Mannheim. Nach zweieinhalb Stunden ist der Wald gepflanzt. 250 Sträucher und 750 Bäume haben ihren Platz auf der Fläche an der Landteilstraße neben dem Kleinfeldsteg im Mannheimer Stadtteil Lindenhof gefunden. „Ich dachte, um 10 Uhr ist der erste Baum im Boden“, meint Uwe Buckenauer von der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof zu den rund 40 freiwilligen Helferinnen und Helfern, die sich am sonnigen Samstagmorgen zur Pflanzaktion von Baden-Württembergs ersten Tiny Forest eingefunden haben. Doch dann ging alles viel schneller, auch wenn vom Forest, dem Wald, auf den ersten Blick noch nicht viel zu sehen ist.
Tiny Forest muss gehegt und gepflegt werden
Die Bäume und Sträucher sind noch Bäumchen und Sträuchchen, die jetzt gehegt und gepflegt werden müssen, damit aus ihnen die erhoffte kleine Waldoase wird. Doch das ist die Idee eines Tiny Forests: Auf kleiner Fläche werden Bäume und Sträucher so dicht gesetzt, dass sie sich im Konkurrenzkampf ums Licht selbst gegenseitig in die Höhe ziehen, und das schneller als dies in einem normalen Wald der Fall wäre.
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„Glückwunsch an die BIG, die das Projekt auf den Weg gebracht hat“, freut sich Mannheims Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne), die zusammen mit ihrem Bürgermeister-Kollegen Ralf Eisenhauer aus dem Dezernat Bauen und Verkehr der Geburtsstunde des Tiny Forests beiwohnt. Für Mannheim als eine der heißesten Städte Deutschland sei ein solches kleines Stückchen Wildnis ideal, ein kleiner Baustein, der mit dazu beitrage, dass die Stadt grüner werde. Pretzells SPD-Kollege betont, dass es in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung keinen Mangel an Erkenntnissen gebe. „Aber wir müssen ins Machen kommen“, so Eisenhauer.
Selbst anpacken beim Tiny Forest in Mannheim
Genau das hat viele Menschen bewogen, bei der Aktion dabei zu sein: Hier können sie selbst anpacken, und das zusammen mit anderen Menschen. So mancher hat seinen eigenen Spaten mitgebracht, Ahnung vom Bäume pflanzen haben nur wenige, und so ziehen sie in kleinen Prozessionen mit Uwe Buckenauer an der Spitze zum angrenzenden Parkplatz. Den hat der Landmaschinenhersteller John Deere, dessen Werk direkt vis-à-vis vom Kleinfeldsteg liegt, zur Verfügung gestellt. Auf dem Boden liegen, ordentlich sortiert, die Sträucher und Bäume, nach und nach werden die teils nur wenige Zentimeter hohen Setzlinge zur Anbaufläche transportiert, Loch graben, reinstellen, zuschütten, andrücken. 1000 Mal graben, 1000 Löcher, die Fläche füllt sich. Mit dabei ist Dante. „Bäume sind gut für den Klimaschutz“, sagt der 8-Jährige aus Rheinau-Süd, und außerdem: „Buddeln macht Spaß“.
Hinter Uwe Buckenauer und Ulrich Holl, dem Vorsitzenden der BIG, liegen indes anstrengende Wochen, die beiden haben den Wald gewissermaßen aus dem Boden gestampft. Zwar ist die Idee, einen Mini-Wald auf dem Lindenhof anzulegen, schon zwei Jahre alt. Doch die Realisierung scheiterte zunächst an einem geeigneten Standort. Im September vergangenen Jahres teilte die Stadtverwaltung der BIG dann plötzlich mit, dass die Fläche neben dem Kleinfeldsteg zur Verfügung stehen würde. Weil die Vegetationszeit im März beginnt, blieb nur wenig Zeit zur Vorbereitung. „Das war schon eine Herausforderung“, sagt Buckenauer. Die Bäume mussten ausgewählt werden, eine Mischung aus heimischen und neuen Arten aus anderen Ländern, die heißen Sommern trotzen. Die Fläche musste vorbereitet, Sponsoren mussten gefunden werden. Neben John Deere unterstützen bislang fünf Mannheimer Unternehmen, die teils in der Nachbarschaft im Glückstein-Quartier ihren Standort haben, das Projekt.
Konzept des japanischen Botanikers Akira Miyawaki
Das Konzept des Tiny Forests geht auf den japanischen Botaniker Akira Miyawaki zurück, der sich in den 1970er Jahren für den Schutz von Waldökosystemen einsetzte; seitdem sind überall auf der Welt solche Mini-Wälder entstanden, darunter mehrere in Deutschland. Die Flächen sind mit 200 bis 1000 Quadratmetern relativ klein. Die Waldoase auf dem Lindenhof kommt auf 350 Quadratmeter.
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Sabrina Rüggeberg ist eine der freiwilligen Helferinnen an diesem Morgen; sie hofft nicht nur, dass sich rund um das Wäldchen das Klima verbessert sowie Vögel und Insekten dort ein Zuhause und Nahrung finden, sondern dass das Projekt inspirierend wirkt. „Wenn es bei uns gut läuft, hoffe ich, dass noch anderswo in Mannheim und der Umgebung Tiny Forests entstehen und unsere Lebensqualität verbessern.“
Damit die Pflanzen gut gedeihen, müssen sie in den ersten drei Jahren regelmäßig gewässert werden. Mindestens 20 große Gießaktionen wird es pro Jahr geben, hat Uwe Buckenauer ausgerechnet. Hatte er vor ein paar Wochen noch Zweifel, ob sich wohl genügend Interessierte finden, die sich über den Pflanztag hinaus für den Wald engagieren, sind diese inzwischen zerstreut. „Auf der Helferliste stehen schon jetzt viele Namen, bis in den Oktober hinein.“
Im Übrigen wird es im Laufe des Jahres tatsächlich noch einen zweiten Tiny Forest in Mannheim geben. Beim Beteiligungshaushalt hatte es die Idee, eine solche Waldoase in der Neckarstadt-West zu schaffen, unter die ersten zehn Platzierungen geschafft und wird jetzt mit 20 000 Euro gefördert. Voraussichtliche Anpflanzung: Herbst dieses Jahres.
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