Trend - Mit der Jodel-App lassen sich Neuigkeiten aus der Umgebung anonym verbreiten / 2500 Mannheimer machen mit

Eine App erobert Mannheim

Von 
Julia Sitzenstuhl
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Im Auslandssemester in Kalifornien kam Alessio Avellan Borgmeyer die Idee zu Jodel. Auf dem Smartphone-Bildschirm ist die App geöffnet.

© jsz, zg

Gezwitscher auf Twitter war gestern. Heute wird gejodelt in den Hörsälen und Wohngemeinschaften des Landes. Vor allem in der Jodel-Hochburg Mannheim. Aktuell und unzensiert bereichern neue Posts von Studenten für Studenten minütlich den anonymen Nachrichtenstrom, den sogenannten Newsfeed der App (Anwendung). Anhand der Ortungsdienste des Smartphones, sieht jeder Jodler automatisch die Beiträge aus seiner unmittelbaren Umgebung.

Wortwitzige Hashtags ergänzen die Beiträge mit zusätzlichen Gedanken. Außerdem kann jeder das Geschriebene mit sogenannten Up- oder Downvotes bewerten. Sie lassen einen Jodel, wie die Beiträge genannt werden, lauter oder leiser, das heißt beliebter oder unbeliebter werden. Beliebte Jodel verbleiben im Nachrichtenstrom, unbeliebte verschwinden. Jodel können kommentiert und diese Kommentare wiederum bewertet werden. Mögen viele Studenten einen Jodel, wächst das Karma des Verfassers.

Entgegen der Selbstdarstellung

Die Idee zum anonymen und lokalen Austausch hatte der 24-jährige Alessio Avellan Borgmeyer vor etwa zwei Jahren. Der Student der RWTH Aachen verbrachte ein Jahr seines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens in San Diego, wo er das vorläufige Konzept erarbeitete. "Ziel war es, eine Plattform zu schaffen, auf der der Inhalt des Gesagten und nicht die Person im Vordergrund steht", so Alessio. "Ich hatte den Eindruck, dass vor allem junge Leute müde sind von der selbstdarstellerischen Parallelwelt, die durch Facebook oder Instagram erzeugt wird", sagt der Jodel-Gründer. "Content is King (Inhalt ist König"), fasst der 24-Jährige die Kernidee zusammen.

Die erste Testversion, noch unter dem Namen TellM, durchlief eine Probephase in Kolumbien und später an diversen Colleges in Kalifornien. Jeder kann gleich viele Menschen erreichen und hat somit auch die gleichen Chancen, gelesen und bewertet zu werden. Neben Anonymität und Einfachheit spielen auch die demokratische Grundidee und das Schaffen einer lokalen Zusammengehörigkeit eine Rolle für den Erfolg der App. Geteilt werden meist alltägliche Themen des studentischen Lebens. Von der kollektiven Beschwerde über die letzte BWL-Vorlesung bis zu absurden Erlebnissen beim Einkaufen - Hauptsache aktuell, lustig formuliert und nachvollziehbar.

In 20 Städten wird gejodelt

Seit der Einführung im deutschen Markt am 20. Oktober 2014 in Aachen hat Jodel bereits 20 deutsche Studentenstädte erobert. Seither spiegelt die App die Stimmung unter Studenten in Deutschland wider. Bei Mannheimer Studenten ist Jodel seit Semesterbeginn im Gespräch. Die Meinungen gehen dabei auseinander: "Die besten Jodel sind authentisch und selbstironisch. Außerdem ist das Identifikationspotenzial für andere Studis hoch", sagt Johannes Schimmer. Der 21-Jährige ist seit etwa einem Monat aktiver Jodler und konnte in dieser Zeit bereits ein Karma von 40 000 anhäufen. Meistens schreibt er über Vorlesungen oder profane Dinge, die ihm plötzlich lustig erscheinen. Mitjodler Lukas Seiling sieht das etwas anders. "Gute Jodel sind meistens lustig, originell und zum bestimmten Grad ordinär. Natürlich müssen auch die Hashtags treffsicher gewählt sein", so der 20-jährige Psychologiestudent. Nach vier Wochen hat Lukas ein Karma von 52 000. Die Jodel von ihm und Johannes erreichen bis zu 250 Upvotes.

Trotz anfänglicher, doch immer noch anhaltender Begeisterung, fällt ihre Prognose eher kritisch aus. "Der relevante Inhalt ist begrenzt, oft werden nur Sprüche gepostet, die man schon kennt", sagt Lukas und vergleicht die App mit einer digitalen Schultoilettenwand. "Die Nutzer sollten sich mehr den Kommentaren widmen und somit die Dialogfunktion steigern, in der der eigentliche Reiz liegt", sagt Johannes. Die beiden bewerten den Trend als sehr schnelllebig.

Für die Gründer funktioniert der Newsfeed besser als das Vorschlagswesen so manchen Unternehmens: Zum Beispiel besteht der Wunsch nach Trending Hashtags, also einer Sortierung nach den beliebtesten Themen des Tages, oder der Monetarisierung des Karmas. In ungefähr vier Wochen gebe es ein umfassendes Upgrade.

Geschichte der Jodel-App

Seit dem 20. Oktober 2014 ist Jodel kostenlos im App Store und auf Google Play Store erhältlich.

Über die erste Version der App konnte man Posts nur mit Telefonkontakten teilen.

Ursprünglich sollte Jodel von Studenten vor allem zur Verbreitung von Veranstaltungen genutzt werden.

Während ein Tweet nur 140 Zeichen umfasst, kann ein Jodel bis zu 240 Zeichen lang sein.

Momentan erhalten die beliebtesten Jodel der Uni Mannheim knapp 300 positive Bewertungen.

In Mannheim nutzen bereits mehr als 2500 Studenten die App.

Die aktivsten Städte sind Aachen, Bonn, Köln, Mannheim, Berlin und München. jsz

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