüber den Schweizern eine wesentlich andere Klasse dar.“

Tödlicher Unfall

Die Begeisterung der Zuschauer wuchs mit jedem Tor, blieb aber frei von Überheblichkeit, sogar das Ehrentor der Gäste zum zwischenzeitlichen 1:6 wurde stürmisch bejubelt. Auch die „Neue Mannheimer Volkszeitung“ geriet ob des glanzvollen Auftritts der Mannschaft ins Schwärmen: „Die deutsche Kombination hatte, was man so nennt, „ihren“ Tag. Vom Beginn an klappte es. Man sah, daß was glückte. Und das gab der Mannschaft den bewundernswerten Elan, den Zug, den Geist, der sie den Gegner einfach überrennen ließ. Man spielte eben Fußball, wie man ihn nur ganz selten zu sehen bekommt.“

Auch organisatorisch bekamen die Verantwortlichen in Mannheim ein gutes Zeugnis ausgestellt dafür, dass erstmals ein Länderspiel zur Austragung kam. Lediglich die Unterbringung der Pressevertreter, die wenig vorteilhaft links und rechts am Spielfeldende untergebracht wurden, stieß leise Kritik hervor.

Zudem ereignete sich ein bedauerlicher Unglücksfall. Aus dem Saarland war ein Sonderzug in einer Stärke von 1000 Anhängern angereist. Selbst die beißende Kälte im ungeheizten Zug hatte ihrer Begeisterung keinen Abbruch getan. Als sie aber im Stadion einrückten, fanden sie die ihnen versprochenen Plätze besetzt vor. Bei der Suche nach einer Stelle mit gutem Überblick stürzte dann ein Zuschauer von einem Turm herab und erlag seinen Verletzungen. Doch ansonsten überwog der sportliche Triumph des deutschen Teams.

Der „Fußball – Illustrierte Sportzeitung“ schrieb im Nachgang: „Man brauchte nur in der vergangenen Woche einmal durch Mannheims Straßen zu gehen und den Jungen zuzuhören, wie sie begeistert von Hoffmanns ,Tricks’, von Franks ,Bombenschüssen’, von Reimanns Flanken und von Pöttingers Kopfballtor erzählten [...]. Aber auch die ,Alten’ werden den 10. Februar nicht leicht vergessen. Sahen sie doch nach langer, langer Zeit wieder einmal erstklassigen Fußball.“

Die Zuschauer waren gar so begeistert, dass sie die deutsche Elf auf den Schultern vom Platz trugen. Zurecht stellte die Fachpresse die rhetorische Frage: „Ob das schon einmal einer deutschen Länderelf passierte?“

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