Mannheim. Eigentlich wollte sich Pinguin Gaston nur ein schönes Liebesnest mit Meerblick sichern - und natürlich die passende Dame dazu. Dass Gitte allerdings schon vergeben ist, dämmerte dem frechen Pinguin wohl erst, als sich ihr kräftiger Liebhaber namens Nemo drohend vor ihm aufbaute.
Einen blutigen Schnabel samt Rauswurf aus der Bruthöhle später waren dann die Fronten geklärt. So beschreibt Sabrina Linn, zuständige Kuratorin des Frankfurter Zoos eine von vielen Anekdoten, die sich seit dem Einzug der 20 Mannheimer Humboldt-Pinguine ereignet haben. Linn gibt aber direkt wieder Entwarnung: „So ein blutiger Schnabel sieht dramatischer aus, als es ist.“
Denn mittlerweile seien die 20 Neuankömmlinge aus Mannheim vollständig integriert, die Gruppe zusammengewachsen. Einzig bei der Wahl der Bruthöhle gibt es hin und wieder Streitigkeiten. Zwar gibt es in der Anlage mit 28 solcher Liebesnester mehr als genug Platz für jede und jeden. Solche aber mit Blick aufs Wasser sind bei den kleinen Frackträgern eben sehr beliebt, weiß Linn.
Seit 100 Tagen leben die Pinguine aus dem Luisenpark nun in ihrem Übergangsdomizil. Und mischenTierpfleger und Artgenossen ganz schön auf: mit Liebesdrama, Ausbruchsversuchen und Machogehabe. Linn erinnert sich noch an zurückhaltende Mannheimer beim Einzug, die sogar aktiv ins neue Gehege getragen werden mussten - weil sie zu schüchtern waren, aus ihrer Box ins Freie zu watscheln. Dabei brauchte es nur eine Ladung Fisch, um die Neuankömmlinge aus der Reserve zu locken und sich vor die verdutzten Einheimischen in die erste Reihe zu drängeln.
40 Kilo Fisch am Tag
Das bunte Treiben der PinguinSchar, die auf einen Schlag von 30 auf 50 Tiere angewachsen ist, können Besucher aber zurzeit nicht selbst beobachten. Wegen der Pandemie und des bundesweiten Lockdowns bleibt der Frankfurter Zoo vorerst geschlossen. Trotzdem müssen die Tauchjäger täglich zweimal gefüttert werden: 40 Kilogramm Fisch vertilgen die kleinen Tiere, die wegen ihrer Gesichtsmaske zu den Brillenpinguinen gehören. Damit keine Fütterung ausfällt, arbeiten die Tierpfleger und Pflegerinnen laut Frankfurter Zoo in zwei isolierten Teams. Sollte sich hier jemand infizieren, übernimmt das andere Team die Fütterung. Ob sich die schwarz-weißen Vögel über diese Zwangsauszeit ohne Trubel freuen?
„Für die Pinguine sind Besucher eine nette Abwechslung. Sie interagieren gerne mit Menschen, sind sehr neugierig auf alles, was passiert“, sagt die Kuratorin. Andere Tierarten wie etwa die Gorillas dagegen wagen sich nun wieder öfter auf freies Gelände und genießen ihre Ruhe. Sie verstecken sich sonst vor den Blicken der Menschen in extra dafür abgetrennte Bereiche. Die gibt es auch im 2000 Quadratmeter großen Gehege der Humboldt-Pinguine. Die neue Anlage wurde erst im vergangenen Jahr eröffnet und umfasst 435 000 Liter Wasser. Da ist es kein Wunder, dass die zugezogenen Fischliebhaber erst einmal ihren neuen Luxus-Palast erkunden wollten. Die Neugier vom Mannheimer Pinguin Olaf war sogar so groß, dass er mehrfach ausgebüchst ist.
Nachwuchs im Mai erwartet
Wie ihm das immer wieder gelingt, ist Zooleitung und Tierpflegern ein Rätsel. Kameras sollen nun Olaf auf die Schliche kommen und aufzeigen, wie es der Pinguin schafft, am Zaun vorbeizuschlüpfen. „Solche Ausbrüche gab es vorher noch nie. Allerdings wandern Pinguine in der Brutzeit weit weg vom Wasser. Überrascht hat uns aber, wie gut die klettern können“, berichtet Linn.
Und wie sieht es mit der Liebe aus? Abgesehen von kurzen Flirts haben bislang noch keine neuen Paare offen ihre Zuneigung gezeigt. Erst wenn die Vögel gemeinsam und lange in einem Liebesnest verschwinden, ist klar, wer mit wem angebandelt hat. Tatsächlich könnte der neue, internationale und flauschige Nachwuchs schon im Mai 2021 schlüpfen, schließlich ist im Frühling Brutzeit. Welche Paare später einmal zurückziehen und welche bleiben, und wo der Nachwuchs aufwachsen soll, wollen Luisenpark und Zoo gemeinsam entscheiden.
Tauchjäger aus Chile und Peru
- Die Humboldt-Pinguine gehören zur Gattung der Brillenpinguine. Wie diese tragen sie eine charakteristische Gesichtsmaske. Die schwarzen Punkte auf dem hellen Bauch sind bei jedem Tier einzigartig.
- Die Tauchjäger gehen im Humboldtstrom vor den Küsten Chiles und Perus auf Jagd nach Sardinen und Anchovis. Sie leben gesellig in Kolonien und gehen lebenslange monogame Partnerschaften ein. Auf küstennahen Inseln ziehen sie zwei Küken groß.
- Natürlichen Feinde sind Schwertwale, Seelöwen und Dominikanermöwen. Die schlimmste Bedrohung ist der Mensch. Die Rote Liste der Weltnaturschutzunion IUCN stuft die Pinguine als gefährdet ein.
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