Mannheim. Vor wenigen Tagen saß Antti Soramies bei der Geburtstagsfeier eines Freundes in einem Feudenheimer Biergarten. Fast nur Fußball-Fans, der Eishockey-Sachverstand ging von null bis mittelprächtig. Umso größer war die Überraschung, als Soramies - seit 1998 Adler-Reporter bei Radio Regenbogen - von einem großen Traum erzählte: Sein Sohn sei eventuell bei der am Freitag beginnenden Weltmeisterschaft dabei, und das in seiner Heimat Finnland. „Dann wäre ich sehr stolz.“ Er und seine Frau würden dann spontan zum Turnier mitfliegen. Doch dass es klappe, sei unwahrscheinlich.
Und nun meldet sich am Handy ein überglücklicher Antti Soramies. Nach dem Anruf des Sohns mit der großartigen Nachricht hätten seine Frau und er sich an den Händen gefasst, ihnen seien fast die Tränen gekommen. „Totale Gänsehaut!“
Tickets für ganze Familie
Hat er im Biergarten ein bisschen tief gestapelt, was die Chancen angeht? „Nein“, sagt Soramies. „Ich dachte, die Wahrscheinlichkeit geht gegen null.“ Die Konkurrenz sei groß, sein Sohn habe erst vier Wochen zuvor erstmals für die Erwachsenen-Nationalmannschaft gespielt. Urlaub hätten seine Frau und er jetzt nur, weil sie eigentlich immer um diese Zeit Ferien machten. „Ich war auf Österreich oder so eingestellt.“
Jetzt fliegen sie für zehn Tage nach Finnland, wo noch fast Soramies’ komplette Familie lebt. „Meine Schwester versucht, möglichst für alle Tickets aufzutreiben.“ Das Eisstadion in Helsinki sei nur etwa 30 Kilometer vom Haus seiner Eltern entfernt. Samuel Soramies - als zweiten Vornamen trägt er nach finnischer Tradition den des Vaters - lässt ausrichten, er fände es absolut großartig, jetzt „bei Oma und Opa“ die WM spielen zu können. 2010, als sie in Mannheim stattfand, habe er als Elfjähriger auf den Rängen der SAP Arena davon geträumt, selbst mal im Nationaltrikot aufzulaufen. Wie seine Mutter ist er Deutscher.
Am Freitag gegen Kanada
- Samuel Soramies kommt aus dem Nachwuchs der Mannheimer Adler. Von 2018 bis 2020 stand er bei den Profis unter Vertrag, wurde zwischenzeitlich aber an Heilbronn abgegeben.
- Die letzten beiden Jahre war er in Ingolstadt, zur nächsten Saison wechselt der 23-Jährige nach Augsburg.
- Zum Auftakt der Eishockey-WM trifft er am Freitag mit Deutschland auf Kanada (19.20 Uhr, Sport 1).
Schon als kleines Kind habe der Sohn unbedingt Eishockey spielen wollen, erzählt Antti Soramies. Doch weil das ja einen ziemlichen Aufwand bedeute, habe er abgewiegelt: Das gehe erst mit sechs. Dann sei Samuel auch beim Fußball sehr zufrieden gewesen. Nachdem sie etwa ein Jahr nicht mehr darüber gesprochen hätten, „dachte ich, er hat es vergessen“. Doch dann seien seine Frau und er am Geburtstag singend ins Zimmer gekommen, der Sohn habe die Augen aufgemacht und gesagt: „Jetzt in ich sechs Jahre alt. Jetzt kann ich Eishockey spielen.“
Am 6. Dezember 2019 erzielte Samuel Soramies seinen ersten Treffer fürs Profiteam der Adler. „Er hat von rechts geschossen, der Puck ist vom Torwart unfassbar langsam Richtung Tor gekullert. Ich dachte: Geh endlich rein!“, erinnert sich der Vater. Trotz aller Freude habe er sich um einen professionellen Ton als Live-Berichterstatter bemüht. Aber alle vor ihm hätten sich umgedreht. Der Sohn habe von der Eisfläche aus freudig in seine Richtung gegrüßt.
Antti Soramies’ Freund Terence Träber hat den Original-Kommentar noch auf dem Handy. „Tooor, Tooor, Soramies mit dem Tooor“ hört man den Vater rufen, bevor er deutlich ruhiger fortfährt: „1:0 für die Adler - das ist, was hier das Wichtige ist.“
Nun kann er hemmungslos jubeln
Dass Samuel Soramies nicht mehr für die Adler spiele, sei für ihn besser, meint der Vater. „Dann wird er nicht ständig mit mir konfrontiert.“ Damals hätten sie bewusst nicht über Interna gesprochen, damit der Sohn nicht verdächtigt werden könne, etwas aus der Kabine an die Presse zu verraten. „Was ich über ihn wusste, hatten mir andere Spieler gesagt.“
Umso schöner ist es für Antti Soramies, jetzt nicht als Reporter, sondern als Spielervater zur WM zu fahren. „Da kann ich hemmungslos jubeln.“ Anfangs werde der 23-Jährige wohl eher nicht eingesetzt. Aber in den insgesamt sieben Vorrundenpartien bekomme er bestimmt seine Spielzeit. Finnland ist in einer anderen Gruppe. „Ich bin froh, dass mir dieser Konflikt erspart bleibt“, lacht Antti Soramies. Sein Heimatland ist für ihn der große Titelfavorit. Deutschland traut er Außenseiterchancen zu, das Viertelfinale sei schon drin. Und unvergesslich für seine ganze Familie wird dieses Turnier in jedem Falle bleiben.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-adler-radioreporter-antti-soramies-fliegt-als-spielervater-zur-eishockey-wm-in-seine-heimat-_arid,1949156.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html