Sexuelle Selbstbestimmung

Aidshilfe zum Weltfrauentag: „Wir reden drüber: Stealthing und sexualisierte Gewalt“

Die Aidshilfen im Land möchten am Weltfrauentag „ein in der Gesellschaft oft tabuisiertes Thema" in den Blick nehmen: Stealthing, das heimliche Abziehen des Kondoms beim Sex – eine tückische Form von sexualisierter Gewalt

Von 
Lea Seethaler
Lesedauer: 
(Symbolbild) © dpa

Mannheim. Die Aidshilfen Baden-Württemberg möchten am Weltfrauentag, 8. März, „ein in der Gesellschaft oft tabuisiertes Thema in den Blick nehmen: Stealthing – eine besondere Form von sexualisierter Gewalt“, so die Aidshilfe Baden-Württemberg in einer Mitteilung.

Hierbei handelt es sich um das heimliche Abstreifen oder Weglassen des Kondoms beim Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Person, mit der der Sex stattfindet. „Dies ist ein gravierender Vertrauensbruch in direktem Widerspruch zu den Regeln des sexuellen Konsenses und der Selbstbestimmung“, betont die Aidshilfe.

Kondom beim Sex heimlich entfernt: Nachahmer tauschen sich im Netz aus

Zuletzt hatten auch Mannheimer Beratungsstellen, wie KOSI.MA, das Zentrum für Sexuelle Gesundheit, auf Fälle davon aufmerksam gemacht. Den betroffenen Frauen, die in der Beratung davon berichteten, würde oft viel später bewusst, wie sehr ihre Grenze durch dieses heimliche Vorgehen überschritten worden ist, berichtete dabei Em Brett von KOSI.MA. Derweil tausche sich eine Art Szene intensiv im Netz zum Vorgehen aus – und animiere so womöglich Nachahmer.

„Doch Stealthing ist bei weitem nicht nur ein moralisches Fehlverhalten, sondern laut BGH ein strafbarer sexueller Übergriff (gemäß § 177 Abs. 1 StGB.)“, betont die Aidshilfe. Neben gravierenden psychischen Folgen könne es auch körperliche Konsequenzen haben. So können dabei HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) übertragen werden. Auch ungewollte Schwangerschaften sind eine mögliche Folge.

„Umso wichtiger, dass diese Form der sexualisierten Gewalt auch am 8. März nicht ausgeblendet wird“, so die Einrichtung. An diesem Tag werde zudem darauf aufmerksam gemacht „dass Frauen, trans*, inter* und nicht-binäre Menschen weltweit in einer Vielzahl von Lebensbereichen weiterhin systematisch benachteiligt und diskriminiert werden“, so die Aidshilfe weiter.

Frauengesundheit: Mangelhaft

Auch in der gesundheitlichen Versorgung bestehe diese Benachteiligung: „Die Forschung zur Diagnostik und Behandlung vieler Erkrankungensei  für männliche Patienten normiert. HIV und Aids bleiben bei Frauen etwa häufiger lange unentdeckt, weil Frauen nicht zu den gemeinhin benannten Risikogruppen gezählt werden, auch wenn weltweit mehr Frauen als Männer von HIV und Aids betroffen sind“, heißt es. Späte Diagnosen können zur Folge haben, dass wirksame Therapien zu spät begonnen werden.

„Darüber hinaus werde bei Frauen und Menschen, die schwanger werden können, in der Sexualaufklärung und -medizin häufig nur die Schwangerschaftsgesundheit und Verhütung fokussiert. Zu sexuell übertragbaren Infektionen, Sexualfunktionsstörungen, aber auch lustvoller und selbstbestimmt gelebter Sexualität wird kaum Wissen vermittelt und Ressourcen angeboten“, konstatiert die Aidshilfe.

Femidom und Lecktücher: Eher unbekannt

Auch um dieser Ungleichbehandlung entgegenzuwirken, veranstalten die baden-württembergischen Aidshilfen nun am Weltfrauentag Vor-Ort-Aktionen „bei denen das Thema sexuelle Gesundheit und Selbstbestimmung von Frauen, trans*, inter* und nicht-binären Menschen im Zentrum steht.“ Dabei soll informiert werden, wie „eigenverantwortlich für die sexuelle Gesundheit gesorgt“ werden kann. Die Beratungsstelle macht noch einmal deutlich: „Jede Person, die sexuell aktiv ist und wechselnde Partner*innen hat, sollte sich regelmäßig auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen testen lassen.“ Testangebote machen zum Beispiel lokale Aidshilfen wie in Mannheim KOSI.MA oder Gesundheitsämter.

Insbesondere über Methoden zum selbstbestimmten Safer Sex und Schwangerschaftsverhütung solle gesprochen werden. „Beispielsweise ist für viele Menschen das Femidom immer noch unbekannt. Es ermöglicht Schutz, in dem es vor dem Sex in die Vagina eingeführt wird. Auch Dental Dams, auch Lecktücher genannt, sind nicht weithin bekannt. Sie werden beim Oralverkehr über die Vulva, das Genital oder den Anus gelegt und schützen so vor sexuell übertragbaren Infektionen.“

Zusätzlich zu den Aktionen vor Ort gibt es am Weltfrauentag von den  Aidshilfen im Land eine Social-Media-Kampagne #wirredendrüber, um mit politischen Forderungen auf ihre feministischen Anliegen aufmerksam zu machen.

Von Stealthing und sexualisierter Gewalt betroffene Menschen können sich an das kostenlose „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ (unter der Nummer 116 016) oder jede Polizeidienststelle wenden. Ebenso helfen regionale Aidshilfen/Zentren für sexuelle Gesundheit weiter und können den Kontakt herstellen. Daneben bieten die Aidshilfen in Baden-Württemberg und Gesundheitsämter Tests auf sexuell übertragbare Infektionen an.

 

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke