Waldhof-Ost - Vor 25 Jahren fing alles mit der Nähstube an / Seit über zehn Jahren werden in der Frohen Zuversicht hungrige Kindermägen gefüllt

Waltraud Roos als Vorreiterin im Brennpunkt

Von 
Katja Nicklaus
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Wenn Waltraud Roos ihre Türen öffnet, fangen viele Augen an zu leuchten: Die hungriger Kinder und älterer Menschen, die beim Mittagstisch in der Frohen Zuversicht 5-7 an mittlerweile zwei Tagen in der Woche ein warmes Essen bekommen. Die der Frauen, die in der Nähstube unter Anleitung Kleidung und Vorhänge nähen können. Die der Familien, die bei der Lebensmittelausgabe Kisten voll Salat, Brot, Obst und manchmal Fleisch entgegen nehmen können. Alle diese Angebote werden ehrenamtlich nur mit Hilfe von Spenden von den Mitarbeitern der Caritas-Konferenz St. Lioba auf die Beine gestellt. Das würde SPD-Stadtrat Roland Weiß gerne ändern.

Darum hat die SPD-Gemeinderatsfraktion bereits Ende vergangenen Jahres einen Antrag eingebracht, das Essen für die Kinder vonseiten der Stadt auf ähnliche Weise zu bezuschussen wie das Mittagstischangebot an Schulen. Das Thema sei derzeit in Arbeit, so Weiß. Das Sozialamt habe auch die unterschiedlichen Verbände mit Mittagstischangeboten angeschrieben, um zu eruieren, welche Erfahrungen diese damit gemacht haben.

In Waldhof-Ost verfügt man über einen reichen Erfahrungsschatz. Vor 25 Jahren eröffnete Waltraud Roos, Vorsitzende der Caritas-Konferenz St. Lioba und stellvertretende Vorsitzende der Caritas-Konferenz Mannheim, ihre Nähstube mitten im sozialen Brennpunkt Waldhof-Ost. In dieser Nähstube, die heute im Gemeinschaftszentrum Frohe Zuversicht 5-7 untergebracht ist, können Frauen unter fachkundiger Anleitung Kleidungsstücke oder Vorhänge nähen, ausbessern oder kürzen. Vor gut zehn Jahren wurde dieses Angebot auch von zahlreichen Flüchtlingsfrauen aus Bosnien genutzt. "Bis zu 30 Flüchtlingsfrauen erledigten hier ihre Handarbeiten", erinnert sich Roos. "Wenn wir fertig waren mit Nähen, haben wir alle zusammen gekocht und gebacken, manche haben etwas mitgebracht." Mit der Zeit stellten sich weitere Zaungäste ein, blickt Roos zurück: "Kinder sind mit großen Augen an die Tür gekommen. ,Wir haben arg Hunger', haben sie gesagt: ,Wir möchten auch was zu essen'. Das ging mir so zu Herzen", fühlt Waltraud Roos ihren Empfindungen von damals nach, als sie noch Pfarrgemeinderätin von St. Lioba war. "Und dann hab' ich von jemandem Geld bekommen, der sagte schlicht: ,Ich weiß, was Du machen willst, mach' was draus'."

Zum ersten Kindermittagstisch, der zunächst im Soulmenclub ausgerichtet wurde, kamen gleich 80 Leute: Kinder, Schulkinder, Omas, Opas. Mit dem Andrang kam die Sorge: Das Geld reichte nicht. Doch Roos machte die Rechnung ohne ihre Unterstützer. "Die Sponsoren waren begeistert und versicherten: ,Du brauchst Dir keine Sorgen machen'."

2002 begann dann das Gemeinschaftszentrum in der Frohen Zuversicht 5-7 zu wachsen. In diesem letzten städtischen Gebäude - alle anderen sind in den Besitz der GBG übergegangen - war zuvor eine Außenstelle des Sozialdienstes der Stadt, der Soziale Dienst für den Brennpunkt und die psychologische Beratungsstelle für den Waldhof untergebracht. Nachdem diese sich nach und nach aus dem Gebiet zurückzogen, nutze man die Chance, hier die Nähstube, den Mittagstisch, die Lebensmittelausgabe und weitere Angebote für die Bewohner des Viertels einzurichten. Heute sind hier dienstags acht bis zehn Leute von der Caritas-Konferenz ehrenamtlich tätig und kochen. Junge Mütter aus dem Viertel packen überall an, wo es nötig ist: Sie bedienen, schälen Kartoffeln, putzen Gemüse.

Bei der Sanierung wurden die Räume dank der Intervention von Michael Bähr von der Gemeinwesenarbeit Waldhof bewusst für den Kindermittagstisch zugeschnitten. Eingerichtet werden konnten sie fast ausschließlich durch Spenden, wenn auch die Erstausstattung dank eines Projektes aus Berlin zustande kam.

"Wir waren für vieles hier Versuchskaninchen", schildert Bähr schmunzelnd - und ein bisschen kopfschüttelnd: "Jahre später haben wir erfahren, dass es in Berlin über unser Projekt ein Hochglanzprospekt gibt." Ob man auch in Mannheim die Bedeutung dieses Angebots so anerkennt?

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