Berufserfahrung - Kaum ein Student hat nicht mindestens ein Praktikum im Lebenslauf stehen / Wie berechtigt ist das negative Image?

Generation Praktikum 2.0

Von 
Christiana Stern
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Statt Urlaub machen viele Studenten in den Semesterferien ein Praktikum - dort kann sie alles erwarten: Das Klischee vom Kaffeekochen und Kopieren, aber auch persönliche Weiterentwicklung und Berufserfahrung.

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Überqualifizierte junge Menschen, zum Teil mit Hochschulabschluss in der Tasche, die sich von einer unterbezahlten Tätigkeit zur nächsten hangeln - so lautet das Klischee von der Generation Praktikum. Doch was steckt dahinter? Sind Praktika nur dazu da, potenzielle Lücken im Lebenslauf zu stopfen? Oder bringen sie einen tatsächlich weiter?

Das weit verbreitete Bild einer "Generation Praktikum" ist laut Fabian Fuchs, Teamleiter für akademische Berufe im Arbeitsamt Mannheim, zu eng gefasst: "Generation Praktikum ist ein abgedroschener Begriff, der passt nicht mehr in diese Zeit." Auch die Pauschalisierung sei ihm ein Dorn im Auge, denn ein Praktikum sei immer individuell und unterscheide sich je nach Berufswunsch und Branche.

Sind die Vorwürfe gerechtfertigt?

Kritiker des Praktikumswahns werfen Unternehmen vor, lediglich billige Arbeitskräfte beschaffen zu wollen und den Lerncharakter eines Praktikums außer Acht zu lassen. Aber fühlen sich die Studenten selbst als kaffeekochende Dauerkopierer missbraucht? Tatsächlich sind die Praktikanten selbst gar nicht so unzufrieden, wie es manchmal scheint: Laut dem Praktikantenreport 2012 des Internetportals meinpraktikum.de seien zwei Drittel der befragten Teilnehmer mit ihrem Praktikum zufrieden gewesen. Das kann auch Johanna bestätigen. Sie studiert Medien- und Kommunikationswissenschaft und erzählt: "Mein letztes Praktikum habe ich in einer Kommunikations-Agentur gemacht. Während der drei Monate habe ich total viel gelernt und durfte nach einiger Zeit sogar ein paar größere Aufgaben übernehmen."

Personaler sehen das Praktikum ebenfalls durchaus positiv. "Praktika gelten heutzutage als wichtige Maßnahme zur Rekrutierung von Fachkräften und deren frühzeitiger Bindung an das Unternehmen", sagt Jan Schüler, Personalleiter bei ABB Mannheim. Andreas Hübner, Mitbegründer und Personaler von SP-Consulting in Ludwigshafen, ist selbst Absolvent der Uni Mannheim und sieht Praktika als Chance, in unbekannte Berufsbilder hineinzuschauen. "Unternehmen und Studierende lernen sich dabei kennen", fährt er fort. Dabei profitieren beide Seiten: Firmen können neue Talente sichten und auch für die Praktikanten kann sich der temporäre Ausflug in die Berufswelt auszahlen: Nämlich dann, wenn das Praktikum zur Eintrittskarte in das Unternehmen wird.

Dabei muss es nicht unbedingt gleich die Festanstellung sein: "Nachdem mein Praktikum zu Ende war, bin ich mit meinen Kollegen in Kontakt geblieben. Jetzt übernehme ich als freie Mitarbeiterin immer wieder Aufträge", erzählt Johanna. Und die 21-Jährige fügt hinzu: "Das ist nicht nur gut für den Lebenslauf, sondern auch für mein Konto."

Apropos Geld: Mit einem weiteren Kritikpunkt, der oft nur symbolischen Bezahlung von Praktikanten, soll ab dem kommenden Jahr Schluss sein: "Ich werde das Modell der Generation Praktikum beenden", erklärte die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles (SPD) kürzlich im Vorfeld der Mindestlohneinführung. Ausbildungs- und studienbegleitende Praktika bleiben zwar weiterhin vom Mindestlohn ausgeschlossen; freiwillige Praktika, die länger als drei Monate dauern, müssen aber in Zukunft mit mindestens 8,50 Euro pro Stunde vergütet werden. Außerdem werden ab 2015 die Ziele eines Praktikums im Vertrag festgehalten und es gibt das Recht auf ein Zeugnis. Damit sollen qualitativ höher Ausgebildete nicht mehr monatelang für lau ausgenutzt werden können. Trotz der vielen Vorteile sieht Johanna die neue Regelung auch kritisch: "Ich habe Angst, dass die Unternehmen den vielen Vorgaben nicht gerecht werden können und dann gar keine Praktikanten mehr einstellen."

Praktikum ja, Ausbeutung nein

Wie die Generation Praktikum also ab dem kommenden Jahr aussehen wird, bleibt abzuwarten. Eines lässt sich jedoch jetzt schon festhalten: Das Praktikum lebt, doch dem Bild von der gehetzten, ausgebeuteten Generation Praktikum geht es offiziell an den Kragen. Praktika seien nach wie vor hoch angesehen, bekräftigt auch ABB-Personalleiter Schüler: "Hochschulabsolventen mit praktischen Erfahrungen, die ihre beruflichen Ziele widerspiegeln, haben sicherlich Vorteile bei ihrer Bewerbung."

Praktikum geplant? Hier findet ihr Tipps von den Profis

Ordentliche und vollständige Bewerbungsunterlagen, gute Zeugnisse und ein überzeugendes Anschreiben sind das A und O einer gelungenen Bewerbung.

Auslandspraktika unterstreichen Mobilitätsbereitschaft und sind bei Personalern immer gerne gesehen.

Berufliche Ziele sollen sich in der Wahl des Praktikums widerspiegeln.

Profilschärfung: Wer mehrere Praktika absolviert, sollte auf einen roten Faden achten.

Wer das Praktikantendasein nach dem Studium satt hat, kann sich bei der Arbeitsagentur über Alternativen informieren.

In der Firma angekommen, ist es ratsam, den Kontakt mit Mentoren und Ansprechpartnern suchen.

Netzwerken: Es kann sich auszahlen, auch nach dem Praktikum mit dem Unternehmen in Kontakt zu bleiben.

Den Leitspruch "Qualität vor Quantität" sollte man auch bei der Praktikumssuche nicht vergessen. cst

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