Mannheim. „Welcome to Ukraine“ tönt es aus den Lautsprechern, während sich am Samstagnachmittag zahlreiche Menschen auf dem Marktplatz einfinden. Sie sind in blau-gelbe Flaggen gehüllt und halten Fähnchen in der Hand, um unter dem Motto „Solidarität mit der Ukraine“ zusammenzukommen.
Angaben eines Pressesprechers zufolge zählt die Polizei zum Höhepunkt der Kundgebung 600 Personen. Der Veranstalter spricht von mehr Menschen. Organisiert wird die Veranstaltung von der ukrainischen Sängerin Yaroslava Yurchenko, Pfarrerin Regina Bauer von der evangelischen Matthäusgemeinde sowie die Moderatoren Alex Zharkov und Ralph Kaiser. Letzterer freut sich ganz besonders darüber, in der Menge eine alte Bekannte wiederzuentdecken. Die beiden hatten sich zu Kriegsbeginn, als er an die Grenzen gefahren war, in einer polnischen Turnhalle kennengelernt.
Ukrainische Hymne ertönt auf Mannheimer Marktplatz
Auch bei den zahlreich anwesenden Stadträten bedankt sich Kaiser für die „geballte parteiübergreifende Solidarität“. Nach zwei Jahren Krieg höre er manchmal, die Leute seien kriegsmüde, dabei lasse sich das von zu Hause aus leicht behaupten. „Wir sind so nah dran und doch leben wir in Sicherheit. Daher ist es zumindest unsere verdammte Pflicht, Solidarität zu zeigen und auf die Straße zu gehen“, begründet Kaiser die Notwendigkeit der Kundgebung.
Die ukrainische Hymne ertönt, im Anschluss spricht Pfarrerin Bauer ein Gebet. Nach 731 Tagen Krieg in Europa seien Leid und Zerstörung zum Alltag vieler Menschen geworden, doch „an den Irrsinn von Krieg, Gewalt und Tränen wollen wir uns nicht gewöhnen“, sagt Bauer entschlossen. Um besonderen Beistand und Schutz bittet sie für alle Mädchen und Frauen, die im Krieg Opfer sexueller Gewalt werden. Unter der Begleitung des Geigers Zamyr Zakyiv tritt Yaroslava Yurchenko auf die Bühne und verleiht der Sehnsucht nach Frieden mit ihrem Gesang Ausdruck.
Oberbürgermeister Specht lobt Solidaritätswelle
Auch Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) ist gekommen, um der Ukraine seine Unterstützung zuzusichern. Zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn höre er die ukrainische Hymne auf dem Mannheimer Marktplatz. „Und wenn ich sie das dritte Mal höre, dann ist das, wenn dauerhafter Friede in der Ukraine herrscht“, hofft Specht. „Ihr seid nicht allein, wir haben euch nicht vergessen“, wendet er sich im Namen der Stadtverwaltung, der Gemeinderäte und Abgeordneten an alle Ukrainer, die derzeit ihre Heimat verteidigen.
Angesichts der rund sieben Millionen Menschen, die sich innerhalb der Ukraine auf der Flucht befinden, sei es Mannheim ein großes Anliegen, die Partnerstadt Czernowitz weiter intensiv zu unterstützen. Die Stadt im Südwesten des Landes sei zu einem „sicheren Hafen für die Vertriebenen aus den umkämpften Gebieten geworden“. Die Mannheimer Bürgerinnen und Bürger lobt Specht für die „große Welle der Solidarität, die bis heute anhält“. Dennoch wünsche er sich, dass die Integration der Ukrainer in den Arbeitsmarkt besser gelinge und verweist im Zuge dessen auf das Café Czernowitz im Stadthaus, das etwa Unterstützung beim Spracherwerb bietet.
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„Wer von euch war schon im Café Czernowitz?“, fragt Alex Zharkov und erntet jubelnde Zurufe. Specht wird vom ukrainischen Kinderchor ArtVoice abgelöst und greift dann noch mal zum Mikrofon: „Danke, dass wir hier in Sicherheit leben können“, habe eine der jüngsten Sängerinnen ihm gerade gesagt. „Ich glaube, ein größeres Kompliment kann man nicht kriegen“, bedankt er sich.
Ralph Hartmann, Dekan der Evangelischen Kirche Mannheim, plädiert für ein sofortiges Kriegsende. Dabei sieht er auch den russischen Geistlichen Kyrill, Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, in der Verantwortung: „Kyrill muss seinen Einfluss geltend machen – für das Leben, nicht für den Tod.“ Seinen Dank spricht er allen aus, die sich für Geflüchtete engagieren, denn „auch wenn wir viel Ohnmacht verspüren, bleibt uns heute, dass wir uns solidarisch zeigen“.
Auch die Mannheimer Markus Sprengler und Dirk Arnold sorgen für musikalische Unterstützung. Sprengler, der zugleich Stadtrat ist, bedankt sich bei allen, die in der Ukraine für Freiheit kämpfen. „Aber heute hat noch niemand gesagt, wie wichtig es ist, dass der Terrorist und Mörder Putin vor den Strafgerichtshof kommt“, betont er. Mit kraftvoller Stimme singt er die Reggae-Ballade „No woman, no cry“, die Menge setzt ein bei „Everything’s gonna be alright“. Arnold, der die Ukraine seit Kriegsbeginn durch Benefizkonzerte unterstützt, bewegt das Publikum auf dem Marktplatz mit Friedensliedern wie Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da?“.
Kinderchor rundet Programm ab
Seit zwei Jahren kämpfe die ukrainische Bevölkerung dafür, friedlich in einem Land zu leben, „das bunt, facettenreich, fortschrittlich und offen ist“, so Kaiser und Zharkov. In diesem Kampf dürfe man sie nicht im Stich lassen – zumal die Ukraine auch für unsere Demokratie und die Freiheit Europas einstehe. Die Sängerin Veronika Donchenko schließt sich der Botschaft mit einem ergreifenden Lied an.
Auf dem Marktplatz hat die 14-jährige Polina aus der Ukraine den Arm um ihre Freundinnen gelegt und singt voller Inbrunst mit. Der Kinderchor rundet die Kundgebung mit einem fröhlichen Auftritt ab, vor der Bühne tanzen zwei Kleinkinder miteinander und drehen sich im Kreis. Sichtlich berührt halten ihre Familien den Moment per Video fest. „Es war toll, heute mit so vielen Leuten aus der Heimat zusammenzukommen“, freut sich Polina. „Aber am schönsten war die Stimmung, und dass so viele Menschen für die Ukraine gekommen sind.“
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