Kultur - "Mr. & Mrs. Smith", das größte Filmarchiv in der Region, beendet nach 24 Jahren den Verleih - die Konkurrenz aus dem Internet ist zu stark geworden

Abspann - Kultvideothek macht zu

Von 
Timo Schmidhuber
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"Wenigstens bekommen so die Kunden die Filme." Steffen Lückehe vor seiner Videogalerie. Er wollte die Sammlung erhalten, aber ohne Erfolg. Ab 22. Oktober beginnt nun der Einzelverkauf.

© Tröster

Wie es sich anfühlen wird, wenn es soweit ist - Steffen Lückehe hat keine Ahnung. Vielleicht wird er mit seinen Mitarbeitern noch einen Wein trinken, vielleicht auch nicht. "Man weiß ja nicht, was die Emotionen mit einem machen." Ein trauriger Tag wird es auf jeden Fall, dieser Samstag, der 27. Oktober. Der 50-Jährige wird dann die Glastür seiner "Film- und Videogalerie Mr. & Mrs. Smith" zum letzten Mal abschließen. Nach 24 Jahren macht das mit 4500 Titeln größte Filmarchiv der Region für immer zu - das Ende eines Stücks Mannheimer Filmgeschichte.

Rechts geht's zum Regal mit den aktuellen Filmen, dahinter kommen die Kinderfilme. Links ist die Krimi-Ecke, und wer in dem engen Laden ein paar Schritte geradeaus macht, steht direkt vor der Ausleihtheke mit den großen Karteikästen. Die wirken wie eine Trutzburg im digitalen Zeitalter. Und doch hat Lückehe, wie so viele andere Geschäftsleute auch, den Kampf gegen dieses Zeitalter verloren. "Die Leute brauchen nicht mehr in die Videothek, sie können Filme im Internet herunterladen, illegal und auch ganz legal." Der studierte Sozialarbeiter, braune Jeans, Cordjacke, zerzaustes, graues Haar, analysiert ganz sachlich die Gründe, hier zwischen all seinen Filmen, Autorenkino von Lubitsch, Truffaut und Fassbinder steht in den Regalen genauso wie das, was man "Mainstream" nennt, "Pretty Woman" oder "Harry Potter".

"Überangebot durch Fernsehen"

Aber nicht nur das Internet bereitet Probleme. "Auch der Preisverfall bei den DVDs." Das Ausleihen bei Lückehe kostet je nach Titel drei oder vier Euro pro Tag, viele Filme kann man heute aber schon für fünf Euro kaufen. Ende der 80er war das noch anders. Da musste man für Videos 39,90 Mark hinlegen. Und bevor sie in den Verkauf kamen, gab es die Filme ein Jahr lang ausschließlich im Verleih. Lückehe hat in seiner Studienzeit oft bis in die Nacht Filme geschaut. 1988 entschied er sich schließlich, mit einem Partner den Laden aufzumachen.

Dem hat zuletzt auch das Fernsehen mit seinen vielen Serien das Leben schwergemacht. "Das führt einfach zu einem Überangebot", sagt Lückehe. Dabei gebe es richtig gute Serien, "Die Sopranos", "Weeds" oder "Breaking Bad". Die Drehbuchautoren hätten die Serien für sich entdeckt, "sie haben da viel mehr Zeit, um Charaktere zu entwickeln". Aber Serien funktionieren halt nicht in Videotheken. "Die Leute holen den ersten und vielleicht den zweiten Teil, dann hören sie auf." Serien seien im Schuber zu Hause einfach praktischer.

Und aus all diesen Gründen hängen jetzt Zettel im Ladenfenster mit der Botschaft "Wir schließen" - geklebt auf Filmplakate von Coppolas "Dracula" und Jeunets "Die fabelhafte Welt der Amelie". Und selbst die hinreißend dunklen Augen von Audrey Tautou nehmen der Botschaft nichts von ihrer Härte. "Schade", kommentiert eine 29-Jährige die Schließung. "Hier kam man her, wollte einen Film ausleihen und hat dann oft zwei oder drei mitgenommen, weil man zufällig darauf gestoßen ist."

Dass es eng wird, hat sich allerdings abgezeichnet. Schon 2011 fing Familienvater Lückehe wieder halbtags als Sozialarbeiter an. Anfang dieses Jahres war dann klar, dass das nicht reichen wird. Lückehe schrieb die Rathäuser in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen an und fragte, ob sie Möglichkeiten sehen, die Sammlung im Wert von rund 10 000 Euro zu erhalten, für die Stadtbibliothek beispielsweise. "Aber da war kein Interesse." Auch das Cinema Quadrat habe abgelehnt, die Filme zu übernehmen.

Deshalb wird "Mr.&Mrs. Smith" jetzt noch bis 20. Oktober verleihen, in der Woche darauf beginnt dann der Einzelverkauf. "Wenigstens bekommen so die Kunden die Filme", tröstet sich Lückehe. Wie viele er behalten will, weiß er noch nicht: Die Tragikomödie "Funny Bones" und Akira Kurosawas King-Lear-Adaption "Ran" werden aber wohl dabei sein. Das sind seine Lieblingsfilme.

Hitchcock als Namenspate

  • Die Videothek "Mr. & Mrs. Smith" in M 7,11 ist nach dem gleichnamigen Film von Alfred Hitchcock benannt, einer der wenigen Komödien des "Meister des Suspense".
  • Der Verleih läuft noch bis 20. Oktober. Von 22. bis 27. Oktober (je 14 bis 20 Uhr) werden alle Filme verkauft.
  • Eine DVD kostet vier Euro, ab einer Stückzahl von drei beträgt der Preis je drei Euro. imo

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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