Studium - Internationale Aufenthalte sind mittlerweile an der Tagesordnung / Zahl durch Bologna-Reform gestiegen

Zum Traumjob ohne Auslandssemester – geht das?

Von 
Natalie Magri
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Ein Drittel aller Studierenden entscheidet sich auch deshalb für einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt, um die Chancen einer erfolgreichen Bewerbung in ihrem Wunschunternehmen zu verbessern. © MGI

Seit Beginn der Bologna-Reform im Jahr 1999 hat sich die Zahl der im Ausland studierenden Deutschen fast verdreifacht. Etwa ein Drittel aller Studierenden absolviert mittlerweile mindestens einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt. Neben dem Erlernen des Umgangs mit anderen Kulturen versprechen sich Unternehmen davon einen Zugewinn an Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Doch können diese Werte mit vergleichbarer Qualität auch anderweitig unter Beweis gestellt werden?

Andreas Benhof ist der Leiter der internen Personalabteilung beim Personaldienstleister Hays. Ihm sind persönliche und soziale Kompetenzen wichtig. Dafür seien Auslandssemester nicht zwingend notwendig: „Es gibt durchaus Bewerber, die diese Kompetenzen durch persönliche Erfahrungen, Nebenjobs oder eine ausgeprägte Selbstreflektion an sich beobachten und erweitern konnten.“

Mehr Selbstständigkeit

Das Akademische Auslandsamt der Uni Mannheim beobachtet bei Auslandssemestern einen Zugewinn an Selbstständigkeit, so berichtet Birgit Heilig, Leiterin der Institution. Voraussetzung sei jedoch, sich auf das Wagnis Auslandsstudium richtig einzulassen: „Hier gilt es, auf andere Menschen zuzugehen und sich nicht hinter der Gruppe deutschsprachiger Kommilitonen zu verstecken. Auch das außeruniversitäre Engagement im Gastland bietet hierfür meist vielseitige Optionen.“

Und wie schätzen Studierende die Relevanz von Auslandssemestern für die späteren Berufschancen ein? Anja Stanicic ist zweite Vorsitzende von Artes Liberales. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Geistes- und Sozialwissenschaftlern an der Uni Mannheim Berufschancen aufzuzeigen. Stanicic studiert im Master Kultur und Wirtschaft im Fach Romanistik. „Auslandssemester dienen der Ausweitung von Berufsperspektiven, da man seine Selbstständigkeit unter Beweis stellt: Man muss praktisch ein halbes Jahr lang von vorne beginnen und Anschluss finden.“

Benhof von Hays schließt hierbei auf positive Effekte: Bewerber, die eine Zeit lang im Ausland zugebracht hätten, wären in vielen Fällen auf sich allein gestellt gewesen und hätten sich meist in herausfordernden Situationen wiedergefunden. „Diese Mitarbeiter sind oftmals gut darin, Herausforderungen als Chance zu erkennen und lösungsorientiert zu handeln.“ Stanicic von Artes Liberales ergänzt, dass soziales Engagement oder das Mitwirken in Initiativen ebenfalls für diese Fähigkeiten nützlich seien. „Ich kann persönlich von mir berichten, dass es nicht unbedingt ein Muss ist, ins Ausland zu gehen. Ich bin Werkstudentin bei SAP und bei meiner Bewerbung wurde auch darauf geschaut, welche sozialen Kompetenzen ich habe. Dass ich kein Auslandssemester vorweisen kann, war kein Ausschlusskriterium.“

Auslandssemester ist kein Muss

Oft gefragt, selten klar beantwortet: Wie können Bewerber punkten? Ehrenämter, einschlägige Praktika, Auslandssemester, gute Studienleistungen, eine abgeschlossene Ausbildung – die Liste ist lang. Andreas Benhof: „In unseren Auswahlgesprächen interviewen wir kompetenzbasiert und versuchen, mehr über vergangene Erfahrungen und das Verhalten der Bewerber in konkreten herausfordernden Situationen zu erfahren. Die Antworten der Bewerber liefern uns dann Indikatoren für die Ausprägung einer benötigten Kompetenz. Es ist zweitrangig, ob Bewerber diese Situation im Praktikum, an der Uni oder im praktischen Jahr erlebt haben.“

Birgit Heilig vom Akademischen Auslandsamt: „Ich persönlich bin der Meinung, dass man solche Stationen nicht pauschal bewerten oder in eine Rangreihung bringen kann oder sollte. Es geht vielmehr darum, seinen individuellen Weg zu gehen und damit unter Beweis zu stellen, dass man entsprechend notwendige Kompetenzen erlernt hat und in der Lage ist, diese einzusetzen.“ Und Studentin Stanicic sagt: „Diese Aufzählung zeigt, dass man vielfältig aufgestellt sein muss, wenn man berufsperspektivisch denkt. Vonseiten der Gesellschaft und der Uni wird einem Druck gemacht, obwohl wir ja alle was drauf haben.“

Praxis wichtiger als Ausland

Die Studie „Hochschulabsolventen mit Auslandserfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) stellt fest, dass die Internationalisierung für die Wirtschaft durch die Globalisierung zunimmt.

Aus Unternehmersicht seien Absolventen mit Auslandserfahrung eher auf internationale Arbeitsaufgaben vorbereitet als Kommilitonen, die nicht im Ausland waren.

Wichtiger als Auslandsaufenthalten seien für die Unternehmen jedoch relevante Praxiserfahrung.

Kognitive und soziale Kompetenzen seien am wichtigsten, wie die Fähigkeit im Team gut zu kommunizieren und zu kooperieren. mgi

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