Wohnen - Manche tun es, um Geld zu sparen, andere aus Heimatverbundenheit - an Hochschulen ist Pendeln keine Seltenheit

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Von 
Lisa Santos
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Sophie Bernadette Santos, die Schwester der Autorin, hat das Warten auf den Zug für uns illustriert. Die 20-jährige gebürtige Mannheimerin studiert im dritten Semester Kommunikationsdesign an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.

© Sophie Santos

Roschbach bei Landau um 6.30 Uhr. Wenn Maike Sambaß sich auf den Weg zur Uni macht, ist es an manchen Tagen noch dunkel. "Mit der Zeit gewöhnt man sich an das frühe Aufstehen", sagt die Germanistik-Studentin. "Nur das viele Umsteigen ist nervig."

Mit dem Bus fährt die 23-Jährige zum Bahnhof, dann weiter mit der Regionalbahn bis nach Neustadt, steigt dort um in einen zweiten Zug bis nach Mannheim Hauptbahnhof und kommt dann zu Fuß oder mit der Straßenbahn zur Uni Mannheim. Über eine Stunde ist sie so unterwegs, auf dem Rückweg braucht sie aufgrund der schlechten Verbindung meistens eineinhalb oder sogar zwei Stunden. "Während der Fahrt höre ich Musik oder lese ein bisschen", sagt Sambaß.

Keine Zeit fürs Ehrenamt

"Am Anfang habe ich noch versucht, etwas für die Uni zu machen, aber in einem vollen Zug kann man sich nur schwer konzentrieren." Die 23-Jährige wohnt noch zuhause und pendelt bereits seit ihrem ersten Semester. Zunächst sei sie unsicher gewesen, ob sie tatsächlich bei ihrem Studium bleiben werde. Ein vorschneller Umzug wäre daher nicht sinnvoll gewesen. Und dann gebe es da auch noch den finanziellen Aspekt.

350 Euro zahlt ein Studierender durchschnittlich im Monat für ein WG-Zimmer in Mannheim, das Semesterticket für das VRN-Gebiet kostet hingegen nur 160 Euro und gilt für sechs Monate. Das gesparte Geld tröstet Sambaß jedoch wenig über die Nachteile des Pendelns hinweg. "Ich habe kaum die Möglichkeit, mich in einer Uni-Initiative zu engagieren, weil ich immer den letzten Zug erwischen muss", sagt die Studentin. "Wenn ich abends etwas mit Kommilitonen unternehmen möchte, muss ich mir immer erst einen Schlafplatz organisieren."

Mit ihren Problemen ist die 23-Jährige nicht alleine, auch wenn es keine genauen Zahlen gibt. Laut der VRN-Pressestelle nutzen in Baden-Württemberg 38 000 von insgesamt 61 500 Studierenden das Semesterticket. Wie viele davon tatsächlich eine längere Strecke zu ihrer Hochschule zurücklegen, wird allerdings nicht erfasst. Unklar bleibt auch, wie viele Studierende regelmäßig mit dem Auto pendeln. Die Pressestelle der Uni Mannheim teilt auf Anfrage mit, dass es bislang keine Erhebungen zu diesem Thema gebe.

Eine deutschlandweite Studie des Onlineportals Uniplaces hat nun ermittelt, dass nahezu Dreiviertel aller Studierenden bei ihrer Wohnungssuche eine optimale Verkehrsanbindung am wichtigsten ist, wichtiger als die Nähe zur Uni oder zum Partyviertel. Frank Schneider, Dozent für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Uni Mannheim, überrascht das nicht: "Ich denke, unsere zunehmende Mobilität und Vernetztheit sowie die enorm steigende Digitalisierung machen unseren Arbeitsort sehr flexibel, zumindest in bestimmten Bereichen", sagt Schneider. Gerade für die Studierenden, die nicht jeden Tag an die Uni müssen und sich ihre Zeit selbst einteilen können, sei das Pendeln gut zu bewältigen.

Auch Dozenten nutzen den Zug

Schneider pendelt selbst seit rund zwölf Jahren von Karlsruhe und weiß, dass viele seiner Kollegen mehr oder weniger weite Strecken zur Hochschule in Kauf nehmen. Das liege daran, dass im wissenschaftlichen Uni-Betrieb langfristige Anstellungen selten seien. Verträge für Dozenten werden oft nur für ein bis drei Jahre geschlossen. "Wenn man sich nie sicher sein kann, ob und wie lange man an einem Ort bleibt, muss man Kompromisse machen", sagt Schneider. Für ihn sei die 20-minütige Fahrt mit dem ICE nach Mannheim und zurück allerdings keine Belastung, sondern gebe ihm vielmehr die Möglichkeit, seinen Tag zu planen, Mails zu beantworten oder einfach mal abzuschalten. Durch sein mobiles Klappfahrrad bleibe er in Bewegung und könne die lästigen Wartezeiten auf den Bus oder die Straßenbahn vermeiden.

Ähnlich sieht das auch die Kanzlerin der Uni Mannheim, Barbara Windscheid, die auch von Karlsruhe mit dem ICE pendelt: "Die Fahrt ist für mich wie Straßenbahn fahren - allerdings mit mehr Komfort", sagt Windscheid. Sie nutze die Zeit am liebsten, um sich per Internetradio über die neusten Pressestimmen zu informieren.

Für die Germanistik-Studentin Maike Sambaß ist das Pendeln hingegen vorbei. Sie hat inzwischen etwas Geld angespart und ist nach Mannheim gezogen. Seither fühle sie sich deutlich entspannter und habe Zeit, Sport zu treiben, sagt die 23-Jährige. Im kommenden Semester möchte sie der Fachschaft beitreten. Über einen Schlafplatz muss sie sich dabei zum ersten Mal in ihrer Studienzeit keine Gedanken mehr machen.

Kriterium Verkehrsanbindung

Laut VRN-Pressestelle haben rund 77 000 Studierende, davon 61 500 in Baden-Württemberg, Zugang zum VRN-Semester-Ticket.

Genutzt wird es von rund 38 000 Studierenden.

Eine Studie des Onlineportals Uniplaces hat ergeben, dass für 70 Prozent der Studierenden eine optimale Verkehrsanbindung das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Wohnungssuche ist.

Bei der Studie, die im Januar 2017 im Auftrag des Marktforschungsunternehmens promoi.net durchgeführt wurde, sind deutschlandweit 1040 Studierende befragt worden. las

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