Wir begegnen ihnen bei der Ausleihe von Büchern, wenn unser Schließfach sich nicht öffnen lässt oder wir Essen an den Platz schmuggeln wollen: den Angestellten der Bibliothek. Sie halten die Bibliothek am Laufen und sie sind dafür verantwortlich, dass es überhaupt Bücher und Arbeitsplätze zum Lernen gibt.
Genau wie die Studierenden kannte Christian Wilke vor seinem Referendariat nur die „Fassade“ einer Bibliothek: „Ich finde die ganze Organisation, die Services, das Personal und die IT im Haus beeindruckend, die sich zurzeit, mit der Digitalisierung, im Wandel befinden“, sagt der 32-Jährige. Genau das bestätigt Bettina Kaldenberg, Leiterin der Aus- und Fortbildung der Universitätsbibliothek Mannheim (UB): „Das in der Bibliothek ist ein Verwaltungsjob, der aber viele Facetten hat.“ „Das Bild von der grauen Maus mit Dutt und knielangem Rock, das sich hartnäckig in der Öffentlichkeit hält, entspricht überhaupt nicht dem realen Berufsbild“, sagt sie. Sie selbst hat nach ihrem Abitur eine Bibliotheks-Ausbildung im gehobenen Dienst absolviert, was heute in einem Fachhochschul-Studium verpackt ist.
Für die Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste („Fami“) schreibt Kaldenberg die Ausbildungspläne, die auf den Vorgaben vom Regierungspräsidium beruhen. Sie übernimmt damit nur die Koordination, eigentlich ist sie als Sachgebietsleiterin in der Abteilung „Digitale Bibliotheksdienste“ mit zuständig für die EDV-Ausstattung der UB.
40 Bewerbungen auf eine Stelle
Die Ansprechpartner, die die Azubis anleiten, sitzen in den einzelnen Abteilungen. In der Ausbildung selbst lernen die Azubis dann alles vom reinen Katalogisieren der Bücher und elektronischen Medien über die Begleitung der Benutzung bis zur Beratung bei Problemen. Während der drei Jahre wechseln sich Praxis- und Theorieblöcke ab. Die Theorieblöcke finden in Calw, knapp zwei Autostunden von Mannheim entfernt, statt. „Dort sind die Auszubildenden aus ganz Baden-Württemberg dann im Internat, in Doppelzimmern, untergebracht“, sagt Kaldenberg.
Die Ausbildungsleiterin kennt ihre Azubis persönlich und legt Wert darauf, sie einmal in der Woche zu sehen: Zurzeit hat die UB Mannheim nämlich nur eine „Fami“. Alle zwei Jahre würden in der UB Mannheim ein oder zwei Ausbildungsplätze vergeben, der Bedarf wird vom Bundesland geregelt. Unbeliebter ist der Beruf im Laufe der Zeit nicht geworden, im Gegenteil: Auf eine Stelle, die die UB in der letzten Phase ausschreiben konnte, kamen laut der Ausbildungsleiterin 40 Bewerbungen.
Dennoch solle man, bevor man sich bewerbe, bedenken, dass es zwischen den verschiedenen Qualifikationsebenen keine Durchlässigkeiten gebe, man bleibe „festgetackert“ in seinen Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten, sagt Kaldenberg. Aber sie bleibt zuversichtlich: „Dennoch gibt es mittlerweile mehr Fortbildungsprogramme als früher, obwohl diese sich oft kompliziert gestalten.“
Komplett andere Themenbereiche und Möglichkeiten als die „Famis“ lernt dagegen Christian Wilke kennen. Er absolviert ein zweijähriges Referendariat, von denen es pro Jahr in ganz Baden-Württemberg nur sechs Stück gibt. Damit bereitet sich der 32-Jährige auf den höheren Dienst vor, zunächst für den Themenbereich Sozialwissenschaften. Er hat Germanistik auf Magister studiert, die Verteidigung seiner Doktorarbeit in der Germanistik steht noch aus.
New York und Lissabon
Wilke selbst bezeichnet sein Referendariat als Lottogewinn: „Die Vielfalt in einer Bibliothek erlaubt es jedem, sich nach seinen Vorlieben, Interessen und Fähigkeiten einzubringen. Für die Mitarbeiter, die sich weiterentwickeln wollen, ist die Bibliothek quasi ein Eldorado.“ Auch seine jetzige Aufgabe gefällt ihm sehr: „Ich beschäftige mich mit der Online-Präsentation eines Verlagsarchivs von 30 000 Bänden, die die UB als Schenkung erhalten hat“, sagt Wilke. Vor allem freue er sich, dass er dabei seine IT-Affinitäten ebenso wie seine germanistische Ader ausleben könne.
Während seines Referendariats erhält er auch die Möglichkeit, Praktika in anderen Bibliotheken zu machen. Und so ging es für ihn nach Edinburgh, in die Staatsbibliothek Berlin, nach Göttingen, in die Deutsche Nationalbibliothek Leipzig – und sein für ihn noch anstehender Höhepunkt: drei Wochen in die Bibliothek des Goethe-Instituts nach Lissabon. Seine Mitstreiterin im Referendariat in Mannheim verschlägt es sogar drei Wochen nach New York und nach Harvard.
Durchstarten an der Universitätsbibliothek
- Die Ausbildung zum Fachangestellten für Medien und Informationsdienste („Fami“) ist der mittlere Dienst. Die Voraussetzung hierfür ist ein Realschulabschluss.
- Die Praxisphasen der Ausbildung in Baden-Württemberg finden an den entsprechenden Bibliotheken statt, die Theoriephasen finden als Blockveranstaltungen in Calw statt.
- Den gehobenen Dienst bezeichnet ein informations-/ bibliothekswissenschaftliches Studium, welches an Fachhochschulen stattfindet.
- Mit einem Bibliotheksreferendariat wird man auf den höheren Dienst vorbereitet. Hierauf bewerben sich Masteranden und Promovenden aus nicht-bibliothekswissenschaftlichen Studiengängen. leo
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