Kultur - Prof. Carl Fingerhuth gibt nach vier Jahren turnusgemäß den Vorsitz des städtischen Gestaltungsbeirates auf / Drei neue Mitglieder bestimmt

Abschied von der Architektur-Jury

Von 
Anke Philipp
Lesedauer: 

Als Experte in städtebaulichen Fragen nicht nur in Mannheim ein allseits gefragter Gesprächspartner: Prof. Carl Fingerhuth.

© proßwitz

Eine Stadt ohne Veränderung ist langweilig, eine Stadt mit zu viel Veränderung wird bedrohlich: Nur, wenn die Balance stimme, würden sich Menschen auch wohl fühlen, sagt Prof. Carl Fingerhuth und weist den Städten vor allem die Aufgabe zu, Veränderungsprozesse zu begleiten. Vier Jahre war der renommierte Architekt, Stadtplaner und gebürtige Schweizer aus Zürich als Vorsitzender des städtischen Gestaltungsbeirates selber Teil des kreativen Transformationsgetriebes. Nun hört er turnusgemäß auf.

"Exzellent beraten"

Baubürgermeister Lothar Quast dankte gestern allen Mitgliedern bei der 20. Sitzung des Gestaltungsbeirates im Collini-Center für die "bereichernde Zusammenarbeit" der vergangenen vier Jahre. In dieser Zeit habe der erste Mannheimer Gestaltungsbeirat Kontur bekommen, sei mittlerweile in Fachkreisen anerkannt. Prof. Carl Fingerhuth habe mit "seinem enormen Erfahrungsschatz und seinem ausgeprägten Fingerspitzengefühl" den Gestaltungsbeirat geführt. In zentralen Fragen im Umgang mit Neu- und Umbauten sei die Stadt "exzellent beraten" worden. Quast: "Sie haben die Baukultur in der Stadt verbessert". Mit Fingerhuth verlassen Manfred Hegger und Andreas Kaupp die Runde.

Der Gestaltungsbeirat wurde 2010 von der Stadt eingerichtet. Fortan sollten namhafte Architekten, auch solche die keine eigenen Geschäftsinteressen in der Region haben, die Verantwortlichen in Fragen der Stadtgestaltung beraten. 110 Vorhaben, die von städtebaulicher Bedeutung sind, wurden seitdem von der Architektur-Jury diskutiert und bewertet - neben den städtischen, auch die der kommunalen Gesellschaften. Private Bauherren sind ebenfalls gern gesehene Teilnehmer, können zur Mitwirkung aber nicht gezwungen werden. Anfangs waren die Beratungen nichtöffentlich. Das rief Kritik hervor. Heute gibt es einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil - auch dies gefällt nicht jedem.

"Respektvolle Kreativität" nannte Fingerhuth stets den Abwägungsprozess. Abzuwägen gelte es, zwischen Bewahren und Gestalten, zwischen Einheitlichkeit und Widerspruch, zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig. Zuwenig führe zur morschen Stadt, zu viel zur heimatlosen. Dazwischen müsse man mutig und sorgsam Veränderungen gestalten, Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Und "verhindern, dass sich Politik beim Gestalten nur mit der Wirtschaft verbindet".

Pläne frühzeitig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, ist ebenfalls Aufgabe des Gremiums: Man spricht über Themen, stellt sich den Fragen. "Und schon, wenn man redet, findet eine Abstimmung statt", erläuterte Fingerhuth einmal das Vorgehen. Den politisch Verantwortlichen rät der Stadtplaner stets, Prozesse zu ermöglichen, an denen Menschen teilnehmen, mitdenken und sich artikulieren können.

Schelte inbegriffen

In all den Jahren sparte der Gestaltungsbeirat auch nicht mit Schelte. Kritik gab es beispielsweise für die anfänglichen Pläne des TSV am Neckarufer oder für das Porsche-Zentrum an der Autobahn A 656. Und auch die zunächst beabsichtigte Wohnbebauung in R 3 kam in der Runde erst nicht gut an. Dankbar nahmen manche die Ratschläge an, andere reagierten beleidigt. Immer profitierte aber die interessierte Öffentlichkeit von dem spannenden Ringen um die besten Lösungen.

Ab November kommen nun Neue in den Gestaltungsbeirat: Anett-Maud Joppien (Frankfurt), Zvonko Turkali (Frankfurt) und Bernhard Wondra (Mannheim).

Der Gestaltungsbeirat (GBR)

Der Gestaltungsbeirat ist ein unabhängiges beratendes Sachverständigengremium. Es unterstützt die Stadt in Sachen Stadtentwicklung und Baukultur, die Entscheidung über Vorhaben bleibt bei der Kommune.

Aufgabe: Überprüfung der städtebaulichen, architektonischen und gestalterischen Qualität von Bauvorhaben und ihrer Auswirkung auf das Stadt- und Landschaftsbild.

Auswahl Projekte: Bei allen Vorhaben, die aufgrund ihrer Größenordnung und Bedeutung für das Stadtbild prägend sind, ist die Beurteilung durch den GBR gefragt. Erhält ein Vorhaben nicht die Zustimmung, so kann es überarbeitet werden. Der GBR gibt die Kriterien dafür bekannt. Das Vorhaben ist in der Regel dem GBR wieder vorzulegen.

Mitglieder bis 2014: Carl Fingerhuth, (Vorsitzender), Manfred Hegger (Stellvertreter), Kerstin Schultz, Andreas Kaupp, Andreas Schmucker (bis 2012 Jórunn Ragnarsdóttir, Winfried van Aaken). aph

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen