Weiterentwicklung - Die Universitätsbibliothek Mannheim spricht über den Wandel hin zu neuen Medien

„Es wird noch viel kommen“

Von 
Leonie Brinkmann
Lesedauer: 
Annette Klein ist zuständig für die Medienbearbeitung in der Universitätsbibliothek Mannheim. © Brinkmann

2,3 Millionen Medien befinden sich in der Universitätsbibliothek Mannheim (UB), rund 1,9 Millionen davon sind klassische Bücher. Größer als die Zahl aller Medienbestände ist dagegen die Zahl der Downloads: Allein 2,4 Millionen Downloads aus E-Book-Beständen und 1,1 Millionen Datenbankabfragen verzeichnete die UB nach Angaben der Universität im vergangenen Jahr. „Die Online-Zugriffe stellen einen riesigen Faktor in der Nutzung der Bestände dar“, sagt Annette Klein, stellvertretende Direktorin der UB Mannheim, dieser Zeitung.

Gedruckte Bücher gewünscht

Generell werde der Umgang mit neuen Technologien im Bibliotheksumfeld immer wichtiger. „Für uns war 2007 das Wendejahr. Da haben wir erstmals angefangen, größere E-Book-Pakete zu kaufen“, sagt Klein, die seit 2004 an der UB Mannheim arbeitet. Als Leiterin der Abteilung „Medienbearbeitung“ ist sie zuständig für den Ausbau des elektronischen Angebots.

Laut Klein befänden sich die Entleihungen insgesamt eher in einem rückläufigen Trend. In der Lehr-buchsammlung verzeichne die UB allerdings eine konstante Ausleihe, gedruckte Bücher würden explizit gewünscht. „Das liegt vermutlich an den erlernten Handlungsweisen, beispielsweise kann man in das ge-druckte Buch Zettel reinkleben und liest dieses intensiver“, so Klein. Die Arbeitsweise sei durch den ver-mehrten Online-Bestand aber nicht leichter, sondern vielmehr komple-xer geworden: „Wenn ein gedrucktes Buch, nachdem es erworben und inventarisiert wurde, einmal im Regal steht, ist im Prinzip alles erledigt.“ Für den Erwerb von elektronischen Medien müsse man aber zunächst gemeinsam mit anderen Bibliotheken um günstigere Preise und gute Angebote verhandeln.

„Wenn der Vertrag ausgehandelt ist, befindet man sich mit den Anbietern in einem Medien-Lizenzverhältnis, dem bestimmte Nutzungsbedingungen zugrunde liegen“, erläutert Klein. Der Vorteil dabei sei zwar, dass man große Pakete von mehreren tausend E-Books oder E-Journals auf einmal erwerben könne, der Zugriff darauf könne aber zum Beispiel zeitlich oder auf bestimmte Nutzergruppen begrenzt sein. Zudem müssten die Bestände nach dem Erwerb noch rasch in den Katalog der UB gebracht werden, was aufgrund der Nutzung von Fremddaten kompliziert sei. Die Langzeitverfügbarkeit der elektronischen Medien, die man dauerhaft erworben hat, stelle auch einen wichtigen Punkt dar – denn falls der Anbieter den Betrieb einstellt, müsse man Vorkehrungen treffen.

Der Aufbau einer digitalen Forschungsbibliothek besteht aber nicht nur in der Beschaffung von E-Books, sondern auch in der Aufbereitung von digitalen Beständen und Daten. So ist Annette Klein Projektleiterin bei dem Digitalisierungsprojekt des „Deutschen Aktienführers“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Der Aktienführer wurde seit 1870 jährlich als Buch herausgebracht. „Viele Wissenschaftler, die mit den Daten arbeiten wollten, haben diese oftmals selbst aus den einzelnen Ausgaben abgetippt. Das ist eine Wahnsinnsarbeit.“ Aufgrund der Nachfrage habe man sich entschieden, die bestehenden Druckbestände in einer Datenbank zu digitalisieren.

Dafür müsse man zunächst jede Seite einzeln einscannen, dann eine Texterkennungssoftware darüber laufen lassen. Im nächsten Schritt müssten die Texte so strukturiert werden, dass Daten gezielt abgerufen werden können. Abschließend werde das Ergebnis von „menschlicher Intelligenz“ geprüft.

Jede Seite einzeln einscannen

„Wir arbeiten mit einer Art Künstlicher Intelligenz. Das Programm muss mit überprüften, korrekten Daten gefüttert werden, um die eingescannten Seiten automatisch erkennen zu können. Das bedeutet, dass am Anfang viel menschlicher Input notwendig ist, der mit der Zeit weniger wird“, beschreibt Annette Klein den Vorgang. Eine weitere Facette der Digitalisierung zeige sich im Trend des Open Access, also zu offenen Zugangsmöglichkeiten auf Daten.

Zurzeit werde auch über eine nationale Forschungsdateninfrastruktur diskutiert. Generell denkt Klein aber, dass die Entwicklung der Digitalisierung noch einen weiten Weg vor sich hat: „Über viele Jahrhunderte haben wir mit dem Buchdruck gelebt, die jetzigen elektronischen Möglichkeiten stellen erst einen kleinen Abschnitt dar.“

Annette Klein

Annette Klein arbeitet seit 2004 an der Universitätsbibliothek Mannheim, seit 2013 ist sie stellvertretende Direktorin.

Zusätzlich ist Klein Fachreferentin für Philosophie.

Promoviert hat sie in Französischer Literaturwissenschaft, davor hat sie Romanistik und Philosophie studiert.

Sie ist Leiterin der Abteilung Medienbearbeitung sowie Projektleiterin des Erschließungsprojekts „Linked Open Citation Database“.

Anette Klein hat in den vergangenen zehn Jahren 20 Bücher publiziert.

Sie gibt auch fachliche Beratung bei Recherchefragen. leo

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen